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Gesundheit: Kampf um Sekunden

Röntgenkongress: Bei Notfällen haben sich moderne Aufnahmetechniken als lebensrettend erwiesen

Wird ein Patient nach einem lebensbedrohlichen Unfall ins Krankenhaus eingeliefert, konzentrieren sich die Ärzte zunächst um offensichtliche Probleme mit Herz, Kreislauf oder Atmung. Was mit dem Gehirn eines Bewusstlosen geschehen ist, ist von außen nicht zu sehen. Deshalb bemühen sich Radiologen darum, es möglichst schnell im Bild darzustellen.

Bis ein Computertomogramm (CT) des Kopfes, ein Ultraschallbild des Bauchraums oder Röntgenaufnahmen von Lunge, Wirbelsäule und Becken gemacht sind, vergeht allerdings oft über eine Stunde. „Das ist verlorene, lebensnotwendige Zeit“, sagt Reinhard Loose, Radiologe am Klinikum Nürnberg-Nord. Loose ist auch Präsident des 87. Deutschen Röntgenkongresses, zu dem sich von Mittwoch bis zum Sonnabend 7000 Teilnehmer in Berlin versammeln.

Das Polytrauma, also die Mehrfachverletzung nach Verkehrsunfällen oder Stürzen, ist dabei ein wichtiges Thema. Denn mit dem modernen Multidetektor-CT, bei dem die Röntgenröhre am Patienten entlang wandert und bis zu 64 Spiralen parallel eingesetzt werden, kann ein vielfach verletztes Unfallopfer neuerdings gleich im Schockraum innerhalb einer halben Minute ganz untersucht werden.

„Mit keiner anderen Methode kann man in 30 Sekunden mehr über einen schwerkranken Notfallpatienten erfahren“, sagte Loose zu Journalisten vor Kongressbeginn. Ein solches Gerät sollte seiner Ansicht nach heute in jedem Zentrum zur Verfügung stehen, zumal eine Studie inzwischen gezeigt habe, dass die Sterblichkeit der Patienten damit um vier Prozent gesenkt werden könne.

Andere Beispiele für den Einsatz der CT-Geräte mit den kurzen Rotationszeiten sind gefährliche Gefäßausbuchtungen (Aneurysmen) und Hirnblutungen. „Wir können dabei heute die Gefäße besser erkennbar machen, indem wir die Knochen des Schädels sozusagen aus dem Bild subtrahieren“, erklärte Maximilian Reiser, Radiologe an der Universität München und Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft.

„Das Gehirn ist viel leichter im Bild zu untersuchen als das Herz, weil es sich nicht bewegt“, sagte Michael Forsting, Neuroradiologie am Universitätsklinikum Essen. Die akkuraten Einblicke ins Gehirn können sogar Herzensangelegenheiten offenbaren und dadurch beängstigend wirken. Ein Beispiel ist das „Neuromarketing“, bei dem versucht wird, durch funktionelle Magnetresonanz-Tomografie (fMRT) herauszufinden, nach welchen Mustern unser Gehirn Kaufentscheidungen steuert. „Wir können mit dem fMRT dem Gehirn bei der Arbeit zuschauen, beobachten wie die Neuronen feuern“, erklärte Forsting.

Dem Interesse der Industrie an der Neuroradiologie steht er zwar skeptisch gegenüber. Dennoch wurde mit dieser Methode an seinem Institut kürzlich untersucht, ob autogenes Training tatsächlich im Gehirn wirkt. Die Forscher beobachteten zwölf Versuchspersonen, die die Methode gelernt hatten, beim Ausführen einfacher Übungen, dazu im Vergleich zwölf Untrainierte. „Bei der Übung, die den rechten Arm schwer und warm werden lässt, war genau das Hirnareal aktiv, in dem wir die Repräsentation des Armes vermuten“, sagte Forsting. Wenn man es kann, verändert autogenes Training also nachweislich die Aktivitäten des Gehirns – dass es tatsächlich entspannend wirkt, ist damit aber noch nicht gesagt.

Beim MRT entsteht keine Strahlenbelastung. Trotzdem muss Forsting seine Versuchspersonen über eine unerwartete Nebenwirkung aufklären: Es könnte sich, quasi aus heiterem Himmel, herausstellen, dass es im Gehirn des – vermeintlich gesunden – Probanden krankhafte Veränderungen gibt, von denen dieser zuvor nichts ahnte. Auch über dieses heikle Thema müssen Radiologen heute diskutieren.

Adelheid Müller-Lissner

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