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Gesundheit: Mit den anstehenden Schulreformen sind die Länder überfordert

So schnell vergessen? Eben noch schien es so, als habe man in Deutschland die drei Bedingungen begriffen, die Staaten international bei Pisa auf das Siegertreppchen führen: Sie verbinden gute Schülerleistungen mit hoher Bildungsbeteiligung, die wenig von der sozialen Herkunft abhängt – sie erreichen quality und equality.

So schnell vergessen? Eben noch schien es so, als habe man in Deutschland die drei Bedingungen begriffen, die Staaten international bei Pisa auf das Siegertreppchen führen: Sie verbinden gute Schülerleistungen mit hoher Bildungsbeteiligung, die wenig von der sozialen Herkunft abhängt – sie erreichen quality und equality. Kaum liegen die innerdeutschen Ergebnisse vor, scheint die internationale Messlatte vergessen. Selbstgerecht feiert sich Bayern als Vorbild, obwohl es zwei dieser drei Bedingungen weit verfehlt: Nirgendwo sonst bestimmt die Herkunft so stark den Abschluss, und die Abiturientenquote ist so niedrig, dass nicht einmal der Akademikerbedarf des eigenen Arbeitsmarktes bedient werden kann. Nicht, dass andere Bundesländer besser dastünden. Vielmehr bestätigt sich, dass wir insgesamt, wenn auch auf unterschiedliche Weise, die internationale Spitze nicht erreichen. Diese aber ist das Vorbild. Die Diskussion über die Schule der Wissensgesellschaft kann lernen von denen, die sie früher und entschlossen geführt haben.

Zu den Paradoxien gehört: nicht obwohl, sondern weil unsere Bildungspläne viel von unseren Kindern erwarten, erreichen wir weniger als andere – es wird zu viel durchgenommen, aber zu wenig gelernt. Das wäre die Aufgabe eines Nationalen Curriculums: durch Abbau der Stofffülle den Schulen Luft schaffen und zugleich die Verbindlichkeit erhöhen. Wer vom Ausland lernen will, muss sehen, in welchem Zusammenhang dort die uns ungewohnten Instrumente stehen. Wer Abschlussprüfungen und jahrgangsbezogene Überprüfungen in die im Übrigen unveränderte, also bürokratisierte deutsche Schule einführt, führt nur weitere Regularien ein und mehrt das Übel. In Skandinavien und den angelsächsischen Ländern gehört das in den Zusammenhang pädagogischer Freiheit, die es den Schulen ermöglicht, ihre Verantwortung zu erfüllen. Sie ersetzen den Regelungswust, die Kontrolle der Ergebnisse ersetzt die Kontrolle der Wege.

Dazu benötigen die Schulen Rechte, die sie heute nicht haben: Nur, dann können sie auch aus ihren Pflichten nicht entlassen werden. Dazu gehört die Einsicht, dass das derzeitige Dienstrecht den Erfordernissen eines Dienstleistungsberufes nicht gerecht wird - weder für die, die sich engagieren, noch für die, die sich im Beamtenstatus ausruhen. Wir finden im Ausland viele Antworten: Wir müssen nur endlich daraus lernen. Trauen wir ein nationales Kerncurriculum und die damit verbundenen verbindlichen Standards oder die weit reichenden Veränderungen der Rechtsformen für die Schule dem föderalen Entscheidungsprozess zu? Ist dies lösbar durch Alleingänge einzelner Länder?

Anfang 1999, damals noch als Kultusminister, habe ich im Gespräch mit Frau Schavan hierfür einen nationalen Bildungsrat vorgeschlagen. Sie fand die Idee nicht gut, weil dann „Leute von draußen wieder fünf Jahre diskutieren ... Einen nationalen Lehrplan wird es nicht geben". Das ist drei Jahre her. 2004 sind die fünf Jahre verstrichen, die Frau Schavan für zu lang hielt. Ich fürchte, Gerhard Schröder wird dann keinen Grund sehen, sein Plädoyer für eine gesamtstaatliche Verantwortung zu widerrufen.

Der Autor gehört der SPD an und war bis 1998 Kultusminister in Hessen.

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