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Gesundheit: Kampf um die Krone

Junge Forscher fördern, Fächergrenzen sprengen:Wie die Universitäten im Elite-Wettbewerb gewinnen wollen

Heute zittern Spitzenwissenschaftler in ganz Deutschland: In Bonn fällt am Abend die erste Vorentscheidung, welche Hochschulen beim Kampf um den Elite-Uni-Status weiterkommen. Nur acht bis 15 der 27 Bewerber können sich Hoffnungen machen, im Rennen zu bleiben; Ende Oktober sollen dann in der ersten Runde des Wettbewerbs vier bis fünf Elite-Unis gekürt werden.

Bis zu 21 Millionen Euro bekommen die Unis überwiesen, die in der Königsdisziplin der Exzellenz-Initiative, der dritten Säule, gewinnen. Die Säule ist so wichtig, weil in ihr das meiste Geld ausgeschüttet wird – und weil die wenigen Sieger-Unis einen beträchtlichen Imagegewinn für sich verbuchen können, der ihnen auf Jahre gegenüber den anderen Unis einen immensen Vorteil verschaffen wird. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat haben die Ausschreibung für die dritte Säule bewusst vage gehalten. Im Mittelpunkt der Bewerbung stehen „Zukunftskonzepte“. In ihnen sollen die Hochschulen erklären, wie sie ihre „universitäre Spitzenforschung ausbauen“ können. Lasst eure Fantasie spielen!, lautete die Vorgabe von Ernst-Ludwig Winnacker, dem DFG-Präsidenten. Es war nicht einmal vorgeschrieben, ob mit dem Zukunftskonzept die ganze Uni oder nur einzelne Fachbereiche verbessert werden sollen.

Die Berliner Unis haben tatsächlich ganz unterschiedliche Pläne eingereicht. Die Humboldt-Uni will den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern, die Freie Universität setzt einen Schwerpunkt auf die Verbesserung ihrer internationalen Kontakte, und die Technische Uni will die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Ideen zu Produkten verbessern. Vergleicht man jedoch die Anträge aller 27 Konkurrentinnen, zeigt sich: Die Fantasie der Wissenschaftler scheint sehr wohl ähnlich gestrickt. Viele Projekte haben Gemeinsamkeiten. Auf Anfrage des Tagesspiegels erklärte gut die Hälfte der Bewerberuniversitäten, wie sie sich an die Spitze der deutschen Unis setzen wollen.

Die Humboldt-Universität will mit ihrem Konzept „Humboldt Research School“ begabte Nachwuchsforscher vom ersten Studientag an bis zur Lebenszeitprofessur fördern. Bereits die besten Bachelor- und Masterstudenten sollen bei den Forschungsprojekten mitarbeiten, die die HU zu ihren Aushängevorhaben zählt. „Hervorragende Nachwuchsforscher können wir nur bekommen, wenn wir auch eine hervorragende Lehre bieten“, sagt Hans Jürgen Prömel, HU-Vizepräsident für Forschung. Die Doktoranden sollen künftig nicht mehr alleine vor sich hinforschen, sondern Programme in Graduiertenschulen durchlaufen. Postdoktoranden, für die es bisher wenig gezielte Förderung gab, sollen jetzt systematisch aus- und weitergebildet werden. Neben dem Ausbau der Juniorprofessur will die HU neue Programme auflegen. Die Uni setze darauf, dass sie bereits jetzt bundesweit bei Graduiertenschulen und Juniorprofessuren vorn liege, sagt Prömel.

Die Freie Universität will als „Internationale Netzwerkuniversität“ reüssieren. Die FU, die als erste deutsche Uni eine Außenstelle in New York eröffnete und inzwischen auch in Moskau und Peking vertreten ist, will dem „Brain Drain“ begegnen und junge Wissenschaftler nach Deutschland holen, die bislang andere Länder vorgezogen hätten. Künftig sollen deutlich mehr als 25 Prozent der Neuberufungen aus dem Ausland kommen. Die FU will ein Verfahren einführen, das in der Wirtschaft schon lange üblich ist, aber in der deutschen Wissenschaft bislang selten eingesetzt wird: „Talent Scouting“, also das gezielte Anwerben von talentierten Jungforschern. Dafür soll ein „Center for International Exchange“ zuständig sein, das in weit größerem Rahmen als bisher die Auslandsaktivitäten der FU koordinieren soll. In einem „Center for Graduate Studies“ sollen die Nachwuchsforscher aller Fächer eine systematische Ausbildung erhalten – die regelmäßig evaluiert werden soll, um sie auf internationalem Niveau zu halten. Das soll auch deutschen Nachwuchsforschern zugute kommen, die die FU im Land halten möchte. Ein „Center for Cluster Development“ soll kontinuierlich wichtige Cluster, also transdisziplinäre Forschungsfelder, entwickeln und dafür sorgen, dass die beteiligten Fachbereiche und außeruniversitären Institute effizient kooperieren.

