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Gesundheit: Mit Stammzellen gegen Multiple Sklerose

Der Zeitpunkt der Entscheidung rückt näher - und so wird eine alte Frage noch einmal gestellt: Brauchen wir die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen?Nein, sagen die Kritiker: Denn damit müsse menschliches Leben vernichtet werden, ein Embryo, der zumindest das Potenzial zu einem ganzen Menschen mit Gefühlen und Gedanken gehabt hätte.

Der Zeitpunkt der Entscheidung rückt näher - und so wird eine alte Frage noch einmal gestellt: Brauchen wir die Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen?

Nein, sagen die Kritiker: Denn damit müsse menschliches Leben vernichtet werden, ein Embryo, der zumindest das Potenzial zu einem ganzen Menschen mit Gefühlen und Gedanken gehabt hätte.

Ja, meinen die Befürworter: Stammzellen, argumentieren sie, lassen sich bereits in einem sehr frühen Stadium gewinnen, nur wenige Tage nach der Befruchtung nämlich - wenn sich beim Embryo noch keine Nervenzellen entwickelt haben. Nervenzellen sind die Voraussetzung für Gefühle und Gedanken. Außerdem sei das Ziel der Forschung die Entwicklung von Therapien gegen Krankheiten wie Parkinson, Diabetes und Multipler Sklerose (MS).

Die Entscheidung, die bevorsteht: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wird - wenn es nicht zu einer erneuten Verschiebung kommt - im Dezember beschließen, ob sie das Projekt des Bonner Neurowissenschaftlers Oliver Brüstle, menschliche embryonale Stammzellen zu Forschungszwecken zu importieren, befürwortet und somit finanziell unterstützt. Eine Befürwortung gilt als sehr wahrscheinlich.

Auch der Bundestag wird "Anfang Januar zum Import von Stammzellen Stellung nehmen", sagte Bundestagsmitglied Peter Hintze (CDU) auf einem Kongress zum Thema, den die Humboldt-Universität in Berlin am Wochenende organisiert hatte.

Von Naturzwängen befreien

Hintze befürwortete die Forschung an Stammzellen: "Es gehört zum Menschen, sich von Naturzwängen zu befreien. Das ist, was bestimmte Nervenkrankheiten betrifft, nicht gelungen." Da die Stammzellforscher einen Ausweg biete, solle sie vorangetrieben werden: "Menschenwürde bedeutet auch, die Würde der leidenden Menschen nicht aus dem Blick zu verlieren." Hintze war überzeugt, dass der Bundestag den Import von Stammzellen befürwortet würde.

Donald Bruce von der Church of Scotland widersprach. Das Problem dieser Forschung sei, dass der Embryo dabei zur "Ressource" degradiert werde: Menschliches Leben sollte Selbstzweck sein, kein Mittel zum Zweck.

Allerdings befürwortete Bruce die Forschung an embryonalen Stammzellen, die bereits vorhanden sind. Er nahm damit die Kompromiss-Position von US-Präsident George W. Bush ein. Weltweit existieren insgesamt 64 Zellkulturen, die eine mehr oder weniger brauchbare Quelle für Stammzellen sind. Die Zelllinien stammen von Embryonen, die nicht für eine künstliche Befruchtung genutzt wurden.

Juristisch gesehen ist der Import dieser Stammzellen nach Deutschland erlaubt. Das Embryonenschutzgesetz verbietet nur die Herstellung von Stammzellen aus lebenden Embryonen. Dennoch will der Bonner Forscher Brüstle die Empfehlung der DFG abwarten, bevor er Stammzellen aus Israel importiert.

Therapiechancen für Parkinson

Brüstles Kollege Otmar Wiestler versuchte in seinem Vortrag noch einmal die Relevanz der Stammzellforschung deutlich zu machen. "Der Mehrzahl der neurologischen Erkrankungen stehen wir immer noch hilflos gegenüber", sagte er. Etwa der Parkinson-Krankheit, bei der Hirnzellen, die Bewegungen steuern, degenerieren. Die Fähigkeit von Hirnzellen, sich zu regenerieren sei so gut wie nicht vorhanden.

Hier könnte eine Transplantation von Stammzellen helfen. Denn Stammzellen können sich in Hirnzellen entwickeln und so die Funktion der abgestorbenen Zellen übernehmen.

Dass dies bei der Maus tatsächlich funktioniert, haben Brüstle und Wiestler bereits gezeigt. Bei der Multiplen Sklerose beispielsweise werden Stützzellen im Gehirn, die Gliazellen, vom eigenen Immunsystem angegriffen. Manche Gliazellen bilden Isolierhüllen für Nervenbahnen, die bei MS zerstört werden. Brüstle und Wiestler konnten eine gentechnisch veränderte Maus, bei er es erst gar nicht zur Bildung von Isolierhüllen kam, erfolgreich mit Stammzellen behandeln: die MS-Symptome verschwanden.

Wiestler sieht Therapiechancen nicht nur bei MS und Parkinson, sondern auch für Diabetes und Chorea Huntington (Veitstanz).

Gleichzeitig warnte er vor übertriebenem Optimismus. "Alzheimer zum Beispiel gehört nicht zu den Krankheiten, die wir mit Stammzellen therapieren können", sagte Wiestler. Bei Alzheimer degenierten die Hirnzellen an vielen verschiedenen Orten, weshalb eine Behandlung mit Stammzellen schwierig sei.

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