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Gesundheit: Lernen – mit Lust

Das Gehirn speichert vor allem emotionale Ereignisse. Mit diesem Prinzip steigern Gedächtniskünstler ihre Leistung. Hier ihre Tricks

Ein Zweibein saß auf einem Dreibein und aß ein Einbein. Da kam ein Vierbein und stahl dem Zweibein das Einbein. Daraufhin nahm das Zweibein das Dreibein und warf es nach dem Vierbein.

Kaum gelernt – schon vergessen? Warum das Gedächtnis viele Informationen, leider auch prüfungsrelevante, sofort in den Papierkorb verschiebt, illustrieren Gedächtnisforscher gerne anhand des oben zitierten Breis aus nichtssagenden Wörtern. Ordnet man den abstrakten Begriffen dagegen konkrete Bilder zu, entsteht eine sinnvolle Geschichte, die sich sofort nacherzählen ließe: „Ein Mensch (Zweibein) saß auf einem Hocker (Dreibein) und aß eine Hähnchenkeule (Einbein). Da kam ein Hund (Vierbein) und stahl dem Mensch die Keule. Daraufhin nahm der Mensch den Hocker und warf ihn nach dem Hund.“

Das Gehirn liebt es anschaulich und sinnlich. Das wissen Gedächtniskünstler, die das Fernsehpublikum etwa damit verblüffen, dass sie sich die Reihenfolge eines Satzes Spielkarten in einigen Sekunden merken können. Hier sind einige ihrer Tricks, die bei Prüfungen oder Referaten helfen können – oder auch nur beim Einkaufen und beim Merken der EC-Kartennummer.

Erotisch und blutig

Schon 500 vor Christus sollen die Griechen die Loci-Technik (lat. loci = Orte) benutzt haben. Lernpsychologen verweisen auf Experimente, in denen sich die Versuchspersonen auf Anhieb 50 Begriffe mit dieser Methode merken konnten. Sie ist die beste und leichteste Merktechnik und hilft bei einem freien Einführungsvortrag in einer mündlichen Prüfung oder bei einem Referat genau so wie bei Klausuren.

Dazu denkt man sich zunächst einen Weg, der einem wohl bekannt ist. Das kann die Fahrt zur Uni sein, ein Spaziergang durch die eigene Wohnung oder am eigenen Körper entlang. Nun sucht man sich in Gedanken auf diesem Weg so viele markante Punkte, wie man Begriffe lernen will, etwa in der Küche die Spüle, den Küchentisch, den Herd, respektive an einem Körper den Kopf, die Nase, den Hals usw. Diese Stationen sollen einigermaßen gleichmäßig auf dem Weg verteilt und so markant sein, dass sie einem beim geistigen Abgehen des Weges leicht einfallen.

Nun macht man sich von jedem zu lernenden Schlüsselwort ein inneres Bild. Es soll so beschaffen sein, dass das Gehirn darauf gut anspringt: schön bunt, mit interessanter Oberfläche und auch sonst möglichst emotional aufgeladen – zum Beispiel erotisch oder blutig. Da Studenten oder Schüler es häufig mit Abstrakta zu tun haben, müssen sie diese also mit einiger Phantasie in Konkreta übersetzen, um sie gehirngerecht aufzupeppen. Für „Freiheit“ könnte etwa die New Yorker Freiheitsstatue stehen, für „Relation“ ein mathematischer Bruch, der das Verhältnis angibt. Für die Erdzeitalter: „Archaikum“ – ein Bild von einem archaischem Krieger, „Proterozoikum“ – den Prototyp eines Zoos, „Kambrium“ – eine Kammer usw. Je verwegener die Phantasie und je auffälliger ihr Produkt, desto besser für das Gehirn. Die Objekte dürfen sich auch an ihrem Ort ein wenig bewegen, Geräusche machen oder Gerüche verbreiten.

Nun verbindet man diese Konkreta mit den markanten Punkten auf dem erdachten Weg – am besten so, dass beide sehr eng miteinander verbunden sind. Das hat das Gedächtnis am liebsten. Geht der Weg am Körper hinab, könnte der archaische Krieger auf dem Kopf platziert werden, der Prototyp des Zoos könnte aus der Nase hängen, die Kammer durch den Hals ragen. Geht man anschließend im Geiste den Weg ab, fallen einem schon beim ersten Anlauf die meisten Stationen mit ihren Bildern ein – der Stoff ist also fast gelernt.

Wurzel aus dem Schwan

Wie für abstrakte Begriffe lassen sich auch für Zahlen Bilder finden. So ähnelt die 1 einem Bleistift, die 2 einem Schwan, die 3 einem nackten Hinterteil, die 4 einer Gabel, die 5 einem Mann mit Bauch, die 6 einem Basketballkorb, die 7 einem Galgen, die 8 einer Sanduhr, die 9 einer Tabakspfeife, die 0 einem Ball. Ist etwa die Wurzel aus 2 zu lernen – 1,4142135 – verbindet man deren Zahlen wiederum mit den Orten: In den Haaren steckt ein Bleistift, aus der Stirn ragt eine Gabel, aus der Nase hängt ein Bleistift usw. Die Zahl lässt sich dann leicht beim geistigen Abgehen der Stationen rekonstruieren.

