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Gesundheit: Mehr als Blut abnehmen

Wie angehende Ärzte ihren Horizont im Ausland erweitern

Medizin ist reine Naturwissenschaft, sagen die Mediziner. Sie folgt überwiegend bekannten physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzmäßigkeiten, festen Regeln, nach denen ein Körper funktioniert – oder eben nicht. Wenn nicht, dann hat das einen Grund, den man erforschen, testen, behandeln, eventuell heilen kann: das ist die Aufgabe des Arztes. Und es gibt ein paar, die sagen: Medizin ist noch viel mehr.

Solche Studenten engagieren sich in Malawi, Rumänien, Bosnien oder Nepal für Arme, Kranke und Verfolgte. Der Titel ist Programm: „famulieren & engagieren“. Vier Wochen arbeiten die angehenden Mediziner im Krankenhaus, genauso lange noch mal in einer sozialen Einrichtung: betreuen Straßenkinder, pflegen Aids-Kranke, klären über Tuberkulose und Lepra auf. „Medizin in sozialer Verantwortung“, nennt es Ulla Gorges von der deutschen Sektion der IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), die das Programm koordiniert. Etwa 7000 Ärzte und über 1000 Medizinstudenten der deutschen IPPNW engagieren sich gegen Krieg, Atomkraft und Armut, im Sinne einer „politischen Medizin“.

Ziel der Auslandsfamulatur in Krisengebieten ist es nicht, als „Entwicklungshelfer in Weiß“ aufzutreten oder spektakulären Katastrophentourismus zu betreiben, sondern über den eigenen kulturellen, sozialen und vor allem medizinischen Tellerrand zu schauen: Wie gehe ich mit Armut um? Was für soziale Probleme und Spannungen gibt es in den einzelnen Ländern? „Wer einfach nur im Ausland famulieren will, der ist bei uns falsch“, sagt Vera Hupe, die Studierendenvertreterin im International Physicians-Vorstand. Mit geheucheltem Interesse am Sozialprojekt kommen die Bewerber nicht weit; wenn Vera Hupe aus den Kandidaten zwölf auswählt, dann zählen persönlicher Eindruck, Engagement und Teamgeist. „An die Hand nimmt die Studenten später keiner“, sagt sie. Die Studierenden müssen sich statt dessen selbst um Unterkunft und Ablauf des Krankenhaus- und Sozialprojekts kümmern. Von den International Physicians erhalten sie lediglich das Ticket (ein Viertel zahlen die Studierenden selber), Vorbereitungstreffen, Tipps von Ehemaligen und den Kontakt zu einem IPPNW-Arzt vor Ort.

Der unmittelbare Nutzen für das Medizinstudium ist gering, der persönliche Gewinn dagegen umso höher. „Die praktischen medizinischen Fertigkeiten kann ich in Deutschland besser lernen“, erzählt der Göttinger Student Francisco Arias Martin, der sich gerade auf seine Famulatur in Nepal vorbereitet. Für ihn zählt der soziale Aspekt, das Miteinander von Patient und Arzt – jenseits der „rein somatischen Medizinpraxis“. Seine Befürchtung jedoch: „Man wird zu schnell als fertiger Doktor angesehen, und es wird viel erwartet.“

Sinn dieser „anderen“ Famulatur, da sind sich alle Teilnehmer einig: „Eine völlig neue Perspektive ins Studium.“ Julia Borsche, die in Belgrad famuliert hat, sagt: „Medizin ist eben mehr als Blut abnehmen.“

Mehr zum Thema im Internet unter:

www.ippnw.de und bei der Berliner IPPNW-Geschäftsstelle unter Tel.: 693 02 44 und E-Mail: feige@ippnw.de

„Reisezeit“ ist in den Sommersemesterferien. Bewerbungsschluss: 31. März

Juliane von Mittelstaedt

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