zum Hauptinhalt

Gesundheit: „Ist die Universität in Aufbruchstimmung?“

DIE AKTUELLE FRAGE SEBASTIAN CONRAD (38) ist seit 2003 Juniorprofessor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin, wo er auch studiert hat. Foto: privat Wie ist am ersten Tag des Sommersemesters die Stimmung an der Uni?

DIE AKTUELLE FRAGE

SEBASTIAN CONRAD (38)

ist seit 2003 Juniorprofessor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin, wo er auch

studiert hat.

Foto: privat

Wie ist am ersten Tag des Sommersemesters die Stimmung an der Uni?

Das neue Semester beginnt immer mit einer gewissen Euphorie – trotz der großen Belastung mit Lehrveranstaltungen und Prüfungen, die jetzt auf mich zukommt. Aber erst mal ist man neugierig, wie die Studenten die neuen Themen annehmen.

Herrscht Aufbruchstimmung, weil jetzt der Wettbewerb um die Eliteförderung beginnt?

Das ist eher eine von oben verordnete Aufbruchstimmung. Die Unileitung hat 14 so genannte „Clusters of excellence“ vorgegeben wie Umwelt, Globalisierung oder Genderfragen. Wir stehen unter Druck, dieses Wissenschaftsmarketing mitzumachen. So werden keine Innovationen angestoßen.

Teilen die Studierenden Ihre Frühlingsstimmung zum Semesterstart? Oder fürchten Sie, dass die Proteste wieder aufleben?

Ich fürchte die Studenten nicht. Sie haben sich bei ihren Aktionen ja sehr stark für das von massiven Stellenstreichungen bedrohten Institut eingesetzt. Ich habe selber Seminare in der U-Bahn angeboten. Aber trotzdem hat man jetzt wieder Lust auf spannende Diskussionen im Seminarraum.

Die PDS-Basis hat gegen die geplanten Studienkonten gestimmt, aber die SPD-Spitze will weiterhin Studiengebühren. Wo stehen Sie?

Gut vorstellen kann ich mir, nachträgliche Gebühren von erfolgreichen Absolventen zu verlangen. Wichtiger wäre eine Universitätsreform, die zu einem Wettbewerb um die besten Studenten und Dozenten führt. Man muss ihnen das Gefühl geben, nicht zufällig an diesem Ort zu sein, sondern weil sie sich beworben haben und ausgewählt wurden.

Auch die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master soll Aufbruchstimmung erzeugen. Ein effektives, berufsorientiertes Studium – wie macht man das bei Historikern?

(lacht) Die Schlüsselqualifikationen werden nicht von den Historikern gelehrt. Aber bei allen Klagen: Mit dem Punktesystem kommt zur inhaltlichen Motivation auch eine formale. Den kleinen Verlust an Freiheit wird die Mehrheit der Studenten gern in Kauf nehmen. Die Dozenten stöhnen über die Kanonisierung der Lehrinhalte. Ich sehe aber auch die Chance, wegzukommen vom Kleinteiligen hin zu den großen Fragen. Also in der Überblicksvorlesung nicht mehr nur deutsche, sondern auch die außereuropäische Geschichte zu behandeln.

Ein Zukunftsmodell war auch die Juniorprofessur. Derzeit aber berät das Bundesverfassungsgericht über die Rettung der Habilitation.

Kein Problem, wie 95 Prozent meiner Kollegen schreibe ich an meiner Habilitation. Im Moment braucht man sie ohnehin noch, weil so viele Habilitierte auf dem Markt sind. Auf Dauer geht es aber nicht ohne den Tenure Track: die Möglichkeit, als Professor weiterbeschäftigt zu werden, wenn man gut ist.

Das Gespräch führte Amory Burchard.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false