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Gesundheit: In neuen Dimensionen

Serie Exzellenz-Wettbewerb (4): Nanowissenschaft und Proteinforschung – wie sich die Ludwig-Maximilians-Universität München bewerben will

Im Exzellenz-Wettbewerb konkurrieren die deutschen Hochschulen um 1,9 Milliarden Euro. Gefördert werden Graduiertenschulen, Forschungscluster und bis zu zehn Unis für ihre Gesamtstrategie. Wir stellen in loser Folge vor, wie sich große deutsche Unis bewerben wollen.

Wenn Wissenschaftler derzeit über Favoriten für den Elite-Wettbewerb spekulieren, wird ein Name immer genannt: Die Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU), mit 46000 Studenten eine der größten deutschen Unis. Die Münchner Uni landete im Forschungsranking des Centrums für Hochschulentwicklung und beim Förderranking der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf dem zweiten Platz – hinter den Münchner Nachbarn von der Technischen Uni. Dementsprechend zuversichtlich starten die Bayern in den Elite-Wettbewerb. „Wir denken, dass wir in unserem Bereich sehr weit vorne sind“, ist der Biophysiker Hermann Gaub überzeugt, der das geplante Forschungscluster „Nanowissenschaften“ vertritt. Eine „Aufbruchstimmung“ herrsche unter den Wissenschaftlern, sagt der Neurobiologe Benedikt Grothe.

Mit fünf bis acht Graduiertenschulen und ebenso vielen Forschungsclustern will die LMU an den Start gehen. „Wir wollen alle Fächergruppen einbeziehen“, sagt Bernd Huber, der Uni-Präsident. In den Naturwissenschaften stehen die Schwerpunkte Nanowissenschaften und Proteinforschung bereits fest. Dazu soll eine Graduiertenschule für die Nachwuchsforscher in den Naturwissenschaften aufgebaut werden (siehe unten).

In den Geisteswissenchaften dagegen überlegen die Müchner noch, welche Pläne sie einreichen. Es sei schwieriger, geisteswissenschaftliche Projekte auf die Beine zu stellen, die groß genug für den Wettbewerb sind, gibt Huber zu. Ob neue Kooperationen mit anderen Unis weiterhelfen könnten? Huber ist skeptisch. „Wir müssen den Eindruck vermeiden, dass wir einfach beliebig Forschungsprogramme kombinieren.“ Mit der Münchner TU will die LMU in den Naturwissenschaften zusammenarbeiten, vor allem beim gemeinsamen Cluster „Proteinforschung“.

Mit dem Wettbewerb würden seine Forscher „Neuland“ betreten, sagt Huber: „Es sind keine konventionellen Bewerbungen anhand der Kriterien, die wir bisher kennen.“ „Phantasie“ hat ErnstLudwig Winnacker, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, vor allem bei den Anträgen für die dritte Säule gefordert, also für die Gesamtstrategie einer Uni. Die Strategie der LMU-Bewerbung für diese Säule soll lauten: auf den Nachwuchs setzen. Die LMU will jungen Forschern „attraktive Karrierepositionen“ bieten, sagt Huber. Dazu gehöre auch Familienfreundlichkeit: Bei Wissenschaftler-Paaren sollen beiden Partnern interessante Stellen angeboten werden. In Ländern wie den USA sei das schließlich längst üblich.

WIE MUTTER NATUR BAUEN

„Nano“ heißt das neue Zauberwort in den Wissenschaften. Denn ein Nanometer ist die Dimension, in der Mutter Natur baut: Es ist die Größe eines Moleküls, dem Grundbaustein eines jeden Organismus. Bisher verstehen Wissenschaftler aber kaum, wie Moleküle funktionieren – es fehlen ganz einfach oft die Apparate, so winzige Strukturen zu untersuchen. Die Naturwissenschaftler an der LMU, die sich für das Cluster „Nanobiotechnologie“ zusammentun, wollen die Welt der Moleküle verständlich machen: Sie untersuchen, wie Moleküle miteinander kommunizieren, und entwickeln neue Techniken zu deren Erforschung. Die Münchner Forscher glauben, dass sie mit der Nanobiotechnologie mittelfristig für bahnbrechende Fortschritte auch in anderen Bereichen sorgen könnten.

