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Gesundheit: Nachhilfestunde beieiner Nobelpreisträgerin

Wie entsteht ein Mensch? Ein Vortrag von Nüsslein-Volhard

Mit „ollen Kamellen“ werde sie aufwarten, warnte die Nobelpreisträgerin ihr Publikum gleich zu Beginn. Doch die Biologiestunde, die Christiane Nüsslein-Volhard vom Tübinger Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie am Freitagabend in der Urania abhielt, hatte es in sich. Der Nachhilfe-Unterricht steuerte schnurstracks auf die aktuellen Debatten über Chancen und Risiken der Gen-Forschung zu.

Wie entsteht ein Tier, ein Mensch? Warum die Jungen so aussehen wie ihre Erzeuger, beschäftigt die Menschheit schon lange, die Antwort aber blieb lange rein spekulativ. Zwar war die Idee des älteren Plinius, das Muttertier lecke sein kugelrundes Junges nach der Geburt eilends in die arttypische Form, schnell passé. Doch die „Einschachtelungshypothese“, derzufolge ein winzig kleiner Homunkulus in der Samenzelle schon vorgeformt sei, hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. „Man konnte sich einfach nicht vorstellen, wie es anders gehen sollte.“

Dann ging es Schlag auf Schlag: Mit Darwins Evolutionstheorie. Mit der Erkenntnis, wie viel Ähnlichkeit die Embryonen von Fisch, Vogel und Säugetier haben. Mit Gregor Mendels Kreuzungsversuchen. Mit der Chromosomentheorie der Vererbung und der Aufdeckung der Struktur der DNS. Und schließlich mit der Entzifferung des Genoms. Allmählich ist Licht gekommen in das Dunkel der frühen Entwicklung von Mensch und Tier.„Jetzt jedoch“, ist Nüsslein-Volhard überzeugt, „kommt die schwierigere Zeit des Lücken-Auffüllens und des genauen Hinsehens“.

Was in der aktuellen Debatte für die einen eine Horrorvision, für die anderen das gelobte Land des „perfektionierten“ Menschen darstellt, stößt nämlich zuallererst an biologische Grenzen. „Es gibt kein Gen für die Augenfarbe, die Schönheit oder die Musikalität.“ Stattdessen wird jede Eigenschaft durch viele Gene bestimmt, und jedes Gen bestimmt viele Eigenschaften. „Und es ist im Moment noch nicht zu erkennen, auf welchem Weg sich unser Unwissen über die Funktion der menschlichen Gene ändern wird.“ Tierversuche helfen da nur bedingt, „die Maus kann nun einmal nicht Klavier spielen“.

Auch das Klonen von Säugetieren ist nicht so einfach, wie es sich für viele nach Dollys Erscheinen darstellte. „Schon der Versuch, Menschen zu klonen, wäre hirnrissig und kriminell.“

Anders sieht es mit der Option aus, zu therapeutischen Zwecken Stammzellen aus Embryonen zu gewinnen, die im Rahmen von künstlichen Befruchtungen entstehen und nicht eingepflanzt werden. Ein unscheinbarer Vergleich führte von der Biologie in die Polit-Debatte: Die befruchtete menschliche Eizelle hat im Gegensatz zum Hühnerei vor ihrer Einnistung in die Gebärmutter noch nicht alles, was sie zum Leben braucht. „Deshalb kann man für einen gestuften Lebensschutz argumentieren.“ Die „Herrin der Taufliegen“, die auch Mitglied des Nationalen Ethikrats ist, machte aber deutlich, dass das nur eine der Positionen im Meinungsstreit ist. Der aber kann ernsthaft erst einsetzen, wenn die Biologie-Lektion gelernt ist. aml

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