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Gesundheit: Kritik ohne Konsequenz

Nationale Bildungsberichte: Der Bund darf analysieren, aber keine Hausaufgaben stellen

Seit der Föderalismusreform kann der Bund auf die Schulpolitik der Länder nur noch indirekt einwirken: durch eine gemeinsame Bildungsforschung, die Beteiligung an internationalen Bildungsstudien wie Pisa und Timss – und durch nationale Bildungsberichte. Aber politische Schlussfolgerungen aus diesen Analysen zu ziehen, ist dem Bund verwehrt. Das ist Aufgabe der Länder.

Dennoch hat sich der Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung dazu durchgerungen, eine öffentliche Expertenanhörung zu dem im Sommer 2006 vorgelegten Bildungsbericht zu organisieren. Die zentrale Frage für die Abgeordneten der SPD-Fraktion und der Grünen: Wie nehmen die Länder ihre alleinige Verantwortung wahr? Die Antwort ist ernüchternd. Von keinem der 16 Bundesländer ist bekannt, dass in den Landtagen der Bildungsbericht erörtert worden ist. Der bayerische Ministerialdirigent Josef Erhard, der im Münchener Kultusministerium die Rolle eines Staatssekretärs wahrnimmt, konnte lediglich berichten, dass das Kultusministerium in bayernweiten Schulkonferenzen über den Bildungsbericht informiert habe.

Die Bildungsstaatssekretäre aus den Ländern machten deutlich, dass sie von den Wissenschaftlern nur aufbereitete Daten und Analysen bekommen wollen, aber keine Handlungsempfehlungen und politische Wertungen. Offenbar steht allen Beteiligten der Misserfolg des Deutschen Bildungsrates vor Augen, dessen politische Empfehlungen auf ein so kontroverses Echo in den Ministerien gestoßen waren, dass sie weitgehend folgenlos blieben. Jedenfalls bekannten sich die Mitarbeiter am Bildungsbericht, die Erziehungswissenschaftler Martin Baethge (Göttingen) und Eckhart Klieme (Frankfurt am Main) zu dieser politischen Zurückhaltung. Auf der anderen Seite warnte Marianne Demmer vom Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vor Bildungsberichten, die niemandem wehtun und mit denen daher die Politiker machen könnten, was sie wollten.

Einig waren sich die Experten und Politiker, dass die bisherige Datenbasis noch nicht ausreiche, um langfristige Bildungserfolge oder das Scheitern in den Bildungsbiografien abbilden zu können. Dazu brauchten sie eigentlich den „gläsernen Schüler“, dessen Durchleuchtung jedoch Datenschützer für unzulässig halten.

Sehr grundsätzlich formulierte die Grundschulpädagogin von der Humboldt-Universität, Renate Valtin, ihre Kritik: Ein Bildungsbericht müsse darüber Auskunft geben, ob Bildungsziele erreicht würden oder nicht. Da der Bildungsbegriff vorab nicht geklärt worden sei, habe er auch keine Auswirkung auf die Indikatoren gehabt, nach denen der Bericht angelegt worden sei.

Immerhin kann die Bundesregierung für sich in Anspruch nehmen, dass sie mit oder ohne Bildungsbericht eine Reihe von Maßnahmen mit Milliardensummen angestoßen hat: die Förderung von Migranten in der beruflichen Bildung, die besondere Förderung von Ausbildungsstellen im Osten, den Ausbau der frühkindlichen Betreuung zur Bildungseinrichtung, den Ausbau von Ganztagsschulen und den Hochschulpakt. Der nächste Bildungsbericht soll im Jahr 2008 das Schwerpunktthema „Übergänge Schule-Berufsbildung-Hochschulbildung-Arbeitsmarkt“ haben.

Uwe Schlicht

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