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Gesundheit: Kinder, Campus, Koryphäen

Berlin schafft ein großes Zukunftsressort. Die Unis hoffen auf eine starke Senatorin

Die langjährige Ehe zwischen Kultur und Wissenschaft in Berlin wird geschieden. Fortan wird die Wissenschaft zusammen mit dem Schulwesen unter ein Dach ziehen sowie mit Jugend und Familie. Wird die Wissenschaft, die sich stets im Schatten der Kultur sah, von dem zukünftigen Ressortzuschnitt profitieren? Am Tag nach Bekanntwerden der neuen Liaison von Schule und Wissenschaft sind die Reaktionen aus den Hochschulen gemischt.

Dieter Lenzen, der Präsident der Freien Universität, lobt, Bildungspolitik in Berlin könne nun endlich „aus einem Guss“ gemacht werden. Schule und Hochschule hätten viele Schnittstellen, die nun besser verzahnt werden könnten. Detlev Ganten, dem Vorstandsvorsitzenden der Charité, wäre hingegen ein eigenes Ressort für die Wissenschaft lieber gewesen. Aber immerhin seien mit Schule und Hochschule „die beiden zentralen Bereiche für die Zukunft Berlins“ zusammengeführt worden.

Der Präsident der Humboldt-Universität, Christoph Markschies, hält es für sinnvoll, die „gesamte Bildung von der Kita über die Schule bis hin zur Hochschule“ zusammenzufassen. Kurt Kutzler, Präsident der TU Berlin, dagegen erinnert daran, dass die Hochschulen ein eigenes Ressort für die Wissenschaft gefordert hatten. Von dem neuen Senator oder der neuen Senatorin erwarte er nun, „dass Wissenschaft und Bildung zu gleichen Teilen die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen“.

Auch Günter Stock, Präsident der Akademie der Wissenschaften, hatte sich vor der Wahl für ein eigenständiges Wissenschaftsressort ausgesprochen. Das wäre im Prinzip auch möglich gewesen, weil die Kultur in der Senatskanzlei angesiedelt wird. Doch es kommt trotzdem anders. Ein neues Ressort Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz wurde geschaffen. Damit ist der Weg für den Alleingang der Wissenschaft verbaut, denn mehr als acht Senatoren lässt die Verfassung Berlins nicht zu. In dieser Situation hätte Stock ein Ressort Wissenschaft und Wirtschaft für besser gehalten, da der Schulbereich aufgrund seiner Wirkung in der Öffentlichkeit die meiste Arbeitskraft des Senators binden werde.

Berlin wird nicht das einzige Bundesland sein, in dem Bildung und Wissenschaft gemeinsam regiert werden. In Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen gehört beides seit der Nachwendezeit zusammen – allerdings gemeinsam mit der Kultur. In den alten Ländern existiert dieser Zuschnitt momentan nur im Saarland. In Bremen gibt es seit 1999 mit Willi Lemke einen Senator allein für Bildung und Wissenschaft.

Was gewinnt die Wissenschaft, wenn sie mit der Bildung zusammen regiert wird? „Im Tagesgeschäft dominiert die Schule“, ist aus dem Bremer Ministerium zu hören. Die Steuerung des Schulwesens sei sehr „kleinteilig“: „Der Senator muss sich um jede kaputte Kloschüssel kümmern.“ Hinzu komme der öffentliche Druck, wenn es um die Schule geht. Bremen ist Schlusslicht bei Pisa.

In jedem Fall erleichtere das Ressort aber den Umgang mit den Schnittstellen zwischen Schule und Wissenschaft. In Bremen gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die den Übergang von der Schule in die Hochschule verbessern sollen. So kommen Schüler an die Uni, um etwa Kurse in Luft- und Raumfahrt zu belegen. Solche Modelle gibt es auch in Berlin – doch leichter seien sie durch ein gemeinsames Ressort Bildung und Wissenschaft zu organisieren, meint man in Bremen.

Das meint auch Jürgen Schreier, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Saarland (CDU), der von seinem Ressort mit der „klassischen Trias“ schwärmt: „Sie umfasst die gesamte kulturelle Wertschöpfungskette.“ Nur in großen Ländern sei es „aus arbeitsökonomischen Gründen“ sinnvoll, ein eigenes Wissenschaftsressort zu haben. Kleine Länder und Stadtstaaten könnten von einem Dach für Schule und Hochschule nur profitieren, etwa beim „klassischen Streitthema Lehrerbildung“. Ein Wissenschaftsminister mit Verantwortung für das Schulwesen werde die Reformen entschlossener angehen. Die Gefahr, die Wissenschaft könne unter die Räder der Schule geraten, sieht Schreier nicht: „Der Fokus wandert mit den Aktualitäten. Aber das andere bleibt immer im Blick.“

Wer könnte in Berlin beide Bereiche vereinen? Vermutlich wird die SPD eine Frau auf den Schild heben – und zwar eine, die dem neuen Zukunftsressort zu einer angemessen starken Ausstrahlung verhilft. Auch übernimmt Berlin 2007 den Vorsitz in der Kultusministerkonferenz (KMK). Gut, wenn die neue Senatorin sich bei den oft schwierigen Verhandlungen in der KMK durchsetzen kann.

Detlev Ganten sagt, es müsse „ein herausragender Kandidat“ gefunden werden, der in der Lage sei, die beiden Bereiche Schule und Wissenschaft schnell und effizient zusammenzuführen. Schließlich bestehe die Gefahr, dass durch das Zusammenlegen zweier so großer Verwaltungen viel Zeit verloren gehe. FU-Präsident Lenzen hofft auf eine Persönlichkeit, „die der Tendenz der Koalitionsvereinbarung folgt, den Universitäten mehr Autonomie einzuräumen“. Gebraucht werde nicht ein „großer Gestalter“, sondern „ein weiser Verwalter“.

Hinter den Kulissen wird um die Personalie gerätselt. Gesine Schwan, Präsidentin der Viadrina, weist Gerüchte um ihre Person zurück: „Völliger Unsinn!“ Dann vielleicht Edelgard Bulmahn, die ehemalige Bundesbildungsministerin? Doch Bundespolitiker wechseln nur selten in die Landespolitik. Also Ute Schäfer? Sie war Ministerin für Schule, Jugend und Kinder in Nordrhein-Westfalen – aber wissenschaftspolitisch profiliert ist sie nicht. Der Regierende Bürgermeister will seine Senatoren nach dem SPD-Parteitag am 18. November vorstellen.

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