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Gesundheit: Lehrerbildung: Quereinsteiger: Neue Lehrer braucht das Land

Die Lehrer gelten als Prügelknaben der Nation. Zu alt, häufig ausgebrannt, im ständigen Kampf mit aufmüpfigen Schülern und kritischen Eltern zerrieben.

Die Lehrer gelten als Prügelknaben der Nation. Zu alt, häufig ausgebrannt, im ständigen Kampf mit aufmüpfigen Schülern und kritischen Eltern zerrieben. Von der Bürokratie ganz zu schweigen. So lauten die gängigen Urteile. Fachleute beunruhigt vorrangig etwas anderes: Werden die Lehrer eigentlich so ausgebildet, dass sie die wichtigen Themen der Gegenwart und Zukunft auch in die Schule tragen können? Müssen Lehrer immer nur die Schule und Hochschule kennen: zuerst als Schüler, dann als Studenten, um danach direkt von der Hochschule zurück in die Schule zu wechseln? Wie wäre es, wenn nicht nur in den Notzeiten des Lehrermangels Quereinsteiger aus den Naturwissenschaften, aus Handwerk und Kunst die Lust am Lehrerberuf entdecken? Auch Informatiker, Ingenieure, Naturwissenschaftler, Juristen und Manager könnten den Unterricht bereichern, weil die Schüler besser vermittelt bekämen, was in der realen Welt der Berufe auf sie zukommt. Das genau haben die Bündnisgrünen zu ihrem Thema gemacht.

Quereinsteiger sollten nicht zähneknirschend aufgenommen werden, sondern als Kenner anderer Berufe das Lehrerkollegium bereichern. Quereinsteiger sollen so stark werden, dass sie mindestens ein Drittel der Lehrerschaft in den Kollegien stellen. Mehr als ein vier Semester dauerndes erziehungswissenschaftliches Ergänzungsstudium wollen die Bündnisgrünen den Quereinsteigern nicht zumuten. Noch längere Zeiten würden vom Wechsel in die Schulen abschrecken.

Die Lehrerbildung ist reformbedürftig. Darüber sind sich alle einig. Eine Flut von Konzeptionen zu diesem Thema wurde veröffentlicht: Hochschulrektorenkonferenz, Kultusministerkonferenz, in den nächsten Wochen folgt der Wissenschaftsrat. Berlin und Hamburg legten Reformvorschläge vor. Ähnlich sind sich die bisher bekannten Vorschläge darin, dass an der Zweistufigkeit der Ausbildung festgehalten wird: erst das Hochschulstudium, dann das Referendariat. Wer noch mehr will, verlangt die Dreistufigkeit: nämlich eine an das Referendariat anschließende Berufseingangsphase, während der die Junglehrer im Austausch mit älteren Kollegen über den Praxisschock hinwegkommen sollen.

Schule als Lernwerkstatt

Lehrerbildung darf nicht nur in drei Phasen beendet werden - sie soll ein Leben lang dauern. Dazu muss sich die Schule selbst als Lernwerkstatt auch für Lehrer verstehen. Alle Ausbildungsteile sollen in Module, also in feste Einheiten gegliedert werden, die in einem Personalentwicklungsheft festgehalten werden. Wird die Lehrerbildung erst als lebenslange Aufgabe begriffen, dann kann die Erstausbildung kürzer werden: höchstens zehn Semester statt heute real 13 bis 14 Semester. Die Bündisgrünen schlagen vor, das Studium mindestens eines Faches mit einem Studium zu verbinden, das auf die wirklichen Herausforderungen des Lehrerberufs in einem Kerncurriculum vorbereitet. Die heutige Unverbindlichkeit der Pädagogik oder Erziehungswissenschaft müsse überwunden werden, sagt die ehemalige Berliner Schulsenatorin Sybille Volkholz, die für die Bündisgrünen die Empfehlung mit vorbereitet hat.

Das Studium soll nicht mehr mit einem Staatsexamen enden, sondern mit einer Hochschulprüfung, die Diplom oder Magister genannt werden könnte. Ob die Lehrer grundsätzlich zwei Fächer neben dem Kerncurriculum zu studieren haben, wie es die meisten Länder heute verlangen, möchten die Bündnisgrünen offen lassen. Sie wünschen sich nur, dass die Anerkennung der Lehramtsstudiengänge über die Ländergrenzen hinweg möglichst liberal gehandhabt wird und dass der Föderalismus verschiedene Wege und Modelle nicht nur erprobt, sondern auch überall akzeptiert.

Von der Einführung der neuen Studiengänge mit dem Bachelor- oder Masterabschluss in die Lehrerbildung halten die Bündnisgrünen wenig, weil der Bachelor nur das Studium eines Faches in sechs Semestern ermöglicht und danach erst im Masterstudium die eigentliche Weiterbildung zum Lehrer mit dem Kerncurriculum für den Schulunterricht angeboten werden könnte.

Was schwebt den Bündnisgrünen für das Kerncurriculum vor? Genannt werden Themen wie "Information, Wissen, Lehre und Lernen" oder "Neue Medien", "Umgang mit kultureller und sozialer Heterogenität" und "Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen." Das Lehrerstudium soll auch deshalb nicht im Staatsexamen enden, weil dann der Beruf nur auf den Lehrer als Beamten abgestellt würde. Für die Bündnisgrünen ist der beamtete Lehrer jedoch kein Zukunftsmodell mehr.

Auf keinen Fall möchten die Bündnisgrünen die Lehrerbildung an die Fachhochschulen verlagern. Das käme einer Abwertung gleich, weil sie die eigentliche Herausforderung in einer wissenschaftlichen Aufwertung der Unterrichtspraxis, der Didaktik, sehen. Nur müssten die Universitäten auch die Lehrerbildung künftig wirklich als Kernaufgabe akzeptieren und sie nicht so abwertend betrachten, wie das heute vielfach der Fall ist, meint Sybille Volkholz.

Uwe Schlicht

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