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Gesundheit: Komet unter Beschuss

Nasa will ein Loch in einen Schweifstern schießen

Von Rainer Kayser, dpa

Der Komet kommt aus der Tiefe des Weltalls. Mit einer Geschwindigkeit von 37000 Kilometern pro Stunde rast ein schweres Kupferprojektil auf ihn zu. Es hat sich soeben von einem Raumschiff gelöst. Der Einschlag dieses Geschosses reißt einen 14 Stockwerke tiefen Krater in den Himmelskörper, katapultiert Eis und Staub ins All. Unterdessen fliegt das Raumschiff in 500 Kilometern Abstand an dem Kometen vorbei und funkt Bilder des Einschlags zur Erde.

Dieses Szenario entstammt keinem Thriller, sondern den Plänen der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa. Am heutigen Mittwoch schickt sie vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida aus die Raumsonde „Deep Impact“ auf Reisen. Im Juli wird die Sonde dem kartoffelförmigen, sechs mal vier Kilometer großen Kometen Tempel1 begegnen. Der Beschuss des Himmelskörpers soll Forschern erstmals Einblick in das Innenleben eines Kometen geben.

Kometen sind kosmische Zeitkapseln: Sie bestehen aus einem lockeren Gemisch von Wassereis, gefrorenen Gasen, Staub und Felsbrocken und enthalten ursprüngliche Materie aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems. Nähert sich ein Komet der Sonne, so verdampfen die flüchtigen Substanzen und bilden einen oft spektakulären, Millionen Kilometer langen Schweif.

„Deep Impact“ ist nicht die einzige Sonde, mit der die Astronomen die Zusammensetzung der Kometen studieren möchten. So kehrt die amerikanische Raumsonde „Stardust“ gerade von ihrer Begegnung mit dem Kometen Wild 2 zur Erde zurück. „Stardust“ hat Materie aus der Gas- und Staubhülle des Kometen eingesammelt und wird diese im Januar 2006 in einer Kapsel über dem US-Bundesstaat Utah abwerfen. Und die europäische Sonde Rosetta ist auf dem Weg zum Kometen Churyumov-Gerasimenko, auf dem sie 2014 einen kleinen Lander zur Untersuchung von Bodenproben absetzen soll.

Doch die Forscher wollen nicht nur wissen, was sich an der Oberfläche von Kometen befindet. „Jedes Mal, wenn sich ein Komet der Sonne nähert, heizt er sich auf und seine oberflächennahen Schichten verändern sich“, sagt Michael A´ Hearn, Chefwissenschaftler der Mission „Deep Impact“. „Wir wollen nun erstmalig erforschen, wie sehr sich das Innere des Kometen von seiner Oberfläche unterscheidet.“

Nicht nur über die chemische Zusammensetzung, auch über die Struktur des Kometeninneren erhoffen sich A´Hearn und seine Kollegen Aufschluss von dem künstlichen Einschlag. Sind unsere Vorstellungen von den „schmutzigen Schneebällen“ überhaupt korrekt? Oder ist der Komet wie ein Schweizer Käse von großen Höhlen durchsetzt? In diesem Fall könnte das Projektil einfach die Kometenmaterie zusammenpressen, ohne einen großen Krater zu hinterlassen.

Vorstellbar ist auch, dass die Kometenmaterie so pulverig ist, dass das Projektil den gesamten Himmelskörper fast spurlos durchschlägt. Für wenig wahrscheinlich hält A´Hearn dagegen die Möglichkeit, dass der Aufprall eine starke Schockwelle auslöst, die den Kometen in mehrere Teile zerfetzt.

Kenntnisse über das Innenleben der Kometen könnten sich eines Tages als segensreich für die Menschheit erweisen – dann nämlich, wenn sich ein solches Gestirn auf Kollisionskurs mit der Erde bewegt. Der Einschlag eines Kometen könnte zu einer globalen Katastrophe, zum Ende der menschlichen Zivilisation und zu einem massenhaften Artensterben führen.

Nur mit Hilfe neuer Einblicke in den inneren Aufbau der Kometen wird sich beurteilen lassen, ob und welche technischen Möglichkeiten es zur Abwehr einer solchen Bedrohung aus dem All gibt – sei es durch eine Sprengung des Kometen oder durch eine Änderung seiner Bahn. Die nun geplante Attacke von „Deep Impact“ ist eine Art kosmischer Präventivschlag.

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