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Gesundheit: Kalter Pazifik – kleine Fische

Sardinen oder Sardellen? Die Wassertemperatur macht’s

Was für den einen kleine Fische sind – Sardellen und Sardinen – kann einen Ozeanografen wie Francisco Chavez vom Monterey Bay Wasserforschungszentrum in Kalifornien zu weit reichenden Entdeckungen führen. Es geht um einen Wärmezyklus im gesamten Pazifik, der im Zeitraum von 25 Jahren von „warm“ auf „kalt“ und dann wieder zurück schwingt – das Maximum ein Grad Celsius über, das Minimum ein Grad unter dem Durchschnitt. In der Folge verändert sich – mit der Natur und den Nahrungsketten – auch das Aufkommen an Fischen. In der „Warmzeit“ finden die Fischer im Pazifik reiche Sardinenschwärme vor, in der „Kaltphase“ kleinere Sardellen. Kurz: es gibt einen „Sardinellenzyklus“ von rund 50 Jahren.

Wie Chavez im aktuellen Heft der Fachzeitschrift „Science“ ausführt, hatte man bislang den Rückgang der kalifornischen Sardinen-Fänge auf Überfischung zurückgeführt. Denn in den 30er und 40er Jahren entwickelte sich im Südwesten der USA eine Industrie, die mehr als eine halbe Million Tonnen Fisch pro Jahr verarbeitete. In den 50er Jahren brach mit dem dramatischen Rückgang der Fänge alles zusammen. Die Sardellen gewannen die Oberhand – woraufhin sich in Peru eine riesige Sardellen-Verarbeitungsindustrie entwickelte. Dann waren wieder die Sardinen dran. Mitte der 90er Jahre schrumpften die nun wieder auf vier Millionen Tonnen angewachsenen Sardinen-Fänge auf 40 000 Tonnen – wir gehen also wieder auf eine kühle Sardellen-Hausse zu.

Diese Zyklen lassen sich auch in den Beständen der Kormorane nachvollziehen, die sich fast ausschließlich von Sardellen ernähren. Anhand von je nach den Phasen unterschiedlichen Ablagerungen des Vogelkots findet man Nachweise bis in das frühe 20. Jahrhundert.

Bei seinen Untersuchungen stieß Chavez auf ein Phänomen, das sich in Ansätzen mit dem des „Niño“ gleichsetzen lässt. Als „Niño“ bezeichnen Klimaforscher eine alle drei bis sieben Jahre auftretende Ausnahmesituation, bei der es in Südamerika zu schweren Unwettern und in Asien zu Dürrephasen kommt. Zudem spielt sich der „Niño“ vor allem im Südpazifik ab, vor der südamerikanischen Küste. In Chavez’ Blickfeld hingegen ist auch der nördliche Teil des Ozeans.

In beiden Fällen jedoch handelt es sich um eine Änderung im komplizierten Zusammenspiel aus Lufttemperatur und Luftströmungen sowie den entsprechenden Vorgängen im Wasser. Im Normalfall wehen die Passatwinde von Amerika Richtung Asien. Dort ist der Meeresspiegel 60 Zentimeter höher als vor Amerika, zudem schaufeln Tiefenströmungen vor Amerika nährstoffreiches Wasser zu den Fischen nach oben.

Die Erwärmung der Südhalbkugel um die Weihnachtszeit heizt aber das Wasser des Südpazifiks auf, die Temperatur- und damit die Luftdruckdifferenzen schwinden, die Passatwinde schlafen ein. Im Extremfall beginnt damit ein „Niño“. Der Nährstoffstrom versiegt, die Fische hungern. Der Wasserspiegel vor Asien, eben noch höher als vor Südamerika, kann „zurückschwappen“. Im letzten Stadium gelangt dabei kühleres Wasser nach Amerika, die Passatwinde erwachen wieder.

So viel zu den „Niño“-Effekten. Nur: Zieht man diese vom durchschnittlichen „Verhalten“ des Pazifiks ab, bleibt immer noch eine Schwingung darunter übrig, aber eben eine zeitlich viel länger ausgedehnte und in ihrer Wirkung offensichtlich auch ganz andere: eben jener „Sardinellen“-Zyklus. Chavez fand weitere Daten, die ebenso parallel zu den Zyklen verlaufen. Dazu gehört etwa die Kohlendioxid-Konzentration in der Luft, gemessen an der Insel Mauna Loa. Diese Konzentration ändert sich durch CO2-Frachten, die aus tiefen Schichten des Meeres steigen.

Zu den noch offenen Fragen gehört jene, wie weit die „Niños“ vergangener Jahre auch den Nordpazifik beeinflussen. Hinweise darauf gibt es aus den 70er Jahren, schreibt Chavez. Denkbar ist auch, dass „Niños“ wie der vom Jahreswechsel 1997/1998 nur Entwicklungen im Nordostpazifik überlagert und verschleiert haben. Die treibende Kraft hinter dem „Sardinellenzyklus“ muss also noch erforscht werden.

Gideon Heimann

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