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Gesundheit: Katzen: Schnurren ist die beste Therapie

Der schmeichelhafteste und verführerischste Sound, den eine Katze - oder irgendein Lebewesen - von sich geben kann, ist wahrscheinlich das Schnurren. Das Gefühl wohliger Behaglichkeit, das dieser lang gezogene Brummton zum Ausdruck bringt, springt instinktiv auf den menschlichen Betrachter über.

Der schmeichelhafteste und verführerischste Sound, den eine Katze - oder irgendein Lebewesen - von sich geben kann, ist wahrscheinlich das Schnurren. Das Gefühl wohliger Behaglichkeit, das dieser lang gezogene Brummton zum Ausdruck bringt, springt instinktiv auf den menschlichen Betrachter über. Die stumme Reaktion einer gekraulten Katze lässt uns brüskiert einen Missstand ahnen. Doch wenn neue wissenschaftliche Überlegungen nicht trügen, ist das Schnuren für die Katze weniger ein Wohlfühllaut als eine "Musiktherapie", mit der sie ihren Knochen und Gelenken beim Heilen hilft.

Früher nannte man das Schnurren der Katze "spinnen", nach dem sanften, gleichmäßigen Surren der Spinnräder. Für den großen Duden ist Schnurren gleichbedeutend mit "ein anhaltendes, verhältnismäßig leises, tiefes, gleichförmiges summendes, aus vielen kurzen, nicht mehr einzeln wahrnehmbaren Lauten bestehendes Geräusch von sich geben." Technisch gesehen ist das Schnurren ein pulsierender Ton von etwa 25 Hertz, der den Wunsch nach Beibehaltung des Kontaktes impliziert.

Außer Tigern schnurren fast alle Katzen, sogar Löwen und Geparden. Tiger, die auf Grund der andersartigen Struktur ihres Kehlkopfes nicht schnurren können, produzieren dafür ihren eigenen, einschmeichelnden Behaglichkeitslaut, der sich wie ein rasches, abgehacktes f-f-f-f anhört.

Die Frage, warum Katzenartige überhaupt schnurren, wird in der Verhaltensforschung als ungelöstes Rätsel angesehen. Es ist zwar zutreffend, dass der Brummton häufig Behaglichkeit und freundliche Annäherung ausdrückt. Ältere Katzenkinder schnurren ihre Mutti manchmal geradezu enthusiastisch an, wahrscheinlich um noch eine Portion extra herauszuschlagen. Da liegt vielleicht auch die Querverbindung zwischen den Wörtern "Schnurren" und "Schnorren". Das Problem ist, dass Katzen nicht nur schnurren, wenn sie sichtbar Wonne fühlen, sondern auch dann, wenn sie unter den Schmerzen der Wehen leiden, bei Verletzungen, beim Tierarzt oder sogar dann, wenn der Sensenmann naht.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die auf Energiesparen bedachte Evolution einen solchen akustischen Luxus geschaffen hätte, wenn er keinen handfesten Vorteil im Überlebenskampf bringt, gibt Elisabeth von Muggenthaler vom Fauna Communications Research Institute in North Carolina zu bedenken. Doch in den letzten Jahren haben Wissenschaftler mit ihren Experimenten eine mögliche Erklärung dafür geliefert, wie das Schnurren bei den Katzen die Fitness erhöht: Durch eine Beschallung mit Vibrationen zwischen 20 und 50 Hertz wird eine höhere Knochendichte, ein schnelleres Knochenwachstum und eine verkürzte Heilungsdauer bei Verletzungen erreicht.

In einer Studie wurden Hühner für zwanzig Minuten auf eine vibrierende Plattform platziert, was ihren Knochen zu einer größeren Dichte verhalf. Als man Kaninchen für eine Weile mit 25 bis 50 Hertz beschallte, stieg die Knochendichte um 20 Prozent und Brüche verheilten deutlich schneller. Auch beim Menschen gibt es schon länger Anzeichen, dass eine Beschallung im unteren Frequenzbereich Schmerzen lindert und zur Heilung von Muskeln und Sehnen beiträgt.

In der russischen Sportmedizin werden routinemäßig Schwingungen zwischen 18 und 35 Hertz angewendet. Dass Schwingungen zwischen zwei und 100 Hertz das Auflösen von Muskelkrämpfen beschleunigen, ist in der Literatur empirisch belegt. Bei ihren umfangreichen akustischen Messungen an Katzenartigen stellten die Wissenschaftler des Fauna Communications Research Instituts nun fest, dass die Schnurrlaute der Familie "Felidae" immer genau in das Frequenzspektrum fallen, das im Experiment das "anabolische" Knochenwachstum unterstützt.

Bei der Hauskatze liegt die dominante Frequenz zwischen 23 und 30 Herz, mit einer starken Harmonischen bei 50 Hertz. Das Schnurren von Ozelot, Puma, Serval und Geparden liegt bei 25 und 50 Hertz und kann zuweilen bis auf 140 Hertz hochgehen. Es besteht also eine realistische Wahrscheinlichkeit, dass die Katze mit ihrer körpereigenen "Ultraschalltherapie" ihre Knochenheilung stimuliert. In der Veterinärmedizin sagt ein altes Sprichwort: "Wenn man eine Katze und einen Haufen gebrochener Knochen nebeneinander stellt, heilen die Knochen."

Jeder Veterinär und jeder Orthopäde weiß, dass Brüche bei Katzen mit Leichtigkeit heilen, während es bei Hunden oft Probleme gibt. Altweiberlegenden enthielten oft ein Körnchen Wahrheit, pflichtet Muggenthaler bei und erinnert an die legendären "neun Leben", die eine Katze besitzen soll. Die Fähigkeit von Katzen, selbst schwere Verletzungen zu überleben, ist lange bekannt. Eine Studie im Journal of the American Veterinary Medical Association führt auf, dass von 132 Katzen, die im Schnitt aus einer Höhe von fünf bis sechs Stockwerken gestürzt waren, 90 Prozent überlebt hatten, in einem Fall sogar eine Katze, die aus dem 45. Stockwerk gefallen war.

Als nächstes wollen die Forscher ihre These einem empirischen Test unterziehen. Da sie natürlich keine Katze verletzen wollen, suchen sie nach Stubentigern, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht schnurren können. Deren Knochenwachstum soll systematisch mit dem von Schnurrern verglichen werden. Aber auch Anwendungen beim Menschen sind nicht ausgeschlossen. Eine niederfrequente Schallbehandlung könnte benutzt werden, um dem Auftreten von Osteoporose bei Frauen entgegen zu wirken.

Um kräftig und intakt zu bleiben, muss unser Skelett stimuliert werden, etwa durch Sport. Bei Personen, für die sportliche Übungen problematisch sind, könnte eine Beschallung helfen, dem Verlust von Calcium und der Schwächung der Knochen vorzubeugen. Schon jetzt ermöglichen mechanische Vibrationstechniken die Kräftigung der Knochen. In der Schwerelosigkeit geht bei Astronauten die Knochendichte zurück. Auch die Weltraumfahrer könnten von den Katzen lernen.

Rolf Degen

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