Die Technische Universität will mit „Innovative Labs“ – „Labs“ steht für Labore – Wissenschaft und Wirtschaft besser vernetzen. Von der Grundlagenforschung über die angewandte Forschung bis zur Fertigstellung marktreifer Waren soll der gesamte Produktionsprozess unter einem Dach vereint werden. Ein Beispiel, das die TU nennt: Wissenschaftler entwickeln ein Gerät, mit dem Reisende nach der Ankunft in Berlin via Satellit ein Taxi bestellen können. Dazu müssen im „Lab“ Informatiker und Ingenieure mit Designern und auch Betriebswirten zusammenarbeiten. Anders als beispielsweise am Campus Adlershof der HU, wo sich viele neue, kleine Firmen angesiedelt haben, will die TU gemeinsam mit großen Unternehmen forschen. Als Vorbild dient der TU ihr „European Center for Information and Communication Technologies“, bei dem sie mit der Telekom, Siemens und Daimler-Chrysler kooperiert. Andere „Labs“ sollen sich der Mathematik, der Chemie oder der Gestaltung von Lebensräumen widmen.

Universitäten aus anderen Bundesländern, die thematisch mit Berlins Hochschulen konkurrieren, kann man bereits am Titel ihres Antrages erkennen. Wie die HU plant die Ruhr-Uni Bochum einen „Research Campus“, ein „Research Center“ will die Medizinische Hochschule Hannover einrichten. Die Anglizismen haben einen einfachen Grund: Die Hochschulen mussten ihre Anträge auf Englisch einreichen. Die Uni Konstanz hat für ein ähnliches Vorhaben für die Öffentlichkeit eine deutsche Übersetzung gefunden: „Europäisches Zentrum für Nachwuchswissenschaftler“.

Wie die Berliner TU setzt die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen darauf, neue Ideen zu marktfähigen Produkten zu entwickeln. „Von der Idee zum Produkt“ haben die Aachener ihren Antrag getauft und kündigen an, dass sie die „technisch-wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und Europas entscheidend mitgestalten“ wollen. Die FU wird im Ausland keine Einzelkämpferin bleiben. So heißt es aus der Uni Halle-Wittenberg, dass „die Kooperation mit exzellenten Partnern in Schlüsselregionen wie Osteuropa, Japan und Korea nachhaltig verändert“ werden soll.

Die Idee des FU-Antrages, wissenschaftliche Schwerpunkte über Fächergrenzen hinweg neu zu organisieren, nehmen die Unis Bonn, Leipzig und Göttingen sowie die Technische Uni Darmstadt auf. Die Verbindung von Geistes- und Naturwissenschaften – übrigens auch ein Lieblingsvorhaben des neuen HU-Präsidenten Christoph Markschies – steht im Mittelpunkt der Anträge aus Tübingen und Erlangen-Nürnberg. Eine Ausnahme unter den Bewerbern bildet die Uni Stuttgart: Sie ist die einzige Hochschule, die sich auf einen Fachbereich konzentriert und ein Forschungszentrum zum Thema Mobilität plant.

In den Details könnten sich ähnliche Anträge dennoch unterscheiden. Wie groß die Unterschiede sind, lässt sich aber nur schwer beurteilen. Denn die Unis geben derzeit kaum Details preis – zu groß ist die Angst, ins Hintertreffen zu geraten, wenn die Konkurrenten von den Plänen erfahren und ihre womöglich daran anpassen.

Wie ungern sich die Hochschulen in die Karten gucken lassen, zeigt die Reaktion der restlichen Bewerber-Unis auf die Frage nach ihren Zukunftskonzepten. „Wir befinden uns in einem Wettbewerb, da wollen wir keine Geheimnisse preisgeben“, antworteten etwa Mannheim und Würzburg. Vor allem die Unis aus dem Süden zieren sich, ihre Pläne zu veröffentlichen. Aus Bayern und Baden-Württemberg kommen elf der 27 Bewerber, die Konkurrenz ist besonders groß.

Es schweigen auch zwei Hochschulen, die kurz nach dem Startschuss für den Wettbewerb im Spätsommer 2005 noch Einblicke in ihre Pläne gaben. Damals sagte Peter Hommelhoff, Rektor der Uni Heidelberg, dem Tagesspiegel, dass ein Baustein seines Zukunftskonzeptes sein solle, festgelegte Gehaltsgrenzen von Professoren zu überschreiten. So wollen die Heidelberger mit internationalen Eliteunis mithalten können. Die Uni wolle künftig auch zwischen Forschungs- und Lehrprofessuren unterscheiden. Bernd Huber, Rektor der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), kündigte im Tagesspiegel an, wie die HU auf den Nachwuchs setzen zu wollen. Die LMU wolle jungen Forschern „attraktive Karrierepositionen“ bieten. Dazu gehöre auch Familienfreundlichkeit: Bei Wissenschaftler-Paaren sollen beiden Partnern interessante Stellen angeboten werden. Jetzt hieß es bei Nachfragen in München und Heidelberg, die beide zu den Favoriten-Unis gehören: kein Kommentar mehr zu dem Thema.

Wie viel die Zukunftskonzepte bei der endgültigen Entscheidung tatsächlich zählen, lässt sich allerdings kaum sagen. Zwar wird wohl keine Uni gewinnen, die einen schlechten Antrag einreicht. Eine Rolle wird aber auch spielen, wie gut die Unis bereits in der Spitzenforschung aufgestellt sind. So müssen die Bewerber in ihrem Antrag herausstellen, was sie „als Institution für die Spitzenforschung auszeichnet“, heißt es in einem Schreiben der DFG. Außerdem redet auch die Politik ein gewichtiges Wort mit. Wenn der Bewilligungsausschuss im Oktober endgültig entscheidet, haben die Politiker 32, die Wissenschaftler 39 Stimmen.

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