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Sensible Sehhilfe: Eine Linse sollte nicht mit Leitungswasser gereinigt werden.

© picture-alliance/ dpa

Kontaktlinsen: Alarm im Auge

3,4 Millionen Deutsche tragen Kontaktlinsen, die Fehlsichtigkeit manchmal besser beheben als eine Brille. Doch bei falscher Pflege können schwerwiegende Erkrankungen der Hornhaut die Folge sein.

Es ist eine ausgesprochen schmerzhafte Entzündung: die Infektion der Augenhornhaut mit Akanthamöben. Denn dabei können auch die Nerven mit befallen sein. Die Behandlung ist langwierig, sie kann bis zu einem Jahr dauern. „Als wirkungsvoll hat sich eine Art Schocktherapie erwiesen, bei der sich die Patienten zunächst Tag und Nacht jede Viertelstunde abwechselnd zwei verschiedene Medikamente ins Auge tropfen“, erläutert Berthold Seitz. Er ist Direktor der Klinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlands und Präsident der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), die kürzlich in Berlin ihren Jahreskongress abgehalten hat. Dort hat Seitz unter anderem berichtet, dass der Weg zur korrekten Diagnose einer Infektion des Auges mit Akanthamöben meist langwierig ist: Oft vergehen Monate, bis die Krankheit erkannt wird. Wird sie falsch behandelt, etwa mit kortisonhaltigen Arzneimitteln, dann kapseln sich die Erreger ein und machen sich regelrecht unangreifbar. Das kann bis zum Erblinden führen. Im Einzelfall kommt man deshalb nicht darum herum, den Betroffenen die Hornhaut eines Spenders zu transplantieren.

Weil diese Infektion selten ist, tippen Augenärzte zunächst oft auf Herpesviren oder Bakterien als die häufigeren Ursachen einer Hornhautentzündung. Falls die Entzündung nicht auf die üblichen Antibiotika oder antiviralen Mittel anspricht, sollten sie aber hellhörig werden und sich mit dem schwierigen Fall lieber an eine Uniklinik wenden, empfiehlt Seitz. Für den sicheren Nachweis der Erreger muss dort eine kleine Probe vom Gewebe der Hornhaut entnommen werden, die dann in einem Speziallabor untersucht wird.

Berthold Seitz
Berthold Seitz

© DOG

Seitz, der Sprecher der Hornhaut-Sektion seiner Fachgesellschaft ist, hat zusammen mit Kollegen 2011 ein Register der Akanthamöben-Infektionen angelegt. Ziel ist es, Erkenntnisse über die beste Behandlungsstrategie zu gewinnen, über die noch wenig Klarheit herrscht. Bisher sind 130 Fälle in das Register aufgenommen, bei zwei Dritteln von ihnen wurde zunächst eine falsche Diagnose gestellt. Kein Wunder, denn weniger als jeder zwanzigste Fall einer Hornhautinfektion geht auf diese Erreger zurück.

Neben Einzellern wie den Akanthamöben können auch Bakterien und Viren Hornhautentzündungen auslösen. Jedes Jahr trifft einen von 10 000 Trägern harter Linsen ein solches Missgeschick, bei den Trägern der meist als angenehmer empfundenen, aber porösen und schwerer zu reinigenden weichen Linsen sind es schon fünf, und von denjenigen, die ihre Linsen über Nacht anbehalten, sind über zwanzig betroffen.

Die allermeisten Erkrankten haben also weiche Kontaktlinsen zu lange ohne Unterbrechung getragen oder nicht ordnungsgemäß gereinigt. Gefährlich ist es zum Beispiel, wenn die Linsen mit Leitungswasser in Berührung kommen, in dem sich Akanthamöben gern tummeln. Normalerweise können uns diese allgegenwärtigen Einzeller nicht gefährlich werden, doch im Tränenfilm des Auges reichen die Abwehrstoffe, die das Immunsystem gegen sie aufzubieten hat, oft nicht aus.

Manchmal beheben Kontaktlinsen eine Sehstörung effektiver als eine Brille

Trotz dieser Risiken sind Kontaktlinsen für Hornhaut-Experte Seitz eine „tolle Errungenschaft“. Obwohl heute viele Arten der Fehlsichtigkeit mittels chirurgischer Eingriffe behandelt werden können, bleiben Kontaktlinsen für einige Patienten unentbehrlich. Dabei geht es nicht allein darum, die Brille als Sehhilfe zu ersetzen. Denn oft würden Brillen gar nicht helfen. Zum Beispiel bei stark verkrümmten Hornhäuten, etwa dem Keratokonus, einer kegelförmigen Verformung der Hornhaut. Dann kann nur eine formstabile Speziallinse für scharfes, störungsfreies Sehen sorgen. „Ihre wahren Stärken können Kontaktlinsen bei den Extremfällen ausspielen“, sagt Seitz. Dazu gehören auch Verletzungen, nach denen sogenannte „Verbandslinsen“ angelegt werden können, „Irislinsen“, mit denen man die Trübung der Hornhaut kaschieren kann oder Vollokklusionslinsen, die ähnlich wie eine Augenklappe wirken und auf diese Weise störende Doppelbilder ausschalten können.

Linsenträger sollten zwei Mal im Jahr zum Augenarzt - und nicht erst wenn die Augen gerötet sind

Die meisten der rund 3,4 Millionen Bundesbürger, die sich regelmäßig oder ab und zu Kontaktlinsen einsetzen, wollen aber nur unauffällig eine leichte Kurzsichtigkeit korrigieren, also im Auto oder im Kino scharf sehen. Zunehmend sind auch moderne Multitalente unter den Linsen gefragt, die es ihren Trägern wie Gleitsichtbrillen zugleich ermöglichen, trotz beginnender Altersweitsichtigkeit die Zeitung ohne Lesebrille zu genießen. Seitz rät dazu, alle Arten von Kontaktlinsen immer beim Augenarzt oder einem ausgebildeten Optiker anpassen zu lassen. Neben richtiger Pflege und rechtzeitigem Ausziehen sei zudem die regelmäßige Kontrolle beim Augenarzt wichtig. Seitz empfiehlt, sich zweimal im Jahr für so eine Kontrolle Zeit zu nehmen – also nicht erst, wenn die Augen jucken, brennen oder gerötet sind und wenn die Sicht sich verschlechtert. „Man merkt zum Beispiel selbst nicht, wenn der Austausch des Tränenfilms unter der Kontaktlinse nicht ausreicht.“ Das gefährdet jedoch die Sauerstoffversorgung der Hornhaut. „Der Körper hilft sich selbst, indem er kleine Adern in die normalerweise blutgefäßfreie Hornhaut einsprießen lässt, um über sie Sauerstoff heranzuführen.“ Das Aderngeflecht, das der Augenarzt dann sieht und das auf der gesunden Hornhaut nicht vorkommt, ist mithin als „Hilfeschrei“ des Auges zu verstehen. Es kann sich nicht zurückbilden, allenfalls kann es wieder blutleer werden, wenn man für eine Weile auf weiche Linsen verzichtet und zu Brille oder harten Linsen seine Zuflucht nimmt. Der Augenarzt sieht dann bei der Untersuchung „Geistergefäße“. Ein gutes Zeichen.

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