zum Hauptinhalt

Gesundheit: lfred Kuß

Studiengebühren werden die Unis nicht retten, eher gefährden

Die Diskussion um Studiengebühren währt nun lange und wird sicher nicht bald enden. Durch den Beitrag von Gert Wagner im Tagesspiegel vom 10.Oktober ist ein direkter Bezug zur allseits bekannten schwierigen Situation der Berliner Hochschulen hergestellt worden, der in einigen Punkten etwas irreführend und zu wenig realistisch ist.

Ein zentraler Gesichtspunkt bei der Gebührendiskussion ist – auch bei Wagner – das Argument, dass die Masse der Bevölkerung mit ihren Steuern einer relativ kleinen Zahl von nach Herkunft und späterem Einkommen privilegierten Studierenden die teure Ausbildung bezahlt. Sicher ein bedenkenswerter Punkt. Man würde ihm aber nur gerecht werden, wenn diese „privilegierten“ Studierenden tatsächlich die Kosten ihrer Studienplätze weitgehend oder vollständig selbst tragen und nicht „nur“ 1000 Euro pro Semester zahlen. Nun kann man dem kürzlich vorgelegten Gutachten zum Kosten und Leistungsvergleich der Universitäten in den norddeutschen Bundesländern entnehmen, wie hoch die Lehrkosten je Studierendem sind. Einige Beispiele daraus: Maschinenbau ca. 7700, Elektrotechnik 8000, Geologie 10000, Biochemie 6800, Mathematik 3900 und Physik 9000 Euro pro Jahr in den Diplomstudiengängen. Die (teure) Medizin ist in dem Gutachten nicht untersucht worden. In den Teil der Fächern würde die Finanzierung auch mit Studiengebühren von 1000 Euro pro Semester also weitgehend beim Steuerzahler, d.h. bei oft genannten „kleinen Leuten“, verbleiben.

Übrigens: Auch AbsolventInnen der gymnasialen Oberstufe haben deutlich bessere Einkommenserwartungen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Sollte man deswegen etwa die Wiedereinführung von Schulgeld für Gymnasien erwägen?

Eine wichtige Frage ist natürlich die der Verwendung von möglichen Studiengebühren. Nun wird wohl fast jeder, der die Hochschulpolitik der letzten Jahre und das Verhalten von Finanzministern verfolgt hat, davon ausgehen, dass sich diese Frage in der Praxis kaum stellt, weil schon nach einer kurzen Übergangszeit die staatliche Finanzierung der Universitäten entsprechend schrumpfen dürfte. Trotzdem wird oft behauptet, dass zusätzlich fließende Geld könne in den Universitäten verbleiben und zur Verbesserung der Lehre genutzt werden, so auch bei Gert Wagner. Spricht denn etwas dafür, dass Mittel aus Studiengebühren anders verwendet werden als die anderen den Universitäten zufließenden Gelder? Davon können u.a. Bücher gekauft und Mitarbeiterstellen besetzt werden, wobei letzteres dazu führt, dass die Zulassungszahlen steigen, was ja die Studienbedingungen in den großen Fächern auch nicht verbessert. Aber es werden natürlich nicht nur oder überwiegend Lehrbücher beschafft oder MitarbeiterInnen eingestellt, die ausschließlich in der Lehre tätig sind. Das zentrale Problem der Mängel in der akademischen Lehre ist eben nicht nur in der geringen finanziellen Ausstattung der Universitäten begründet, sondern auch im geringen Stellenwert der Lehre im Vergleich zu Publikationen und Drittmitteleinwerbung für akademische Karrieren und Reputation im deutschen Universitätssystem.

Welche Folgen können Studiengebühren für die Universitäten haben? Das lässt sich in den USA leicht erkennen. Dort gibt es reiche und arme, kleine und große Fächer in Abhängigkeit von ihrem „Marktwert“. So findet man dort regelmäßig große und gut ausgestattete Business Schools auf der einen und kleine, deutlich bescheidener ausgestattete Economics Departments auf der anderen Seite, von den Geisteswissenschaften ganz zu schweigen. Natürlich schlägt sich ein System, bei dem die Anziehung vieler zahlungswilliger Studierender ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist, auch auf die „Bewertung“ von Wissenschaftlern nieder. In einem solchen System ist z.B. ein Steuerrechtler wesentlich „teurer“ als ein Historiker. Die Veränderung der Hochschullehrerbesoldung in Deutschland hat ja schon die Tür für eine derartige Besoldungsdifferenzierung geöffnet.

Mit Studiengebühren dürften mittelfristig Verschiebungen zwischen den Fächern verbunden sein, je nach Ausgestaltung dieser Gebühren:

· Einheitlich hohe Gebühren für alle Fächer verstärken die Tendenz, dass die finanziell schlecht gestellten Universitäten stark nachgefragte Fächer mit geringen Lehrkosten (z.B. Jura, BWL) ausbauen und schwächer nachgefragte „teure“ Fächer (z.B. einige Naturwissenschaften) eher reduzieren. Ist das beabsichtigt?

· Studiengebühren, die sich an unterschiedlichen Kosten orientieren, würden wohl zu einer weiteren Abschwächung der Nachfrage nach Plätzen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften führen, weil dort dann die Gebühren besonders hoch wären. Gegenwärtig hat man doch wohl andere Ziele.

· Studiengebühren, die sich an den (wie?) zu erwartenden Berufschancen – also gewissermaßen am „Marktwert“ der verschiedenen Fächer – orientieren, ließen voraussichtlich z.B. Jura und Medizin zu „Gewinnern“ und Philosophie oder Geschichtswissenschaft zu „Verlierern“ werden. Will man das?

Die Folgen von Gebühren für Anzahl und soziale Auslese von SudienanfängerInnen sind oft diskutiert worden. Dazu nur ein Punkt: Immer wieder - auch bei Gert Wagner - kommt der Vorschlag, Studierende aus ärmeren Familien von Gebühren auszunehmen oder Stipendien zu gewähren. Wie so etwas in der politischen Praxis funktioniert, hat man über Jahre beim Bafög beobachten können. Man lässt einfach die entsprechenden Einkommensgrenzen über längere Zeit konstant und immer weniger Menschen kommen danach für eine Förderung in Frage. Dann hat man in der Folge geringere Zahlen von StudieninteressentInnen und die Kinder aus hinreichend wohlhabenden Familien bleiben an den Universitäten unter sich.

Letztlich sei noch die Frage der Zahlungsbereitschaft der Studierenden angesprochen. Kann man wirklich von einer Nachfrage nach Studienplätzen ausgehen, die von einer "Preissteigerung" von derzeitiger Gebührenfreiheit auf 2000 Euro pro Jahr völlig unberührt bliebe? Wäre nicht viel eher zu erwarten, dass zumindest in einzelnen Fächern mit schlechten Berufsaussichten und schlechten Studienbedingungen nicht mehr genügend Studierende zu finden sind, um die vorhandenen Studienplätze für 2000 Euro pro Jahr zu füllen? Wenn sich die Universitäten auf die von einigen Politikern geforderte Finanzierung durch Studiengebühren einlassen, müssen sie damit rechnen, dass diese Finanzgrundlage noch wesentlich unsicherer ist als die bisherige staatliche Finanzierung und dass bestimmte Fächer im Vergleich zur bisherigen Situation Schaden nehmen werden.

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false