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Gesundheit: Lehrer in die Wirtschaft

Von George Turner, Wissenschaftssenator a.D.

Die Ausbildung der deutschen Lehrer ist mangelhaft. Das weiß man spätestens seit der PisaStudie. Zuletzt legte die OECD in ihrer internationalen Lehrer-Untersuchung den Finger in die Wunde. In der Tat ist das Studium oft nicht nah genug an der pädagogischen Praxis. Viel schlimmer aber ist, dass es nicht lebensnah genug ist und die Studierenden sich in einem geschlossenen System befinden: Sie wechseln von der Schule in die Universität und von dort wieder in die Schule. Etwas anderes als Bildungseinrichtungen haben die meisten Lehrer nie kennen gelernt.

Dies wird sich auch nicht wirklich ändern, wenn, wie Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft fordern, Praktika in Betrieben für Lehrer zur Selbstverständlichkeit werden. Und auch der neue Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelskammertages kann die Misere nicht beseitigen. Denn zwar ist an eine enge Verzahnung von Ausbildung und Praxis gedacht – allerdings nur mit der Schule. Die Ferne zum Leben „draußen“ bis hin zur Wirtschaftsfeindlichkeit wird damit nicht überwunden. Wenn man hier etwas ändern will, bedarf es einer Radikalkur. Lehrer dürfen sich nicht nur in einer Einbahnstraße bewegen.

Das Problem liegt darin, dass Lehrer nur als Lehrer ausgebildet werden und damit grundsätzlich auf ein Berufsleben in der Schule angewiesen sind. Dies lässt sich nur verhindern, wenn der Zusammenhang von Ausbildung und einseitigem Einsatz aufgelöst wird.

Für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst sollten alle Kandidaten in Betracht kommen, die Fächer studiert haben, für die Bewerber gesucht werden. Das bedeutet ein klares Plädoyer für Quereinsteiger. Allerdings müssten sie vor allem die Qualifikation zur Erziehungsverantwortung, wie der DIHK es fordert, nachweisen oder nachholen. Dass sie womöglich nicht Pädagogik belegt haben, kann ernsthaft nicht gelten. Warum soll das nicht während der praktischen Phase gelernt werden? Sollte es den Bewerbern dann doch an Eignung fehlen, bleibt als Basis für den Beruf außerhalb der Schule das studierte Fach.

Der Vorteil einer Neuerung für die Studierenden läge darin, dass sie sich nicht bereits vor Beginn des Studiums auf einen zukünftigen Beruf festlegen müssen. Für die Schüler hätte es den Vorteil, dass unter den Lehrern auch solche wären, die betriebliche Erfahrungen haben. Auch für den Staat ergäbe sich ein Vorteil: Er wäre nicht in Zugzwang, wenn es zu viele ausgebildete Pädagogen und zu wenig freie Stellen gibt.

Vorschläge solcher Art führen regelmäßig zu einem Aufschrei der Funktionäre von GEW und Philologenverband. Solche Reaktionen und die Rücksichtnahme der Politiker darauf haben bisher alle Reformen blockiert. Deshalb beklagen wir das fortdauernde Dilemma.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail schreiben: g.turner@tagesspiegel.de

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