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Gesundheit: Kleben wie Spiderman

In einer markanten Szene sitzt der Schuss perfekt: Spinnensekret ergießt sich aus der Hand von Spiderman und rettet die Geliebte kurz vor dem Aufprall nach hundert Metern Sturz in die Tiefe. Mary-Jane liegt in den Armen des Helden – und Klebstoffchemiker werden blass vor Neid.

In einer markanten Szene sitzt der Schuss perfekt: Spinnensekret ergießt sich aus der Hand von Spiderman und rettet die Geliebte kurz vor dem Aufprall nach hundert Metern Sturz in die Tiefe. Mary-Jane liegt in den Armen des Helden – und Klebstoffchemiker werden blass vor Neid. Was der Comic-Held kann, würden sie auch gern beherrschen: an einer senkrechten Hauswand stehen und einen Superkleber aus dem Handgelenk schütteln, der dermaßen pappt, dass eine kleine Fläche die Brems-Belastung von gut 400 Kilo halten kann.

Für normale Spinnen ist das Alltag. „Beim Kleben und Haften ist uns die Natur um Längen voraus", sagt Antonia Kesel. Die Professorin für technische Zoologie und Bionik versucht an der Hochschule Bremen, das klebrige Geheimnis von Spinnen, Geckos und Muscheln zu lüften.

Dabei ist die Industrie längst auf das Kleben gekommen. Wo früher gelötet, geschweißt oder genäht wurde, ist jetzt Kleister auf dem Vormarsch. Von bis zu 15 Kilo Klebstoff werden Autos zusammengehalten. Sie werden steifer und vibrieren weniger. Hunderttausende Tonnen stellt die Industrie jedes Jahr her und setzt fast zwei Milliarden Dollar um. In Sachen Aushärtung und Umweltverträglichkeit müssen die Chemiker der Natur aber noch intensiv auf die Finger schauen. In diversen Entwicklungszentren wird an der Umsetzung von naturinspirierten Kleb- und Haftstoffen gearbeitet.

„Würde man einen Quadratmeter mit Spinnenfüßen pflastern, könnte man 25 Tonnen dranhängen", erklärt Kesel. Auch ohne Comic-Held zu sein, kann eine Spinne auf diese Weise das 170fache ihres Gewichts halten. Millionen mikrofeiner Härchen schmiegen sich so perfekt an die Oberfläche an, dass sie selbst ohne klebrige Zwischenschicht haften. Der Nachbau funktioniert jedoch nur im Kleinen. Um die winzigen Strukturen massenweise für Spinnen-Tape oder Spiderschuhe herzustellen, fehlt die geeignete Großtechnologie.

Auch der Superkleber der Natur schlechthin steht nicht in den Regalen, sondern wächst am Strand: Die Seepocke, doppelt so stark wie Spiderman, klebt 50 Tonnen pro Quadratmeter und härtet den biologisch abbaubaren Kleister auch noch unter Wasser aus.

Wann wird man eine Art Seepocken-Spiderkleister kaufen können? „Keine Ahnung“, sagt Kesel. In zwei bis drei Jahren, vielleicht erst später. Wer bis dahin die fantastischen Klebkräfte der Natur erleben möchte, muss ins Kino gehen – oder in den Zoo.

Tobias Beck

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