zum Hauptinhalt

Gesundheit: Kutzlers Traum

Von Uwe Schlicht Träume können eine rosige Zukunft vorgaukeln. Das Erwachen ist dann um so ernüchternder.

Von Uwe Schlicht

Träume können eine rosige Zukunft vorgaukeln. Das Erwachen ist dann um so ernüchternder. Der neue Präsident der Technischen Universität, der Mathematiker Kurt Kutzler, träumt von einer Universität, die leider nicht in Berlin, sondern in München angesiedelt ist, wo sich die Regierung und die blühenden Unternehmen für die Hochschulen engagieren, wo das Geld für die Wissenschaft sowohl aus den Erlösen fließt, die die Industrie erwirtschaftet hat, als auch aus dem Verkauf von Staatseigentum.

In seiner Wahlrede vor dem Konzil sprach Kurt Kutzler noch davon, dass die Berliner mit einer erfolgreichen Berufungspolitik wieder die erste Position in Deutschland einnehmen wollen. Aber schon wenige Wochen später führte er dieses Ziel auf den Boden der Tatsachen zurück. Vor der Gesellschaft der Freunde der TU Berlin sagte er jetzt, dass sich die Berliner TU „langfristig wieder zur besten Technischen Universität in Deutschland entwickeln möchte, sofern man ihr nur geeignete Rahmenbedingungen lässt". Und diese Bedingungen charakterisierte er so, dass die Kenner der Berliner Stadtpolitik nur erschrecken können.

Eine große Sorge treibt den neuen Präsidenten um, dass die Chancen, die die Technische Universität besitzt, durch die Berliner Politik zerstört werden. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Technische Universität mit der Freien Universität zu den Hochschulen gehörte, die bei der ersten großen Sparwelle zwischen 1992 und 2002 besonders zur Kasse gebeten worden waren: Von einst 4550 Stellen hat sie in dieser Zeit 1100 aufgeben müssen, darunter sind fast 200 Professuren. Obwohl die TU inzwischen durch die Hochschulverträge einen garantierten Staatszuschuss bis zum Jahre 2005 erhält, kommt sie mit dem Geld nicht aus und rechnet bereits jetzt mit einer Deckungslücke von 18 Millionen Euro.

Deswegen wird sie bereits in diesem Jahr weitere 400 Stellen streichen, darunter sind 50 Professuren. Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Finanzsenator Thilo Sarrazin hat angekündigt, dass auch die Hochschulen wie andere Bereiche des Landes in den nächsten Jahren 20 Prozent ihres Haushalts einsparen müssen. Wenn die TU vom Jahre 2006 an 20 Prozent weniger Staatszuschuss erhält, muss sie weitere 56 Millionen Euro einsparen, was dem Abbau von 1120 Stellen entspricht. Mit anderen Worten: Die Technische Universität würde von 4450 Stellen, die sie einst besessen hat, auf unter 2000 Stellen heruntergewirtschaftet.

Diese Katastrophennachricht trifft die Technische Universität in einer Zeit, in der sie in einem beispiellosen Generationswechsel die Hälfte ihres Professorenbestandes erneuern muss. Jedoch kann sie angesichts der großen Konkurrenz um die besten Nachwuchswissenschaftler in Deutschland nur mithalten, wenn sie auch das notwendige Geld für die Ausstattung der neuen Professuren erhält. Noch kommen die Techniker und Naturwissenschaftler gern nach Berlin. Die TU hat eine hervorragende Berufungsbilanz: Über 60 Neuberufene konnte sie gewinnen, nur sechs haben den Ruf nach Berlin abgelehnt. Und das in einer Zeit, da die TU von ihren neuen Wissenschaftlern mehr verlangt als von ihren etablierten Professoren: Die Neuen bekommen ihre Erstausstattung für die Forschung nur, wenn sie verbindlich zusagen, durch ihre Forschung auch in erheblichem Maße Drittmittel bei der Industrie und Stiftungen einzuwerben. Außerdem müssen die Neuen messbare Erfolge in der Lehre nachweisen und sich in der Studienreform engagieren.

Harte Konkurrenz

Im Jahre 2001 war die Technische Universität bei der Einwerbung von Drittmitteln erfolgreicher als in den vorangegangenen Jahren. Mit 65 Millionen Euro überschritt sie erstmals die 130-Millionen-Mark-Grenze. Bei den Großvorhaben ist die TU jetzt Sprecher für acht Sonderforschungsbereiche. Außerdem hat sie in harter Konkurrenz mit anderen Hochschulen den Supersonderforschungsbereich „Mathematik als Schlüsseltechnologie" nach Berlin geholt. Die TU hat zurzeit über 30 000 Studierende. Darunter sind 5700 Ausländer, das entspricht einer Ausländerquote von 18 Prozent.

Besonders in der Lehre und der Studienreform wird die Technische Universität mit ihrem neuen Präsidententeam unter der Führung von Kutzler andere Akzente setzen als in den Amtszeiten der Vorgängerpräsidenten. Seit Jahren werden in den Rankings von Stern, Spiegel und Focus besonders aber vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) der TU erhebliche Defizite in Studium und Lehre vorgehalten. Bisher ohne sichtbare Konsequenzen. Jetzt kündigte Kurt Kutzler bei seiner Wahlrede vor dem Konzil an: „Es muss ein Ende sein mit dem Darunter-weg-Tauchen und Ignorieren von Fakten. Unsere Bilanzen hinsichtlich der Studienzeiten und der Studienabbrecherquoten sind schlecht. Es besteht dringender Handlungsbedarf."

Unter Kurt Kutzler wird auch Schluss sein mit der zögernden Haltung der Technischen Universität gegenüber den neuen Studiengängen mit dem Bachelor- und Masterabschluss. Vor der Gesellschaft der Freunde gab Kutzler dafür auch zwei Gründe an: Andere technische Universitäten in Deutschland wie Aachen seien in ihren Bemühungen um die Internationalisierung viel weiter als die Berliner TU. Außerdem habe er bei seinen Auslandsreisen nach Japan, Afrika und Brasilien immer zu hören bekommen, dass die jungen hochqualifizierten Studenten aus den Schwellenländern deswegen zögerten, in Deutschland zu studieren, weil sie meinen, mit dem deutschen Diplom in ihren Ländern nicht mehr konkurrenzfähig zu sein.

Die TU möchte daher die neuen Studiengänge mit dem Bachelor und Master dazu nutzen, um aus dem Ausland vor allem jene begabten Nachwuchswissenschaftler zu gewinnen, die nach einem herausragenden Bachelorabschluss jetzt in einem führenden Industrieland den Master erwerben wollen. Und den deutschen Studenten sollen die neuen Studiengänge die Chance bieten, die Studienzeiten zu verkürzen und die hohen Abbrecherquoten zu senken. Vor allem sollen die neuen Studiengänge attraktive Kombinationen ermöglichen, wie zum Beispiel nach dem Studium der Ingenieur- oder Naturwissenschaften noch eine Ausbildung in Betriebswirtschaft anzuschließen.

Kutzlers Traum bekommt mit diesem Programm sehr viel Bodenhaftung. Alles hängt jetzt davon ab, dass die Berliner Politiker der Technischen Universität kein böses Erwachen bescheren.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false