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Gesundheit: Lehrerausbildung: "Ein Schlag ins Gesicht"

Die jungen Lehrer sind zu alt, wenn sie endlich mit 30 Jahren in ihrem Beruf beginnen. Und die alten Lehrer sind zu früh ausgebrannt, sehnen den Vorruhestand herbei.

Die jungen Lehrer sind zu alt, wenn sie endlich mit 30 Jahren in ihrem Beruf beginnen. Und die alten Lehrer sind zu früh ausgebrannt, sehnen den Vorruhestand herbei. Der Beruf des Lehrers ist anstrengend und bringt wenig Ehre ein. Immer soll die Schule versagt haben, wenn Kinder die Wände mit Graffiti beschmieren oder vereinzelte Jugendliche Amok laufen. Wenn ein Beruf so unpopulär ist, gibt es die begründete Furcht, dass sich für den Lehrer heute vor allem solche interesieren, die sich den Erfolg in der freien Wirtschaft nicht zutrauen.

Dabei ist der Beruf so anspruchsvoll, dass in das Studium und Referendariat immer mehr hineingepackt wird. Das ist so seit Jahrzehnten. Seit 1998 wird wenigstens intensiv darüber diskutiert, endlich zu einer Reform der Lehrerbildung zu kommen. Jetzt geht das Jahr 2001 dem Ende entgegen - viel geschehen außer einem Haufen beschriebenen Papiers ist bisher nicht.

Radikale Folgen

Zum Ende des Jahres wird ein Vorschlag des Wissenschaftsrats erwartet, der am radikalsten mit der bisherigen Lehrerausbildung brechen will. Einiges von den Plänen des Wissenschaftsrats wurde auf einem Seminar zur Reform der Lehrerbildung in der Freien Universität bekannt. Danach soll die für so gut wie alle Studiengänge vorgesehene Unterteilung in eine drei Jahre dauernde Bachelorausbildung und ein zwei Jahre anschließendes Masterstudium auch das Muster für die Lehrerbildung abgeben. Das hätte radikale Folgen, denn der Bachelor soll in den ersten drei Jahren allein dem Fachstudium wie Englisch, Deutsch oder Mathematik vorbehalten bleiben. Danach würde sich das Masterstudium anschließen mit Erziehungswissenschaft und der Fachdidaktik. Die eigentliche Vorbereitung auf den Lehrerberuf bliebe dem Masterstudium vorbehalten.

Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaften ist gegen eine solche Trennung von Fachstudium und Erziehungswissenschaften, wie ihre derzeitige Vorsitzende Ingrid Gogolin in der FU andeutete. Den Vorschlag des Wissenschaftsrats empfinden viele Fachleute als Schlag ins Gesicht. Sie legen Wert darauf, dass von Anfang an die Ausbildung für die Schulfächer mit der Didaktik, den Erziehungswissenschaften und der Psychologie verbunden wird. Ganz im Gegensatz dazu steht die Praxis: Bei Einsparungen an den Universitäten wird mit Vorliebe bei der Didaktik zugeschlagen. Entsprechende Defizite in der Forschung über eine altersgemäße Aufbereitung des Unterrichtsstoffes sind zu beklagen.

Nordrhein-Westfalen, das den Vorreiter bei der Einführung der Bachelor-Master-Reform in der Lehrerbildung spielt, wird mit erheblichem Widerstand in der Kultusministerkonferenz konfrontiert. Die Reformer um die sozialdemokratische Ministerin Gabriele Behler stehen außerdem mit handfesten Problemen gegenüber. Nur an drei Hochschulen wird mit dem Bachelor-Master-Modell experimentiert. Zwei Fächer werden für das Lehrerstudium verlangt, und damit beginnen die Schwierigkeiten. Der Bachelor soll nach den Absprachen der Kultusminister einen berufsbefähigenden Abschluss bieten. Der Bachelor in Nordrhein-Westfalen bietet jedochkeinen berufsbefähigenden Abschluss, weil die Didaktik, die Erziehungswissenschaften und Psychologie fehlen, die erst im Masterstudium folgen sollen.

