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Gesundheit: Laßt den rosaroten Panther laufen!

Leicht kann es passieren, daß die Zunge sich irrt.Dann erklingt "Animateur" statt "Animator".

Leicht kann es passieren, daß die Zunge sich irrt.Dann erklingt "Animateur" statt "Animator".Die klangliche Ähnlichkeit beruht allerdings keineswegs auf einer inhaltlichen.Das, was junge, gutgelaunte Menschen an einem südlichen Strand mit geistesabwesenden Urlaubern machen, hat nur sehr wenig mit der Kunst, Figuren auf die Leinwand zu zaubern, zu tun.

Animation - so nennt sich einer der zehn Studiengänge, die an der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam-Babelsberg angeboten werden.Darunter fallen Puppentrickfilm, Computeranimation und Zeichentrickfilm.Für die klassische Zeichenanimation à la "Mickey Mouse" oder "Der rosarote Panther" werden vor allem Stifte benötigt.Die Zeichnung steht im Mittelpunkt dieser Technik.Man macht sich dabei, wie beim Film überhaupt, die Trägheit des Auges zunutze.Um für den Betrachter den Eindruck einer fortlaufenden Bewegung zu erzeugen, reicht es schon aus, dem Auge etwa zwölf Einzelbilder pro Sekunde vorzuführen.Das gestattet dem Zeichner, einzelne Bilder eines Bewegungsablaufes auszuwählen; anstatt jeden Millimeter, den der gezeichnete Panther zurücklegen soll, im Einzelbild zu fixieren, kann der Animator einzelne Phasen überspringen.Das Gehirn ergänzt den "Raum" zwischen den gezeichneten Bewegungsphasen dann zu einer fließenden Bewegung, wie man am "Urtrickfilm" Daumenkino unschwer nachprüfen kann.

In diesem Studiengang, der nach acht Semestern mit dem Fachhochschul-Diplom abgeschlossen wird, lernt man neben Gestaltungstechniken, Charakter- und Dramaturgieentwicklung, neben Theorie und Geschichte des (Animations-)Films vor allem den Körper von Mensch und Tier kennen; theoretisch, wenn es um Proportionen, Statik und Bewegungsanalysen geht, praktisch beim Aktzeichnen und bei Bewegungsstudien von Tieren im Zoo.Die Natur muß man kennen, wenn die Kunst natürlich erscheinen soll.

Wer Animation studiert, rutscht nicht in einen reinen Vorlesungsbetrieb, sondern in eine Lehrform, die, so Ulrich Weinberg - Studiendekan und Professor für Computeranimation - eher "betreuungslastig" sei.40 Studenten teilen sich zwei Professoren und zehn Lehrbeauftragte.Eigentlich eine vergleichsweise günstige Situation.Daß dennoch einige das Handtuch werfen, liegt daran, daß die Animation "das langsamste Medium im Film" ist, wie Weinberg sagt.Für einen Langfilm beispielsweise müßten etwa 100 000 Einzelbilder entweder gemalt oder animiert, in jedem Falle aber konzipiert und kontrolliert werden.Dieser enorme Zeitaufwand, der leicht quälende Dimensionen annehmen kann, führt dazu, daß die Studenten höchstens ein Projekt im Jahr beenden.Die Dokumentarfilmer bringen etwa doppelt so viele Produktionen zustande.

Aber der Computer! Für gewöhnlich preist man ihn mit dem Argument, daß er die Arbeit vereinfache.Das trifft in der Animation nur bedingt zu.Vieles wird natürlich vereinfacht, so muß nicht jedes Hintergrundbild per Hand coloriert werden.Das Problem ist vielmehr, daß durch den Computer fast alles möglich wird."Fast alles, was sich denken läßt, läßt sich gestalten", sagt Peter Barczewski, künstlerischer Mitarbeiter im Bereich Animation und Computergrafik.Man kann sich leicht ausdenken, wie man in diesem Raum der quasi unbegrenzten Möglichkeiten arbeitet - in permanenter Entscheidungsnot.

Lassen wir beispielsweise mal einen Hund computeranimiert laufen.Nach der Zeichnung formt man ein (Gips-)Modell, das man mit einem Gitterraster bedeckt, vergleichbar den Längen- und Breitengraden auf dem Globus.Mit einem 3-D-Scanner berührt man nun die sämtlichen Schnittpunkte, die dadurch in den Computer übertragen werden.Auf dem Bildschirm erscheint ein perspektivisch ausgerechnetes Gebilde des Modells, eine in Linien verwandelte "Kopie"; der Hund als Rohbau, wenn man so will.In einem nächsten Schritt werden die Linien zu Flächen und Körpern "aufgefüllt".Wir sehen einen plastisch wirkenden, aber starren Hund.Aber er soll doch springen!

Darum sind jetzt Bewegungsstudien an der Reihe.Entweder zieht man ein Handbuch mit Einzelbildaufnahmen von laufenden Lebewesen heran oder man greift ins hauseigene Videoarchiv.Natürlich ist auch ein Video eines Hundes dabei.Man wählt aus der Sequenz die wichtigsten Standbilder aus und skizziert die entscheidenden Merkmale der Körperhaltung.Diese "Schlüsselphasen" werden nun auf das Hundegerüst überschrieben und gespeichert.Der Computer errechnet nun seinerseits die Zwischenphasen oder läßt sich vom Bearbeiter korrigieren, bis die gewünschte Bewegung hergestellt ist.Jetzt, wenn der Rechner die äußere Hülle und Bewegungsart "kennt", kann der Animator die Szene, die er bislang nur in seiner Phantasie sah, in Bewegung bringen.In den letzten Schritten läßt sich das Hunde-Gerüst mit der gewünschten Außenhaut überziehen, zum Beispiel einem rosaroten Fell.

Der digitale Umbruch bietet nicht nur Chancen, er provoziert auch Ängste.Peter Barczewski kann dies gut verstehen.Er, der Malerei und Grafik studiert hat, erinnert sich an die Zeit Anfang der 90er, als "in der Grafik durch den digitalen Umbruch eine ähnliche Entwicklung zu beobachten war".Heute wie damals sei die Angst zu spüren, daß das Alte durch das Neue verdrängt werde.Daher müsse man "Schwellenangst abbauen" und dürfe nicht vergessen: "Wir sind Zeitzeugen der technischen Entwicklung und Pioniere zugleich; es liegt an uns, was wir daraus machen, ob wir uns versperren oder versuchen, das Neue zu integrieren und kreativ anzunehmen."

Die digitale Ausstattung der Babelsberger wird derzeit auf den neuesten Stand gebracht.Allein 1998 wurde Hard- und Software im Wert von etwa zwei Millionen Mark installiert.Die Animations-Studenten müssen schließlich mit der neuesten Technik vertraut sein, bestehen doch, laut Weinberg, gerade im Bereich der digitalen Film-Bildbearbeitung sehr gute Berufschancen.Trotz High-Tech - der Babelsberger Studiengang ist und bleibt "traditionell orientiert".Entscheidend, sowohl für die Aufnahmeprüfung wie für den Erfolg, ist allein der kreative, künstlerische Ansatz."Man muß filmisch denken können", sagt Weinberg, "als technikverliebter Computerfreak hat man kaum Chancen."

TOM HEITHOFF

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