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Gesundheit: Kröten schlucken

Berlins Hochschulen erhalten finanzielle Sicherheit – doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

„Das ist so dunkel formuliert, das kann man nicht unterschreiben“, sagt Dieter Lenzen. Die neuen Hochschulverträge, die der Senat am Dienstag verabschiedet hat, irritieren den Präsidenten der Freien Universität. Will Berlin seine Hochschulen etwa entmündigen? „Rechtsgeschäfte, die den Landeshaushalt Berlins berühren, bedürfen der vorherigen Zustimmung der für Hochschulen und Finanzen zuständigen Finanzverwaltungen“, steht dort; ein Zusatz zum ursprünglichen Vertragstext, der den Unis Rätsel aufgibt. Die Verträge sollen die Grundlage ihrer Autonomie darstellen. Wenn aber der Senat sämtlichen „Rechtsgeschäften“ zustimmen muss, ist die Autonomie am Ende, sagt Lenzen.

Ob sich die Bedenken der Hochschulen schnell ausräumen lassen werden? Noch vor der Sommerpause sollen Berlins Hochschulen wissen, auf welcher Grundlage sie in den nächsten Jahren forschen und lehren. Wissenschaftssenator Thomas Flierl rechnet damit, dass das Abgeordnetenhaus seine Entscheidung über die Verträge in den nächsten Wochen trifft. Die finanziellen Bedingungen für die Zeit zwischen 2006 und 2009 stehen im Wesentlichen schon seit dem vergangenen Jahr fest: Damals einigten sich die Unis mit der Politik nach wochenlangen heftigen Protesten von Studierenden und Wissenschaftlern auf eine Sparsumme von 75 Millionen Euro bis zum Jahr 2009. Das bedeutet, dass etwa 230 Professuren abgebaut und etliche Studiengänge eingestellt werden müssen.

Nun geht es um die Verpflichtungen des Landes und der Hochschulen im Einzelnen. So wird der Anteil der nach Leistung unter den Unis verteilten Mittel von 15 auf 30 Prozent angehoben. Auch weiterhin werden die Unis Geld zur Stärkung der Fachhochschulen abgeben (ab 2006 jährlich 1,7 Millionen Euro). Bis Ende 2009 sollen die Hochschulen ihre Studiengänge auf die neuen Abschlüsse Bachelor und Master umgestellt haben. Und die Unis werden aufgefordert, ihre überlangen Studienzeiten dem bundesweiten Durchschnitt anzupassen sowie den Anteil von Fachhochschulabsolventen an ihren Promovenden zu erhöhen.

Wissenschaftssenator Thomas Flierl zeigte sich zufrieden darüber, dass die Verträge, anders als der Finanzsenator gefordert habe, ohne einen Haushaltsvorbehalt vom Senat beschlossen wurden. Das sei angesichts des Berliner Schuldenbergs von 60 Milliarden Euro „ein Erfolg für meine Wissenschaftspolitik und für die Hochschulen in Berlin“. Die Unis befürchten jedoch, dass sie dafür noch einige Kröten schlucken müssen. Die Parlamentarier könnten darauf bestehen, Sanktionen in den Verträgen für den Fall festzuschreiben, dass die Hochschulen die in den Verträgen geforderten Leistungen nicht erbringen.

Außerdem könnten die Abgeordneten die Freie Universität und die Humboldt- Universität dazu zwingen, ein gemeinsames Lehrerbildungszentrum zu errichten. Bislang sehen die Verträge vor, dass sie eine gemeinsame „School of Education“ erst dann bilden müssen, wenn es ihnen nicht gelingt, mit ihrem je eigenen, neu zu gründenden Lehrerbildungszentrum die Ausbildung der Pädagogen zu verbessern.

Ebenfalls als Anschlag auf ihre Autonomie werten die Hochschulen den Druck beim Immobilien-Management, der von Finanzsenator Thilo Sarrazin ausgeht. Um die Gebäude der Hochschulen effizienter zu bewirtschaften, sollen sie durch eine hochschulübergreifende Einrichtung gemanagt werden, nicht anders als es bereits bei den Gebäuden Berlins durch das landeseigene Immobilienmanagement (BIM) geschieht. Wissenschaftssenator Flierl betont allerdings, dass das Gebäudemanagement in der Trägerschaft der Hochschulen liegen soll. Eine Arbeitsgruppe soll die Möglichkeiten dazu überprüfen. Der Finanzsenator hat seine Mitsprache im Senat durchgesetzt, ebenso wie einen strafferen Zeitplan. Nicht erst im Dezember 2006, sondern schon im März soll die Gruppe Ergebnisse präsentieren. Flierl rechnet nicht damit, dass die Abgeordneten diese Gangart noch zusätzlich verschärfen werden.

Sarrazin verschaffte sich in einem weiteren Punkt Geltung. Sollten die Richter für die von Studierenden bis 2004 gezahlten Rückmelde- und Immatrikulationsgebühren keine gesetzliche Grundlage erkennen, nehmen die Hochschulverträge die Hochschulen für eventuelle Rückzahlungen von 80 bis 90 Millionen Euro in die Pflicht. In den ursprünglichen Verträgen wurde dieses Risiko an das Land Berlin verwiesen – auch die noch geltenden Verträge sehen das Risiko beim Land. So bleibt offen, ob die Hochschulen von einer entsprechenden Gerichtsentscheidung tatsächlich bedroht wären. Sarrazin verhinderte schließlich auch, dass das Professorenerneuerungsprogramm fortgeschrieben wird, mit dem die Ausstattung von künftig zu besetzenden Professuren mit 25 Millionen Euro finanziert werden sollte. Auch das ist eine Enttäuschung für die Universitäten.

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