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Gesundheit: Konkurrenz im Kopf

Im Gehirn ist es ein wenig wie im richtigen Leben, vermuten Forscher: Nur wer am lautesten schreit, der wird auch gehört

Würde man in diesem Augenblick mit einem Kernspintomographen Ihren Kopf durchleuchten, so könnte ein Neurobiologe ungefähr sagen, was Sie tun – und zwar nur anhand der Aktivitätsbilder Ihres Gehirns. Er könnte sogar Vermutungen darüber anstellen, wie Sie sich gerade fühlen, ob Sie etwa Angst haben oder, umgekehrt, in bester Stimmung sind.

„Wir können heute ziemlich genau verfolgen, welche Teile des Gehirns aktiv sind, wenn wir etwas sehen oder hören oder fühlen“, sagte der Hirnforscher Sten Grillner vom Karolinska-Institut in Stockholm letzte Woche in Berlin auf dem 93. Workshop der Dahlem-Konferenzen. Die Dahlem-Workshops gibt es seit 1974. Ihr Ziel: den interdisziplinären Austausch der Wissenschaft zu fördern. Dazu treffen sich zweimal jährlich Experten aus aller Welt, um Forschungslücken herauszufinden – und einen Beitrag dazu zu leisten, diese Lücken zu schließen.

„Auf der anderen Seite wissen wir vieles darüber, wie einzelne Hirnzellen funktionieren“, sagte Grillner. Auch die Kontaktstelle, an der sich zwei Hirnzellen treffen, die Synapse, ist recht gut erforscht. So weiß man zum Beispiel, wie Synapsen sich verändern, wenn wir etwas lernen.

Zwischen diesen beiden Ebenen jedoch – den Hirnregionen und der Hirnzelle – klafft die Lücke. „Denken oder Wahrnehmen vollzieht sich in Netzwerken von Tausenden von Nervenzellen“, sagte die Hirnforscherin Hannah Monyer von der Neurologischen Universitätsklinik in Heidelberg. Doch wie funktionieren diese Netze?

Würde man verstehen, wie Nervenzellen zusammenarbeiten, wie sie sich organisieren, würde man nicht nur unser Denken und Wahrnehmen besser verstehen. Auch dem Rätsel des Bewusstseins käme man ein Stück näher. Denn auch das Bewusstsein ist vermutlich das Werk solcher Mikroschaltkreise des Gehirns.

Um der Funktionsweise der Netze im Kopf auf die Schliche zu kommen, untersucht einer der Teilnehmer des Workshops, der Biologe Giovanni Galizia von der Universität von Kalifornien in Riverside, wie Tiere und Menschen einen Geruch wahrnehmen.

„Tieren und Mensch gemeinsam ist, dass sie einen Duft mit Hilfe von kleinen Zellknäueln, den Glomeruli, verarbeiten“, sagte Galizia. Verschiedene Düfte in der Umwelt aktivieren unterschiedliche Sinneszellen unserer Nase. Diese geben ihre Information weiter an den Riechkolben, der ersten Schaltstation zum Gehirn. In dem Riechkolben liegen die Glomeruli. Es sind Sammelstellen für die Sinneszellen, die auf den gleichen Duft in der Umwelt reagieren.

Die Glomeruli bilden untereinander ein Netzwerk, in dem Gerüche verarbeitet werden. Sobald ein Duft einen Glomerulus aktiviert, schickt er, wie Galizia entdeckt hat, ein hemmendes Signal an seine Nachbarn. „Die Glomeruli sprechen also miteinander.“ Aber das, was sie einander sagen, lautet immer gleich, nämlich: sei still!

Glomeruli versuchen sich also gegenseitig mundtot zu machen. Derjenige, der am Ende nicht still ist, siegt. Der Geruch, auf den sich dieser Glomerulus spezialisiert hat, ist es, den wir riechen.

Der Stärkere setzt sich durch: Vielleicht gilt dieses darwinistische Prinzip sogar für die meisten Netzwerke im Kopf. Unser Denken wäre dann eine Art Aktivitätswettkampf verschiedener Hirnzellverbände, die versuchen, sich gegenseitig auszuschalten. Allerdings werden die Forscher noch viele Lücken füllen müssen, um herauszufinden, ob diese Vermutung stimmt.

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