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Gesundheit: Mehr Studienplätze schaffen

Föderalismusreform: Berlin beweist, dass Vertrauen in die Länder naiv wäre Von Monika Grütters

Die Hochschulpolitik ist wieder einmal in Bewegung: Zum einen bewegt uns die Debatte um die Föderalismusreform mit ihren gravierenden Änderungen für die Wissenschaft, zum anderen ringt man in den Ländern um Studiengebühren, Bildungsstandards, Bachelor-Abschlüsse und Studentenzahlen.

Eigentlich sollte uns das freuen, dass Bildungsthemen auf der öffentlichen Agenda stehen und nicht – wie leider in den Länderparlamenten so oft – ganz zum Schluss der Haushaltsberatungen auch noch schnell abgehandelt werden.

Aber viele Fachleute freuen sich nicht: Denn während die Ministerpräsidenten das Föderalismuspaket geschnürt haben, kürzen ihre Haushälter munter weiter im Wissenschaftsetat ihrer Länder herum – mit fatalen Folgen.

Dabei wird die Föderalismusreform größtenteils auch im Bildungs- und Wissenschaftsbereich begrüßt. Die Stärkung der Länderkompetenzen ist wünschenswert, und Kultur und Bildung sind eben auch immer schon die klassischen Länderzuständigkeiten gewesen. Sie jetzt noch einmal nachhaltig zu stärken, wäre ein lohnenswertes Ziel – wenn, ja wenn die Länder sich dieser Verantwortung als würdig erwiesen. Und noch ist die Föderalismusreform so nicht beschlossen, wie sie jetzt auf dem Papier steht, noch verhandeln die Fachleute, weil doch offensichtlich drei Aspekte zu wenig berücksichtigt worden sind:

Das ist 1. der zu erwartende Zuwachs an Studierenden um bis zu 50 Prozent im bundesdeutschen Mittel. Das ist 2. die Sondersituation der Stadtstaaten. Und das ist 3. die Situation der Uniklinika.

Nach allen Prognosen wird bis 2010 in den östlichen Bundesländern die Zahl der Studierenden um circa 30 Prozent sinken, insgesamt aber wird die Zahl der Studierwilligen in Deutschland um 50 Prozent steigen. Das ist zwar im gesamtstaatlichen Interesse, die einzelnen Länder sind allerdings schon heute völlig damit überfordert. Allein deshalb sollten Bund und Länder gemeinsam in Sonderprogrammen überregionale und Projekte von gesamtstaatlichem Interesse auch weiterhin unterstützen können.

In Berlin wird im Jahr 2020 nur noch jeder zweite Einwohner im berufsfähigen Alter sein. Statt angesichts dieser dramatischen Entwicklung den Wettbewerb um die Jugend zu forcieren, werden in der Hauptstadt wegen der bekannten Haushaltsnöte aber heute schon drei von vier (!) Studienplatzbewerbern wieder weggeschickt. Die Situation sieht in den anderen Stadtstaaten und beliebten Studienorten nicht viel besser aus. Die Länder können oder wollen dennoch nicht in die Bildung investieren. Dabei sind die Kosten für die Studienplätze eine rentable Investition einer überwiegend nicht mehr produktiven alternden Gesellschaft.

Sollte eine Studienquote von mehr als 40 Prozent eines Jahrgangs mehr sein als nur ein Lippenbekenntnis, dann müsste es auch gesamtstaatliche Regelungs- und Finanzierungsinstrumente dafür geben. Das Investment in die studierende Jugend ist nicht nur lohnend, sondern demografisch dringend geboten. Berlin hat in diesem Wettbewerb die besten Chancen, weil die Jugend der Welt noch gerne hierher kommt. Ein Senat, der unter haushaltspolitischen Vorgaben Studienplätze streicht und sich der Jugend verweigert, versündigt sich an der Zukunft der Stadt. Berlin beweist, dass das Vertrauen auf die Klugheit und (Finanz-)Kraft der Länder einfach naiv wäre.

Es gibt 35 Uniklinika in 14 Bundesländern. Hier gibt es einen fortlaufenden Investitionsbedarf, sowohl bei den Gebäuden als auch bei den Großgeräten, die vor allem im Medizinbereich konzentriert sind. Eine Neuordnung der Hochschulbauförderung (HBFG) wird vor allem bei den Universitätsklinika zu erheblichen Investitionsdefiziten führen. Auch diese Aufgabe (von der wieder die Stadtstaaten in besonderem Maß betroffen sind) können die Länder nicht stemmen. Die Standards, die Kapazitäten und letzten Endes der Status als Uniklinikum werden schon mittelfristig nicht zu halten sein.

Gerade an dieser Stelle fragt man sich fassungslos, wie ein Land wie Berlin dem neuen Verteilschlüssel für die Hochschulbauförderung zustimmen konnte. Und statt sich im Augenblick der Verhandlungen um Einzelheiten der Föderalismus- und Bildungsreform von seiner besten Seite zu zeigen, schockiert der rot-rote Senat der Hauptstadt die scientific community mit Klinikschließungen und der Senkung der Zahl der ohnehin viel zu raren Studienplätze.

Die Fachleute am Verhandlungstisch zur Föderalismusreform sitzen dort nicht, um einem leidenschafts- und erfolglosen Länderminister wie dem Senator Flierl einen Gefallen zu tun, sondern sie denken bei ihrem Bemühen an die Studierenden, die hier zu Tausenden in der Warteschleife stehen. Während unter nicht eben geringem Rechtfertigungsdruck noch der letzte Schliff an der Bildungsreform angebracht wird, liefert der rot-rote Senat im Land Berlin uns vor der Haustür des Bundes den zynischen Beweis der Vergeblichkeit unseres Tuns:

Zunächst wird das Ende der vorklinischen Ausbildung für die Medizinstudenten am Uniklinikum in Steglitz beschlossen (und das gegen das ausdrückliche Votum von Vorstand und Aufsichtsrat der Charité), und als reiche das noch nicht aus, folgt prompt die nächste Streichung tausender Studienplätze. Während in tagelangen Föderalismus-Debatten Bund- und Ländervertreter um neue Formen der Zusammenarbeit im Dienste der Bildung ringen, geriert sich Berlins Landespolitik wissenschaftsfeindlicher denn je.

Schon einmal, 1968, waren es Bildungsthemen, die eine gesellschaftliche Revolution eingeläutet haben. In nicht allzu ferner Zukunft werden die jungen Leute, die nicht in ihren Städten studieren dürfen, uns erneut unter Druck setzen. Dann geht es nicht mehr nur um Studienplätze, sondern um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.

Die Autorin ist seit 2005 CDU-Bundestagsabgeordnete. Zuvor war sie Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

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