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Gesundheit: Klärschlamm auf Feldern: Nutzen oder Gefahr?

Mit Schadstoffen belasteter Sondermüll muss entsprechenden Beseitigungsanlagen zugeführt werden, damit die Substanzen der Umwelt nicht mehr gefährlich werden können. Soweit die nachvollziehbare Theorie.

Mit Schadstoffen belasteter Sondermüll muss entsprechenden Beseitigungsanlagen zugeführt werden, damit die Substanzen der Umwelt nicht mehr gefährlich werden können. Soweit die nachvollziehbare Theorie. Aber beim Klärschlamm wird eine Ausnahme gemacht, die viele Fachleute nicht mehr hinnehmen wollen.

In Deutschland wurden in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 10 000 Kläranlagen mit zumeist hohem technischen Standard errichtet. Sie holen zum sehr großen Teil das, was ins Abwasser eingeleitet wurde, heraus: Fäkalien aus Haushalten sowie in flüssigen Resten Fortgeschwemmtes aus Betrieben. Zurück bleibt ein konzentrierter Klärschlamm, der eben auch eine Reihe bekannter sowie vermutlich auch viele in diesem Zusammenhang unbekannte Schadstoffe enthält. Bis dahin ist das auch in Ordnung, denn das Wasser, das aus dem Klärwerk abströmt, soll ja sauber sein.

Jährlich 60 Millionen Tonnen

Aber was geschieht nun mit diesem Klärschlamm? Fast die Hälfte der 60 Millionen Tonnen Schlamm (drei Millionen Tonnen Trockensubstanz) pro Jahr werden in der Landwirtschaft eingesetzt, auf Feldern ausgetragen. Dabei gibt es nur für einige wichtige Schadstoffe Grenzwerte, nach anderen Substanzen wird gar nicht gesucht. Ein weiteres Drittel des Schlamms wird auf Kippen untergebracht (bis 1. Juni 2005 gestattet).

Da nur 20 Prozent des Materials verbrannt werden, gelangt also ein großer Teil in die Umwelt - und vieles dann auch in einen besonders sensiblen Bereich: auf die Felder. Von dort aus können die Stoffe in den Boden (und damit ins Grundwasser) dringen, oder gar, was noch schlimmer wäre, über die Pflanzen in die Nahrung. Das stellt - bei allem Verständnis für Wertstoffkreisläufe - eine gefährliche, ungesunde und unzulässig kurze Verkettung dar, kritisieren die Abfallwirtschaftler.

Und nicht nur die: auch Hersteller von besonders hochwertigen Nahrungsmitteln wie zum Beispiel Hipp oder Best Foods werben damit, ihre Feldfrüchte nur von Bauern zu beziehen, die auf den Einsatz von Klärschlamm verzichten. Im ökologischen Landbau ist das Düngemittel ebenso verpönt wie bei Landwirten, die den Wert ihres Bodens erhalten wollen. Als Konsequenz aus diesen Überlegungen hat Berlin schon vor Jahrzehnten dafür gesorgt, dass der hiesige Klärschlamm verbrannt wird. Und nun hat sich auch das Umweltministerium in Nordrhein-Westfalen gegen das Schadstoff-Recycling ausgesprochen, Rheinland-Pfalz und Bayern erwägen ebenfalls ein Verbot, wurde betont.

Selbst in Kraftwerken zu verfeuern

Für Abfallwirtschaftler wie den Karl Joachim Thomé-Kozmiensky von der Technischen Universität Berlin steht jedenfalls fest, dass es ökologisch günstigere Wege gibt, das Problem-Material loszuwerden. Am besten eignen sich dafür spezielle Verbrennungsanlagen, aber auch in Kraft- und Zementwerken könnte der Schlamm verfeuert werden. Wenn es Anlagen sind, die nach der 17. Verordnung zum Bundesimmissionschutzgesetz zugelassen sind, bestehe keine Sorge, dass Schadstoffe entweichen könnten.

Die Mehrkosten sind nach Ansicht des Fachmanns mit etwa fünf Mark pro Haushalt und Monat eher gering - die ökologische Dimension hingegen sei mit jener des aktuellen BSE-Skandals vergleichbar, sagt Thomé-Kozmiensky.

Tagesspiegel Online Spezial: www.tagesspiegel.de/bse

Die Debatte um Klärschlamm ist das Thema einer Fachtagung, die vom Institut für Technischen Umweltschutz, Fachgebiet Abfallwirtschaft, an der Technischen Universität Berlin am heutigen Dienstag und am Mittwoch im Großen Hörsaal des Produktionstechnischen Zentrums, Pascalstraße 8 in Charlottenburg, stattfindet.

Gideon Heimann

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