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Gesundheit: Mars macht auch alte Forscher mobil

Wenn sich ergraute Akademiker des Studienjahrganges 1959 treffen, geht es meist zu wie bei einem Klassentreffen: Man fragt höflich nach Familie, Job und Hobbies, denn die Pensionierung steht vor der Tür. Wenn die Fulbright-Kommission ihre ehemaligen Stipendiaten von damals einlädt, wird es ungleich spannender: Dann ist vom Kosmos die Rede.

Wenn sich ergraute Akademiker des Studienjahrganges 1959 treffen, geht es meist zu wie bei einem Klassentreffen: Man fragt höflich nach Familie, Job und Hobbies, denn die Pensionierung steht vor der Tür. Wenn die Fulbright-Kommission ihre ehemaligen Stipendiaten von damals einlädt, wird es ungleich spannender: Dann ist vom Kosmos die Rede. Dann fallen Sätze wie: "Wir sind dem Mars heute näher als dem Mond im Jahr 1960". Keine Spur von müden Rentnern.

1960 kam der junge Amerikaner Joseph Allen mit einem Fulbright-Ticket an die Universität Kiel, um dort ein Jahr lang Mathematik und Physik zu studieren. Nach seiner Rückkehr in die USA machte er Karriere, bei der kurz zuvor gegründeten NASA. Während der Mondlandung Neil Armstrongs im Juli 1969 gehörte er bereits zur zweiten Reihe hinter Wernher von Braun. Später wird er selbst in den Orbit fliegen, als Astronaut auf zwei Space-Shuttle-Missionen.

"Die Internationale Raumstation, die zurzeit da oben entsteht, bietet uns erstmals ein großes Labor im All", sagt Allen. "Das können Sie mit CERN in Europa oder den Fermi-Labors in Chicago vergleichen. Aber das Fernziel ist klar: Wir wollen zum Mars." Er fügt hinzu: "Technisch gesehen, könnten wir diesen entfernten Planeten ohne weiteres anfliegen. Die Frage ist, ob die dafür notwendigen wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen fallen."

Auch Reimar Lüst, der 1955 als Fulbright-Stipendiat in den Fermi-Labs arbeitete, bestätigt: "Heute wird wissenschaftlicher Fortschritt vor allem durch große Geräte und teure Technik erreicht. Aber die Regierungen sind nicht mehr so leicht bereit, die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen." Lüst kennt diese Sorgen, denn von 1963 bis 1972 leitete der Astrophysiker das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in München-Garching. Danach war er zwölf Jahre lang Chef der Max-Planck-Gesellschaft. 1984 trat er an die Spitze der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, die er bis 1990 als Generaldirektor führte.

Früher floss das Geld reichlich

In diese Zeit fielen so wichtige Projekte wie die Trägerrakete Ariadne und die ersten europäischen Forschungssatelliten. Damals floss das Geld noch reichlich, denn wie die Forschung zu Atomwaffen galt die Raumfahrt als wichtigste Arena für das Kräftemessen des Kalten Krieges. Heute sind die alten Feindbilder verschwunden. Die Regierungen drücken irdische Sorgen. Reimar Lüst meint deshalb weniger enthusiastisch: "Nach der Internationalen Raumstation wird es sicher erst einmal darum gehen, den Mond als Ausgangsbasis für weit reichende Expeditionen ins All auszubauen." Aber auch er sieht den Mars als fernes Ziel.

Weltraummacht China

Die Raumfahrt ist ein Produkt des Kalten Krieges, früher sprudelte das Geld aus den Etats der Militärs. Heute überfordert der wachsende Aufwand die Volkswirtschaften, keine Nation der Welt kann solche Riesenprogramme mehr selbst stemmen. "Das zwingt uns zur Kooperation", sagt Lüst. "Doch es ist manchmal schwierig, alle 14 Mitgliedsstaaten der ESA unter einen Hut zu bringen. Und bei Amerikanern stoßen Sie oft noch auf das Denken aus dem Kalten Krieg: Bloß nicht zuviel an die Partner verraten."

Als aktuelles Beispiel nannte er das Galileo-Satellitennetz, mit dem die Europäer das amerikanische GPS ablösen wollen. Das GPS ist eine Erfindung der amerikanischen Militärs zur exakten Ortung ihrer Flugzeuge und Schiffe. Erst später wurde es für die zivile Nutzung geöffnet. Während der iranischen Invasion in Kuwait schaltete das Pentagon die Satelliten einfach auf einen geheimen Code um, so dass es für die Europäer unbrauchbar wurde.

"Ich fände es gut, ein zweites Satellitennetz zu haben", sagt Allen. "Dann hätten wir viel mehr Daten und Möglichkeiten für die Forschung und Wirtschaft." Er erwartet in den nächsten Jahrzehnten, dass die Amerikaner und Europäer enger kooperieren. China wird zur dritten führenden Weltraummacht aufsteigen: "Schon bald werden die ersten selbstgebauten Trägerrakten einen Chinesen ins All befördern", prophezeit er.

Ganz gleich, ob national oder international finanziert: Langfristig sei die staatliche Förderung für die Raumfahrt nicht zu ersetzen. Allen warnte davor, die Raumfahrt nur als Spielerei technikversessener Freaks misszuverstehen. "Wir sind die erste Generation auf dieser Welt, die ins All aufsteigen kann. Das hat uns alle dramatisch verändert." Wieder gehen seine Gedanken zurück, bis in die "goldenen" 60er Jahre: "1968 war es, als wir von Apollo die ersten Fotos von der Erde erhielten, von unserem unglaublich schönen Planeten. 1968 war auch das Jahr, in dem die Umweltbewegung ihre Wurzeln hatte. Ohne diese Fotos wäre sie wohl undenkbar."

Heiko Schwarzburger

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