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Gesundheit: „Kleinkunstbühne der Forschung“

Seit zehn Jahren führt das Centre Marc Bloch in Berlin französische und deutsche Wissenschaftler zusammen

Seit zehn Jahren kommen Wissenschaftler aus Frankreich und Deutschland im Centre Marc Bloch (CMB) am Schiffbauerdamm zusammen, um sich in Seminaren und Projekten auszutauschen. Die Aufgaben des Centre sind klar definiert: interdisziplinär angelegte Forschung mit den Schwerpunkten vergleichende Geschichte, Politik und Recht. Die Begegnungen sollen der deutsch-französischen Integration in der Wissenschaft dienen. Ob dies gelungen ist und welche Rolle das CMB in der deutschen Wissenschaftslandschaft heute spielt, wurde am Wochenende auf einem Symposium diskutiert.

„Das CMB hat großen Anteil daran, dass es für Sozialwissenschaftler normal geworden ist, französische Wissenschaftler zu lesen“, sagte Matthias Middell vom Zentrum für Höhere Studien in Leipzig. Dass französische Forscher heute genau so ernst genommen werden wie anglo-amerikanische, sei „ein sensationeller Erfolg“. Thomas Lindenberger vom Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam betonte den „Zugewinn an Perspektiven“ durch die französischen Ansätze und sieht im CMB einen „Impulsgeber“.

Gegengewicht zu den USA

Auch Jürgen Kocka, Historiker und Präsident des Wissenschaftszentrums Berlin, lobte die „Mittlerfunktion“: Der deutsch- französische Wissenschaftsaustausch sei vergleichsweise bescheiden; im universitären Arbeitsalltag komme man viel leichter mit anglo-amerikanischen Kollegen in Kontakt als mit französischen. Die Begegnungsmöglichkeiten des CMB bildeten zu diesem angelsächsischen Übergewicht aber einen wirkungsvollen Gegenpart. Die zweisprachigen Tagungen des Centre seien eindeutig ein Gewinn; denn so werde Französisch als Wissenschaftssprache lebendig gehalten – „bestimmte Fragen werden einfach besser in der Fremdsprache gestellt.“ Für Kocka ist dieser Kultur- und Wissenschaftstransfer ein „Übertragungsprozess fundamentaler Art“.

Furcht vor anderen Fächern

Doch wenn Wolfgang Kaschuba vom Institut für Europäische Ethnologie in Berlin sein Lob mit den Worten zusammenfasst, die wissenschaftliche Kultur aus Frankreich habe der deutschen Wissenschaft „sehr gut getan“, äußert sich darin zugleich Tadel – für die Forschung an den Universitäten. Die Präsidentin der deutsch-französischen Hochschule Saarbrücken, Helene Harth, findet dafür deutlichere Worte. Die deutsche Universitäts-Wissenschaft sei nicht international orientiert. Die einzelnen Fächer zeigten sich in der Regel „borniert“ und fürchteten sich vor interdisziplinären Ansätzen und aktuellen Bezügen. Dem CMB, das gerade diese besonders pflege, habe die deutsche Forschung also „viel zu verdanken“.

Was wünschen sich die deutschen Wissenschaftler in den nächsten zehn Jahren dieser „Kleinkunstbühne der Forschung“ (Kocka)? Hans-Peter Müller vom Institut für Sozialwissenschaften erhofft sich einen regeren Austausch von Gastprofessuren, damit sich irgendwann eine „europäische Sozialwissenschaft“ etabliert. Kocka wünscht sich, eine stärkere „Internationalisierung unseres Blickes auf die Geschichte“ und dass die Wissenschaftler mit Hilfe des CMB „Teil einer entstehenden europäischen Öffentlichkeit“ werden. Insgesamt eine Fülle an Zukunftswünschen – hoffentlich keine zu große Last für die Direktorin des Centre Marc Bloch, Catherine Colliot-Thélène.

Tom Heithoff

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