Kein Wunder, dass an den meisten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen - nämlich zehn - die grundständige Lehrerbildung erhalten bleibt. Nur ändert sich auch in dem grundständigen Studium einiges an der Organisation: Das grundständige Lehrerstudium wird in feste Einheiten, gegliedert, die mit Prüfungen abschließen. Die Module sind so angelegt, dass sie nur innerhalb von zwei Semestern zu schaffen sind. Damit ergibt sich folgender Zeitablauf: Nach dem Grundstudium können die Studenten die ersten Prüfungen in den Modulen frühestens im sechsten Semester ablegen. Eine Entlastung des Staatsexamens durch die studienbegleitenden Prüfungen ist beabsichtigt.

Die Kultusminister sind für eine behutsame Reform. Einer der besten Kenner der Szene in Deutschland ist der Hamburger Staatsrat Hermann Lange. Er hat an den Überlegungen der Kultusminister mitgewirkt. Auch Hermann Lange lehnt jede Verlängerung des Lehramtsstudiums ab. Die heute von den Kultusministern verlangten 160 Semesterwochenstunden hält er für eine zu starke Beanspruchung, die Studenten kaum einlösen könnten. Mehr ist nicht mehr drin.

Wie soll man das Dilemma lösen: Ständig steigen die Anforderungen an den Lehrerberuf. Aber wenn man den Lehrerberuf als eine lebenslange Fortbildung anlegt, lässt sich die Erstausbildung verkürzen. Das schwebt dem Hamburger Staatsrat vor: eine radikale Konzentration auf die Grundlagen.

Integration besser als Trennung

Lange geht mit der bisherigen Lehrerausbildung scharf ins Gericht, weil die Fachdidaktik nicht ausreichend entwickelt ist. Von daher fehlt es an entsprechender Forschung und auch an einer regelmäßigen Evaluation der Lehrerbildung. Wer so vehement für eine intensive Verbindung von Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften mit den Fachwissenschaften ist, wird zu einem Kritiker das Modells des Wissenschaftsrats.

Lange äußert auch vehemente Einwände gegen Überlegungen, die Ausbildung der Grundschullehrer auf den Bachelor zu begrenzen und an die Fachhochschulen zu verlangern. Das sei verfehlt, weil in den Grundschulen die Lern- und Wissensbasis für alle weiterführenden Schulen gelegt wird und hier unter den heutigen Bedingungen noch sehr viel geforscht werden muss. Die Grundschullehrerbildung an den Universitäten zu verankern, sei ein Fortschritt gewesen und dürfe jetzt nicht rückgängig gemacht werden - lautet sein Credo.

Was bleibt dann für die Reform? Die Veränderungen sollen gleichzeitig alle Teile der Lehrerausbildung erfassen: das Studium die Praktika, das auf eineinhalb Jahre verkürzte Referendariat, die Eingangsphase in den Lehrerberuf und die Berufstätigkeit. Im Mittelpunkt soll ein Kerncurrikulum für die Lehrer stehen, das sich auf die interkulturelle Erziehung, den Umgang mit den Computern und dem Internet und die Tatsache konzentriert, dass Kinder und Jugendliche aus Familien stammen, die immer heterogener geworden sind. Ausländer, Einzelkinder, Jugendliche aus sozialen Brennpunkten, vom Medienkonsum überforderte Kinder machen den Unterricht heute schwieriger als früher.

Bleibt die Frage, wie lange es noch mit der Reform dauert. Staatsrat Lange plädiert für einen längeren Diskussionsprozess. Nur wenn alle Beteiligten einbezogen werden,lasse sich der Widerstand gegen Veränderungen überwinden. Je radikaler das Konzept, um so geringer seien die Chancen auf Durchsetzung, lautet sein Rat. Berlins Schulsenator Klaus Böger setzt dagegen auf Beschleunigung. Ihm hat das Gerede schon zu lange gedauert. Er möchte mit der Reform der Lehrerbildung in den Jahren 2002/2003 beginnen. Da Nordrhein-Westfalen ohnehin kaum mehr zu bremsen sein wird, denkt Böger daran, sich an dortige Reformideen anzuhängen. Ihm schwebt vor, die Lehrerbildung auf fünf Jahre zu verkürzen, danach die Junglehrer erst einmal in einer betreuten Eingangsphase ihre Erfahrungen machen lassen und sie nach sechs Jahren für zwei oder drei Semester erneut an die Universitäten zur Weiterbildung zu schicken.

Uwe Schlicht

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