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Gesundheit: Knochenarbeit

Rolfing bietet Handfestes – und verrrückt das Bindegewebe

Woher kommt dieses Gefühl von Leichtigkeit? Fast als ob man schwebe. "Gehen Sie noch ein wenig auf und ab", sagt Viola Dotzauer. Ein, zwei Runden um die kniehohe, schaumstoffbedeckte Liege, die mit ihren kantigen Holzpfosten so stabil aussieht. Handfest ist auch die Behandlung beim Rolfing in Berlin-Wilmersdorf.

So viel Kraft würde man der kleinen, schmalen Therapeutin gar nicht zutrauen. Und doch erzielt sie den gewünschten Effekt, ohne derb zu wirken. Sie lacht zur Frage, ob es blaue Flecken geben wird, als sie mit dem Ellbogen auf den Klienten drückt. „Nein“, sagt sie, „ich passe auf“. „Schmelzen“ nennen es die „Rolfer“, wenn sie ganz fest auf bestimmte Körperpartien drücken.

Vor allem um die „Faszien“ geht es, das sind zähe Bindegewebshäute, die Muskeln und Organe umhüllen. Ihnen wird beim Rolfing eine wichtige Rolle zugeschrieben, da sie dem Körper die Form geben sollen. Sind die Faszien verhärtet oder verkürzt, so werden bestimmte Bewegungen erschwert. Es kommt zu Fehlhaltungen.

Hat sich der Körper erst einmal an ineffiziente und ungesunde Haltungen gewöhnt, empfindet er sie schließlich als normal. Objektiv bessere Körperhaltungen werden dagegen als unnormal oder gezwungen wahrgenommen.

Um diesen schädlichen Kreislauf zu überwinden, greift Rolfing direkt am muskulären Bindegewebe an. Der Körper soll wieder ausbalanciert werden. Einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirksamkeit gibt es allerdings nicht. Ein seriöses Urteil über die Methode sei ihm daher nicht möglich, sagt Carsten Perka, Orthopäde an der Charité. Es gebe Patienten, die seien vom Rolfing begeistert, andere seien enttäuscht.

Die Rolfing-Behandlung läuft nicht nach einem festen Schema ab, sondern orientiert sich am individuellen Fall. Am Anfang steht die „Anamnese“. Was musste der Körper bisher erdulden an Unfällen oder Knochenbrüchen? Gab es Operationen, müssen akut Medikamente eingenommen werden?

Wie weit sich Fehlhaltungen und Verspannungen im Körper verfestigt haben, sieht Dotzauers geübter Blick an dem nur mit Boxershorts bekleideten Klienten. „Das Becken ist nach hinten gekippt“, stellt sie bei diesem „Body-Reading“ fest. An Taille und Schultern bemerkt Dotzauer zwischen links und rechts geringfügige Unterschiede. Das Körpergewicht lastet zu weit auf dem Vorderfuß.

Der Zustand wird per Polaroid-Kamera dokumentiert. Nach der Behandlung soll wieder ein Foto gemacht werden, das – um es vorwegzunehmen – einen deutlichen Unterschied zeigen wird. Das Becken zeigt jetzt nach vorne, der Körper ist aufgerichtet und wirkt straffer.

„Ziehen, drücken, schieben“ - so die Rolfing-Therapeutin - hat das bewirkt. Dotzauer spürt die Schwachstellen auf. Viel Fingerspitzengefühl ist nötig, um den Druck richtig zu dosieren. Mal fühlt es sich ganz fein an, dann wird es stärker und ab und zu wird es ganz intensiv, dann drückt die Therapeutin mit Faust oder Ellbogen. Der „Klient“ lässt es passiv geschehen, manchmal muss er aber auch aktiv sein. Auf Anweisung atmet er beispielsweise mehrmals tief aus und ein, gegen den Druck der Handballen auf dem Brustkorb.

Rolfing hat einen ganzheitlichen Ansatz. „Durch Berührung die Körperstruktur eines Menschen so verändern, dass er sich physisch, physiologisch, emotional und energetisch im Gleichgewicht befindet“, so definiert Dotzauer ihr therapeutisches Ziel.

Die Bewegungen sollen entkrampft und flüssig werden, die Atmung leicht und tief. Mit einer entspannten Körperhaltung lassen sich auch stressige Situationen gelassener meistern. „Das kann sich auch positiv auf die Partnerschaft auswirken“, sagt die Therapeutin.

Gut fühlt sich auch der Klient am Ende der Behandlung. Der Rücken ist warm, die Muskeln sind locker. Wie von einer unsichtbaren Schnur nach oben gezogen, wie von einer schweren Last befreit, scheint sich der Körper aufzurichten. Der Blick aufs Polaroid-Foto zeigt, dass dies nicht Einbildung ist. Um den Effekt nachhaltig zu machen, seien mehr Sitzungen nötig, sagt Dotzauer.

Paul Janositz

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