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Gesundheit: Krebsvorsorge am Computer

Von Adelheid Müller-Lissner Dickdarmkrebs ist häufig und gefährlich: Jedes Jahr sterben daran allein in Deutschland etwa 30 000 Menschen. Diese hohe Rate ließe sich vermeiden, denn dieser Krebs kann entdeckt und bekämpft werden.

Von Adelheid Müller-Lissner

Dickdarmkrebs ist häufig und gefährlich: Jedes Jahr sterben daran allein in Deutschland etwa 30 000 Menschen. Diese hohe Rate ließe sich vermeiden, denn dieser Krebs kann entdeckt und bekämpft werden.

Vorausgesetzt, er wird entdeckt, solange der Tumor noch ganz klein ist. Streng genommen sogar, bevor er entsteht: Denn in den meisten Fällen entwickelt sich ein Tumor im Darm aus einem gutartigen und langsam wachsenden Polypen, der entfernt werden könnte - wenn man ihn nur rechtzeitig entdeckt.

Neben dem Test auf verborgenes Blut im Stuhl ist die Darmspiegelung das wichtigste Mittel der Früherkennung. Doch die Untersuchung mit dem biegsamen Rohr hat einen Haken, den der Münchner Internist Heinrich Füeßl folgendermaßen auf den Punkt bringt: „In der Bevölkerung wird die Koloskopie – zu Unrecht – immer noch als äußerst unangenehme Untersuchung angesehen. Offensichtlich sitzt dieses Vorurteil tief und ist nur schwer abzubauen.“ Wenn es eine völlig schmerzfreie, schnelle Methode des Darm-Checks gäbe, wäre die Bereitschaft zur Früherkennung wahrscheinlich deutlich größer.

Geringe Strahlenbelastung

Ist das Mehrschicht-Computer-Tomogramm (CT), das die Radiologen inzwischen immer mehr verfeinern, eine solche Alternative? Die Bezeichnung „virtuelle Koloskopie“ verdeutlicht den großen Pluspunkt, den das radiologische Verfahren bietet: Ohne Einführung eines Endoskops kann ein dreidimensionales Bild der Schleimhautoberfläche im Rechner gewonnen und auf dem Bildschirm des Radiologen präsentiert werden. Die Strahlenbelastung ist dabei gering.

Eine Darmspiegelung ist dagegen aufwendiger. Zunächst muss der Darm gründlich gereinigt werden. Dann wird ein biegsames Rohr in den Darm eingeführt. In das Endoskop ist eine Videokamera integriert. Auf dem Monitor lassen sich Veränderungen der Schleimhaut erkennen. Die gesamte Untersuchung dauert zehn Minuten bis eine halbe Stunde.

Ein wenig schmerzhaft kann das Verfahren sein, etwa beim Hinaufführen des Untersuchungsrohrs in den Darm. Verengungen machen zudem bei einer kleinen Gruppe von Patienten das Durchkommen schwierig. Wie die Untersuchung empfunden wird, ist individuell sehr verschieden.

Mit einer Mischung von Schmerz- und Beruhigungsmitteln, die entweder schon vor der Untersuchung oder auch erst bei Bedarf gegeben werden, ist dieser Schmerz aber gut zu beherrschen. Allerdings müssen Patienten, die Beruhigungsmittel bekommen haben, nach der Untersuchung noch kurz in der Praxis oder Klinik bleiben und dürfen sich auch nicht gleich wieder ans Steuer ihres Autos setzen.

In der „Münchner Medizinischen Wochenschrift“ stritten kürzlich der Radiologe Georg Rust vom Münchner Klinikum Großhadern und der Magen-Darm-Spezialist Gerd Lux aus Solingen über das Für und Wider beider Methoden.

Nachteilig bei der Computertomographie ist, dass kleine Veränderungen der Schleimhaut unter fünf Millimeter Durchmesser und flache Läsionen, über deren Bedeutung die Experten noch nicht ganz einig sind, oft unentdeckt bleiben.

Wenn Veränderungen aufgespürt werden, muss der Patient zudem noch zur herkömmlichen Koloskopie. Dabei werden dann Polypen entfernt oder Gewebeproben entnommen. „Im Zweifelsfall wird nach der virtuellen Koloskopie immer eine Nachuntersuchung nötig sein“, sagt Walter Londong, Internist am Berliner Urban-Krankenhaus und Vorsitzender der Berlin-Brandenburgischen Gesellschaft der Magen-Darm-Spezialisten.

Dass Diagnostik und Therapie gewissermaßen „in einem Aufwasch" erledigt werden können, wird also der große Pluspunkt der klassischen Methode bleiben. Weil die operativen Eingriffe nicht in jeder Praxis vorgenommen werden, sollte man sich vor der Untersuchung vergewissern, wie der Ablauf im Fall der Fälle aussehen würde. Viele niedergelassene Ärzte, die selbst keine Polypen entfernen, schicken ihre Patienten sofort in ein Krankenhaus weiter und ersparen es ihnen damit, die Prozedur der Vorbereitung noch einmal zu durchlaufen.

Luft im Darm

Die gründliche vorbereitende Darmreinigung, für die meist größere Mengen einer speziellen Spüllösung getrunken werden müssen, ist für viele Patienten der unangenehmste Teil der gesamten Untersuchung.

Die Reinigung muss auch vor der virtuellen Koloskopie vorgenommen werden Zudem muss der Darm des Patienten ganz prall sein, damit er auf dem Bildschirm besser sichtbar wird. Deshalb wird Luft oder Kohlendioxid in das Verdauungsorgan gepumpt. Auch das kann unangenehm sein.

Verschiedene wissenschaftliche Studien, die sich in den letzten Jahren der Frage widmeten, welche Methode als angenehmer empfunden wird, ergaben denn auch keine eindeutige Präferenz der Teilnehmer.

Der Internist Lux ist nicht davon überzeugt, dass alle Patienten die Tomographie des Darmes angenehmer empfinden. Der Radiologe Rust glaubt, dass die virtuelle Technik zu einer größeren Beteiligung an Vorsorgeuntersuchungen führen kann. Mehr Engagement bei der Früherkennung ist auch ausgesprochen erwünscht. Da das Risiko für Darmkrebs mit dem Lebensalter zunimmt, spricht sich die einschlägige Organisation der Fachärzte, die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, für den Einsatz der Darmspiegelung als routinemäßige Früherkennungsuntersuchung ab dem 50. Lebensjahr aus.

Im Unterschied zum Abstrich beim Frauenarzt oder der Mammographie der weiblichen Brust reichen dabei nach Expertenmeinung Abstände von zehn Jahren. Inzwischen gibt es einige medienwirksame Initiativen zur Einführung der Koloskopie, und auch die Krankenkassen prüfen deren Einsatz ernsthaft. Der breite Einsatz der virtuellen Methode in der Früherkennung ist dagegen in der realen Welt noch Zukunftsmusik.

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