Erbsen merken

Auch Vokabeln lassen sich leichter behalten, findet man ein Bild zu ihnen. Zu lernen ist beispielsweise das Wort piselli = Erbsen. Zu diesem fremden Wort muss nun ein ähnlich klingender konkreter Begriff gefunden werden. Der Lernpsychologe Martin Schuster schlägt in seinem Buch „Für Prüfungen lernen“ für „piselli“ das Wort „pieseln“ vor. Im nächsten Schritt werden beide Begriffe in einem Bild verbunden. Schuster stellt sich ein „Männeken-Piss“ vor, dass Erbsen pieselt. So bleibt das Wort „piselli“ dem Gedächtnis auf immer in Erinnerung.

Kritiker geben zu bedenken, die vielen Bilder im Kopf könnten den Lerner verwirren. Bei Experimenten hat sich aber gezeigt, dass die Versuchspersonen die Vokabeln mit der Bildtechnik besser behielten als die Kontrollgruppe, die auf herkömmlichem Wege lernte. Hat sich die Vokabel richtig im Gedächtnis festgesetzt, verschwinden die Bilder schließlich auch wieder aus dem Hirn. So wird der Kopf des Lerners nicht von Bildern überflutet. Der Nachteil der Methode ist vor allem der, dass es mühselig und kaum möglich ist, sich für jede Vokabel ein Bild zu denken.

„Pack ma auf“

Eine Eselsbrücke für das Behalten kürzerer Listen sind Akronyme, aus Anfangsbuchstaben geformte Merkwörter. So sind zum Beispiel fünf Städte mit gotischen Kathedralen zu lernen: Mailand, Chartres, Köln, Freiburg, Ulm, Paris. Schuster kommt auf den bayrischen Ausspruch: „Pack ma auf“ (= Pa ris, Chartres, Köln, Ma iland/das a doppelt verwendet/ U lm, F reiburg).

Es war einmal ein Student

Zu lernende Begriffe lassen sich auch mittels einer Geschichte verbinden, damit später keiner vergessen wird. So etwa, wenn die Krankheitszeichen der Leberentzündung zu lernen sind: 1. Unlust, 2. Druck im Oberbauch, 3. Gelenkschmerzen, 4. Gelbfärbung, 5. Bierbrauner Harn 6. Blasse Kotfarbe, 7. Leberschwellung. Dabei ist es wichtig, in der Erzählung die Symptome nicht nur aufzuzählen, sondern eine echte Handlung zu erfinden. Schusters Idee: „Ein Student hat keine Lust zu lernen. Er geht daher braunes Bier trinken. Davon schwillt sein Bauch, bis er mal muss. Das Ergebnis ist vom vielen Wasser ganz blass. Um das zu ändern, bestellt er gelbe Limonade. Nun drückt aber die viele Flüssigkeit auf den Oberbauch, und er will nach Hause. Er ist aber so schwer geworden, dass beim Nachhauselaufen die Gelenke weh tun.“

Prost!

„Drei, drei, drei – Issus-Keilerei“: Der Nachteil dieses bekannten Merkreims liegt auf der Hand: Auch auf „sieben, drei, zwei“ ließe sich Issus-Keilerei reimen. Hier empfiehlt sich also besser eine der obigen Techniken. Aber Reime lassen sich auch zu Personennamen bilden: „Elke Bernhard – die man gern hat“. Oder sie helfen beim Vokabellernen, wie Schuster beschreibt: auf „ghost“ reimt er „Prost“. Im nächsten Schritt muss die Verbindung zwischen beiden Wörtern mit einem Bild hergestellt werden, etwa einem Geist mit einem Weinglas.

Auf einen Blick

Beim Mind-Mapping werden auf ein Blatt ausgehend vom Zentrum, dem Hauptthema, die dazugehörigen Schlüsselwörter in Verzweigungen sternenförmig aufgeschrieben – besser noch: als Bilder gemalt. Der Vorteil gegenüber dem Lernen von langen Wortlisten besteht darin, dass auf nur einem Blatt die wichtigen Punkte des Themas im Überblick zu sehen sind. Das gilt natürlich auch für jede andere grafische Darstellung eines Themas. Auch das hilft dem Gedächtnis.

Mehr zum Thema im Internet:

www.mnemotechnik.info

www.zmija.de/mnemotchnik.htm

www.gedaechtnistraining.de

Literatur zum Thema:

Sehr gut, nicht nur zum Auswendiglernen, sondern überhaupt zur Prüfungsvorbereitung, ist von Martin Schuster: Für Prüfungen lernen. Hogrefe Verlag 2001. 126 S., 15, 95 Euro.

Außerdem: Tony Buzan. Nichts vergessen. Kopftraining für ein Supergedächtnis. Goldmann Verlag 2000. 220 S., 8 Euro.

Ulrich Voigt: Esels Welt. Mnemotechnik zwischen Simonides und Harry Lorayne. Likenas Verlag 2001. 270 S., 35 Euro.

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