zum Hauptinhalt
Foto: akg-images

© picture-alliance / akg-images

MEDIZIN Männer: Freier Blick ins Innere

FRIEDRICH TRENDELENBURG Operation vor Studenten in einem Hörsaal, Boston, 1906. Der Chirurg erklärt, dass er den Patienten in die „Trendel-Enburg“-Position bringe.

FRIEDRICH TRENDELENBURG

Operation vor Studenten in einem Hörsaal, Boston, 1906. Der Chirurg erklärt, dass er den Patienten in die „Trendel-Enburg“-Position bringe. Ein Zuruf aus dem Hörsaal: „Es heißt TrendElen-burg.“ Der Operateur, keinen Widerspruch gewohnt und nicht gewillt, ihn zu dulden, besteht auf seiner Aussprache des Namens. Der Rufer gibt nicht auf: „Ich bin sicher: TrendElen-burg ist mein Name.“ Der deutsche Arzt verdankt seinen Ruhm auch dieser Lagerungsposition, die auf einen simplen Einfall zurückgeht: Die Sicht wird bei gynäkologischen Operationen verbessert, wenn man das Becken hoch und den Kopf des Patienten nach unten lagert. Dann sinken die Eingeweide, „der Schwere folgend, nach dem Zwerchfell herunter“ und eröffnen einen „freien Einblick in das Innere“. Sie wird noch heute angewandt.

Der Vater des Namengebers, Friedrich Adolf Trendelenburg, ist ein seinerzeit bekannter Philosoph. Weil er die geistige Reife seines 17-jährigen Sohnes nach der Schule als noch nicht ausreichend für die Universität befindet und als Neukantianer ganz auf den Begriff der „Erfahrung“ setzt, schickt er den Jungen für ein Jahr nach Edinburgh. Dort soll er als Deutschlehrer arbeiten, in seiner Freizeit darf Friedrich an einem Anatomiekurs teilnehmen. Er ist begeistert. Zurück in Berlin beginnt er ein Medizinstudium beim großen Chirurgen Bernhard Langenbeck.

Die Medizin ist im 19. Jahrhundert im Aufbruch, eine richtungsweisende Entdeckung folgt der nächsten. Trendelenburg findet, dass darüber nicht der Blick auf die Geschichte verloren gehen darf. Für seine Doktorarbeit gräbt er die mehr als 2000 Jahre alte Methode der indischen Nasenrekonstruktion aus. Im selben Jahr arbeitet Trendelenburg als Feldchirurg in Görlitz. Der Krieg 1866 wird zum prägenden Erlebnis: In wenigen Tagen behandelt er 400 Soldaten, es herrscht quälender Gestank, gegen den der junge Arzt ständig Zigarre raucht. Seine erste Operation ist eine Beinamputation, an der der Patient acht Tage später stirbt.

Zurückgekehrt wird Trendelenburg Langenbecks Assistent und später chirurgischer Leiter des Krankenhauses im Friedrichshain. Er führt dort die Lister’sche Methode der Antisepsis ein, ein wichtiger Schritt in der Hygiene. Später zieht es ihn nach Rostock, dann nach Bonn und schließlich an die Universität Leipzig. In seiner Abschiedsrede ist die Kriegsstimmung bereits spürbar: Er hoffe, seine Studenten in der Wundbehandlung so erzogen zu haben, „dass sie dem Vaterlande in Stunden der Gefahr tüchtige Kriegsärzte sein würden“. Verbittert über den Kriegsausgang stirbt Trendelenburg 1924 in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Evangelischen Kirchhof Nikolassee in Zehlendorf. Markus Langenstrass

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false