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Gesundheit: Kampf um die Köpfe

Der Bund will die vorschulische Bildung massiv fördern – und riskiert einen neuen Streit mit den Ländern

Bildung ist seit der Pisa-Studie die deutsche Zukunftsfrage – für Bundeskanzler Gerhard Schröder, der den unterfinanzierten Universitäten und Fachhochschulen einen Wettbewerb der Exzellenz verordnet hat. Und für Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn, die diesen Wettbewerb ausgelobt hat – und auch das Vier-Milliarden-Programm für die Ganztagsschulen auflegte. Dass der Bund die Bildung von der Schule bis zur Universität mitgestaltet, kollidiert allerdings mit dem Grundgesetz. Für die Inhalte der Bildung in Schulen und Hochschulen sind allein die Länder zuständig.

In der Föderalismuskommission geht der Weg denn auch in eine ganz andere Richtung als in den Berliner Zukunftsprogrammen zur Bildungspolitik: Mischfinanzierungen von Bund und Ländern, wie sie zum Beispiel im Hochschulbau üblich sind, sollen abgeschafft werden. Das Hochschulrahmengesetz, das bisher von allen Bundesregierungen genutzt wurde, um den Ländern politische Vorgaben überzustülpen, soll auf ein bloßes Organisationsgesetz ohne politische Inhalte reduziert werden. Mitte Dezember, wenn die Föderalismuskommission ihre Verhandlungen abschließt, werden die Deutschen erfahren, wie künftig die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder neu verteilt werden.

Was Ulrich Kasparick, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, jetzt in Berlin dazu zu sagen hatte, klang wie eine letzte Kampfansage an die Länder vor der Entscheidung im Bildungsstreit zwischen Bund und Ländern. Bei einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung und der Leibniz-Gemeinschaft kündigte Kasparick für 2005 ein Programm zum Ausbau der vorschulischen Erziehung an. Vorbild dafür sei die Ganztagsschul-Förderung des Bundes. Nach dem Pisa-Schock und dem kritischen Bildungsbericht der OECD brauche Deutschland eine „nationale Kraftanstrengung in Bildung und Forschung“, sagte Kasparick. Den Förderalismusstreit um die Bildung kritisierte der Staatssekretär scharf: „Wir stehen vor einer nationalen Aufgabe und verheddern uns gleichzeitig in Zuständigkeiten. Das ist die deutsche Krankheit.“ Wenn die Länder jenen Grundgesetzartikel außer Kraft setzen würden, der das Ganztagsschulprogramm ermöglicht hat, dann wäre das ein Pyrrhussieg.

Die Mischfinanzierung von Bund und Ländern sowohl im Hochschulbau als auch in der Forschungsförderung solle beibehalten werden. Der Bund müsse auch künftig für einen Exzellenzwettbewerb unter den Hochschulen und einen Pakt zur Forschungsförderung die „Impulse und Anstöße geben können“. Die Bundesrepublik könne es sich nicht leisten, in eine Kleinstaaterei zurückzufallen, wenn gleichzeitig Europa zum stärksten Forschungsraum der Welt werden wolle.

Im Zuge der Föderalismusreform geht es auch um die 80 Institute der Leibniz-Gemeinschaft, von denen 40 nach der Wiedervereinigung in den neuen Ländern angesiedelt wurden. Bislang wurden zur Zukunft der Institute zwei Alternativen diskutiert: Entweder die Institute werden nur noch durch die Länder finanziert – und nicht mehr wie bisher zu Hälfte durch den Bund, oder die Leibniz-Gemeinschaft wird aufgelöst und die Institute in die Universitäten oder die Max-Planck-Gesellschaft integriert. Diese für viele Institute existenzbedrohenden Varianten hatte Wissenschaftsministerin Bulmahn im Januar dieses Jahres angeregt.

Ihr Staatssekretär Kasparick schlug jetzt ganz andere Töne an: „Wir müssen den Prozess so gestalten, dass dabei die neuen Länder nicht unter die Räder kommen. Starke Institute in Ostdeutschland müssen weiter gestärkt werden.“ Überlegungen, die Institute der Leibniz-Gemeinschaft in andere Forschungsorganisationen oder die Universitäten zu überführen, beobachtet der aus dem Osten Deutschlands kommende Staatssekretär mit Skepsis. „Die Diskussion um eine Schließung der Institute der Leibniz-Gemeinschaft ist schlicht abwegig.“ Kasparick regte an, nach dem Ende der Föderalismusdiskussion den Wissenschaftsrat zu beauftragen, die Zuständigkeit für Forschungsinstitute neu zu überdenken.

Die Rolle des Bundes in der Forschungsförderung war auch bei der Berliner Tagung umstritten: Der Staatssekretär im Wissenschaftsministerium des Freistaates Sachsen, Frank Schmidt, betonte: Wenn der Bund in der Forschung allein entscheiden würde, könnte er einzelnen Ländern bei deren Entwicklungspolitik einen Strich durch die Rechnung machen.

Auch der Generalsekretär des Wissenschaftsrats, Wedig von Heyden, sprach sich für eine Beibehaltung der Mischfinanzierung in der Forschung und im Hochschulbau aus. Seine Begründung: Seit Jahren seien die Universitäten überlastet und chronisch unterfinanziert. Dennoch kürzten Länder in ihrer Finanznot weiter bei den Hochschulen. Wenn künftig der Bund nicht mehr die Hälfte der Hochschulbauten finanziere, sondern die Anschaffung neuer Großgeräte und der Bau von Hörsälen ausschließlich in die Verantwortung der Länder fallen sollte, würden die Hochschulen weiter benachteiligt. Die Forschung, die eigentlich in die Universitäten zurückkehren müsse, werde weiter aus den Hochschulen abwandern.

In diesem Sinne äußerte sich auch die Generalsekretärin der Hochschulrektorenkonferenz, Christiane Ebel-Gabriel. Der Aufbau der Hochschulen im Osten sei noch nicht beendet. Und in den alten Ländern bestehe ein enormer Erneuerungsbedarf. In dieser Situation könne man auf die Mitwirkung des Bundes beim Hochschulbau nicht verzichten. Vor allem brauche man die Unterstützung des Wissenschaftsrats für eine ausgewogene Politik. Anders sei die Priorität für Hochschulen und Forschung in den Ländern nicht aufrechtzuerhalten.

Uwe Schlicht

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