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Gesundheit: Medizinische Versuche im KZ

Robert-Koch-Institut arbeitet NS-Geschichte auf

Nun entschließt sich auch das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) dazu, seine NS-Vergangenheit systematisch zu erforschen. Vorbilder bei dieser wissenschaftshistorischen Aufarbeitung sind die Max-Planck-Gesellschaft oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

„Wir finanzieren das Projekt zwar, aber wir werden die Forschungen in keiner Weise beeinflussen“, sagte RKI-Präsident Reinhard Kurth zur Eröffnung des ersten Workshops über die Rolle seines Instituts im Nationalsozialismus. Die Aufklärung werde ohne Rücksicht darauf durchgeführt, dass schweres Fehlverhalten offenbar werden könne. Das Seminar wurde vom medizinhistorischen Institut der Charité durchgeführt. Dort ist das Projekt angesiedelt.

Die Arbeitsgruppe aus drei Wissenschaftlerinnen (Marion Hulverscheidt, Anja Laukötter, Annette Hinz-Wessels) muss nicht bei null anfangen. Fehlverhalten damaliger RKI-Mitarbeiter ist seit langem bekannt, etwa die Teilnahme von zwei Abteilungsleitern – Claus Schilling und Gerhard Rose – an teils tödlichen medizinischen Experimenten mit KZ-Häftlingen.

Das Ziel des seit Mai 2006 laufenden, insgesamt zweijährigen Forschungsvorhabens sieht Kurth darin, das wissenschaftliche und politische Handeln der RKI-Forscher im Kontext ihrer Zeit „so vollständig wie möglich, rückhaltlos und ohne institutionelle Befangenheit zu erforschen“.

Bisherige Ergebnisse sollen zusammengetragen, Forschungslücken identifiziert und einzelne Bereiche (wie Blutgruppen-, Gelbfieber- und Pockenforschung) in Fallstudien eingehend untersucht werden, sagte Volker Hess, Direktor des Berliner Instituts für Medizingeschichte, der dem internationalen wissenschaftlichen Beirat des Projekts vorsitzt.

Wie unvollständig und zum Teil sogar falsch die zeitgeschichtlichen Daten über das Robert-Koch-Institut bisher sind, zeigten zwei Zahlen: Nur fünf Wissenschaftler des Instituts seien 1933 aus politischen oder „rassischen“ Gründen entlassen worden, entnimmt man noch der Jubiläumsschrift des RKI von 1991.

Es seien aber 18 von insgesamt 28, also zwei Drittel gewesen, berichtet Michael Hubenstorf, Direktor des medizinhistorischen Instituts der Universität Wien. Die Verluste für die deutsche Wissenschaft, vor allem die Bakteriologie und die Allergologie, wurden bisher kaum wahrgenommen: In Deutschland verdorrten durch die Vertreibung der Wissenschaftler, die zum Teil direkt im Institut verhaftet wurden, ganze Forschungsfelder.

Hubenstorf nannte die Bakterientypologie, die klinische Bakteriologie und Serologie, die Immunologie und die Zellforschung. Nur einige Bereiche wurden von zwangsemigrierten RKI-Wissenschaftlern im Ausland neu bestellt. Werner Silberstein richtete in Israel sogar ein Institut nach dem Vorbild des RKI ein. Nach Abschluss des Forschungsprojekts soll ein wissenschaftlicher Aufsatzband erscheinen. Zudem ist eine allgemein verständliche Darstellung der Geschichte des RKI im Nationalsozialismus geplant.

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