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Gesundheit: Nackte haben selten einen Ausweis dabei

"Nackt zu sein und dabei beguckt zu werden, ist für mich kein Problem", sagt Simone Hartmann.Die Malereistudentin an der Hochschule der Künste könnte es sich auch gar nicht leisten, genant zu sein.

"Nackt zu sein und dabei beguckt zu werden, ist für mich kein Problem", sagt Simone Hartmann.Die Malereistudentin an der Hochschule der Künste könnte es sich auch gar nicht leisten, genant zu sein.Schließlich verdient sie sich ihren Lebensunterhalt als Akt-Modell für Maler und Bildhauer."Schon als Kind war es für mich und meine beiden Schwestern ganz natürlich, ohne Kleider in der Wohnung herumzulaufen", erzählt sie.Und später, als 18jährige, wurde sie von ihrer Zeichenlehrerin in Würzburg "ganz sanft" an das Modellstehen herangeführt."Ich kannte die Lehrerin schon lange und vertraute ihr."

Inzwischen kennt Simone Hartmann nur noch die wenigsten derjenigen, die jedes ihrer körperlichen Details ganz genau betrachten, persönlich.Die Kunsthochschulen engagieren die Studentin und ihre Kollegen regelmäßig für ihre Malklassen, manchmal wird sie auch von Kommilitonen gebucht, die noch ein wenig für die Prüfung üben wollen.Doch am liebsten sind ihr die privaten Maler."Die zahlen am besten." Zwischen 13 und 25 Mark bringt eine Stunde Modell stehen."Dabei sind die Kunsthochschulen am unteren Preisniveau, die müssen überall sparen", klagt Simone Hartmann.Gleichzeitig sind sie aber auch die größten Auftraggeber.Doch momentan sei es für Anfänger schwierig, einen Job zu bekommen."Viele Volkshochschulen haben ihre Malkurse gestrichen, weil sie nicht voll wurden." An solchen Dingen sparen die Leute bei knappem Geldbeutel eben zuerst.Auch die Kunsthochschulen in Berlin und Potsdam bieten aus Kostengründen statt zwei Aktzeichen-Kursen oft nur noch einen an.

Seltener gelingt es, bei einem privaten Maler unterzukommen, denn solche Jobs sind sehr begehrt.Und einfach mal so bewerben funktioniert auch nicht, finden die Maler ihr Modell doch meist durch Mundpropaganda: einer empfiehlt besonders talentierte Modelle an seine Kollegen weiter.

Bis ihr diese Spielregeln klar waren, mußte Simone Hartmann erst einmal Lehrgeld zahlen.Als sie 1993 an die HdK kam, versuchte sie zunächst, über Zeitungsanzeigen an Aktmodell-Jobs zu kommen."Es gab auf mein Inserat zwar jede Menge Anrufer.Doch die meisten stöhnten mir nur den Anrufbeantworter voll.Ein einziges seriöses Angebot war dabei."

Für manche hat der Begriff Aktmodell offensichtlich einen sehr erotischen Reiz.Deshalb versuchen Voyeure auch immer mal wieder, in den Malklassen einen Platz zu ergattern.Doch Simone Hartmann ist bisher nur einem von ihnen begegnet - und der wurde auch gleich entdeckt."Verräterisch war, daß der Mann nur geguckt und nicht gemalt hat", sagt sie.Da wurde nicht lange gefackelt und der ungebetene Zuschauer vor die Tür gesetzt.

Ob man sie im Atelier anstarrt, oder unter freiem Himmel, Simone Hartmann ist immer mit Seele und vor allem Leib dabei.Selbst unbekleidet über belebte Straßen zu flanieren, macht ihr nichts aus.Gemeinsam mit einem männlichen Kollegen ließ sie sich 1993 von einem Aktionskünstler für eine öffentliche Aktperformance engagieren.An fünf Stellen in Berlin mußten sich beide Modelle ausziehen und im Adams-und-Eva-Kostüm über die Bürgersteige spazieren.In der Wilmersdorfer Straße schließlich wurde sogar die Polizei auf sie aufmerksam und fragte - "idiotischerweise, schließlich waren wir nackt" - nach ihren Ausweisen."Dabei hängten sie uns sogar fürsorglich ihre Polizeijacken um", erzählt Hartmann.

Doch meistens arbeitet ein Aktmodell im warmen Atelier.Eine Sitzung dauert normalerweise drei bis vier Stunden - da braucht es Ruhe und Geduld.Wer alle zwei Minuten auf die Uhr schaut, wird merken, daß vier Stunden eine Ewigkeit sein können.Simone Hartmann vertreibt sich die Ewigkeit, in dem sie die Maler ihrereseits beobachtet.Oder sie lernt im Gedächtnis Vokabeln.Manchmal schläft sie auch ein wenig - falls die Position stimmt."Wenn ich bequem liege, kann ich auch schon mal richtig fest einschlafen." Doch diese Stellung werde leider seltener gewünscht."Das ist nämlich am schwersten zu malen.Meistens muß ich stehen." Da sie selbst vom Fach ist, weiß sie, was die Maler brauchen.Und ihr jahrelanges Balletttraining hat sie gut darauf vorbereitet.Dadurch hat sie eine gute Haltung.

Haltung ist bei dem Nebenjob sowieso viel wichtiger, als Fotomodel-Maße.Die landläufig als schön bezeichneten Menschen werden für die anatomischen Körperstudien gar nicht so oft gebraucht: "Es gibt zum Beispiel einen absoluten Mangel an farbigen oder dicken Menschen, oder auch an alten Menschen um die 60, die sich nackt malen lassen", schildert Hartmann ihre Erfahrungen.Die sind deshalb begehrt, weil Maler auch mal Abwechslung bei den Models brauchen.

Pro Woche sitzt Simone Hartmann etwa 20 Stunden - eine richtig anstrengende Arbeit, wie sie betont.Da ist eine gute Kondition sehr wichtig."Bildhauer sind am anstrengendsten, weil für ein Werk oft mehrere Sitzungen notwendig sind" - immer in derselben Pose."Das ist nichts für Zappelphilipps."

Um fit zu bleiben, macht sie zweimal pro Woche ausgedehnte Gymnastikübungen, denn: "Oft muß man als Modell stundenlang eine unnatürliche Position einnehmen, das tut manchmal sogar weh.Also sollte man die Muskeln und Gelenke geschmeidig halten." Trotz des Trainings hinterläßt dieser Nebenjob auch seine Spuren.Simone Hartmann war schon lange nicht mehr im Kino oder Theater."Da muß man so lange stillsitzen."

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