Wer versteht, wie einzelne Moleküle miteinander reagieren, kann auch verstehen, warum beim Menschen Antikörper manche Krankheitserreger wirksam bekämpfen und andere nicht. So könnten neue Wege für die Therapie von Krankheiten entstehen. Die IT-Branche könnte profitieren. Mit dem bisher verwendeten Stoff Silizium sind Computerchips an einer Winzigkeitsgrenze angelangt, die nur schwer unterschritten werden kann. Würde man sie auf Kohlenwasserstoffbasis bauen, also dem Grundelement eines jeden Moleküls, könnte man sie noch einmal bedeutsam schrumpfen. Auch könnten Materialien mit ganz neuen Eigenschaften entstehen. Mit dreißig Partnern kooperiert die LMU, die im „Center for Nanoscience“ zusammengeschlossen sind.

DEN GRUND DES LEBENS VERSTEHEN

Über die Grundprozesse des Lebens, die sich in der menschlichen Zelle abspielen, wissen Wissenschaftler noch immer wenig. Die Hauptakteure, die Proteine, sind ihnen zwar bekannt. Wie bei einem Mannschaftssport kann aber ein Protein allein wenig bewirken, sondern ist auf das Zusammenspiel mit anderen Eiweißen angewiesen. Genau dort beginnen die Wissenslücken der Forscher: Wie das – oft nur kurzfristige – Zusammenspiel der Proteine funktioniert, ist bisher weitgehend ungeklärt.

Naturwissenschaftler wollen im Cluster „Proteinforschung“ diese Wissenslücken schließen. Sie wollen den kompletten Lebensweg eines Proteins untersuchen. Sie fragen, welche Hilfseiweiße ein Protein bei seiner Entstehung braucht. An seinen Einsatzort in der Zelle gelangt das Protein mithilfe von Transporteiweißen; um seine Aufgabe zu erfüllen, wird es von anderen Eiweißen unterstützt. Den Abbau eines Proteins besorgt eine Art molekularer Schredder. Das alles sind bislang nicht erklärbare Vorgänge, die die Münchner jetzt zum ersten Mal erforschen. Partner sind die MaxPlanck-Institute für Biochemie und Neurobiologie. Die Ergebnisse wollen die Wissenschaftler nutzen, um neue Krebstherapeutika zu entwickeln.

EINE SCHULE DER NATURWISSENSCHAFT

Physiker? Chemiker? Biologe? So genau sollen Forscher ihr Fach nicht mehr eingrenzen können, wenn es nach den Plänen der LMU geht. Die Uni will ihre Naturwissenschaften unter einem Dach vereinen. Der Nachwuchs soll davon besonders profitieren: An einer internationalen Graduate School of Science sollen junge Wissenschaftler fächer- und themenübergreifend forschen.

Wie fließend die Grenzen zwischen den Fächern geworden sind, zeigt die Evolutionsforschung. Molekularbiologen und Biochemiker, Physiker, Geowissenschaftler und Paläontologen sollen gemeinsam herausfinden, wie Organismen sich im Laufe der Jahrmillionen an immer neue Lebensbedingungen angepasst haben. Wie bei den Forschungsclustern sollen auch die Nanowissenschaften und die Proteinforschung Schwerpunkte an der Graduiertenschule sein. Ein weiteres Thema ist das Bioimaging: So heißt das Herstellen und Interpretieren bildtechnischer Verfahren, mit denen Vorgänge in den kleinsten Strukturen der Zellen sichtbar gemacht werden.

Mit speziellen Programmen will die Uni dafür sorgen, dass sich ihre Nachwuchs-Forscher auch schnell in Themen einarbeiten können, die bisher nicht zu ihrem Spezialgebiet gehörten. Schließlich will sich die LMU dafür einsetzen, dass ihre Juniorprofessoren nach dem amerikanischen Tenure-Track-System auch als ordentliche Professoren ihre Karriere in München fortsetzen können.

Bisher erschienen: Humboldt-Universität Berlin (27.6.), Freie Universität Berlin (4.7.), Technische Uni Berlin (11.7.).

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