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Gesundheit: Nobelpreis: Keiner schaltete schneller

Wenn Deutsche mit einem Nobelpreis bedacht werden, forschen sie in der Regel schon lange nicht mehr hier, sondern in den USA. Vor zwei Jahren ging der Physik-Nobelpreis an Horst Störmer.

Wenn Deutsche mit einem Nobelpreis bedacht werden, forschen sie in der Regel schon lange nicht mehr hier, sondern in den USA. Vor zwei Jahren ging der Physik-Nobelpreis an Horst Störmer. Ihm hatten zwar einige deutsche Universitäten einen Lehrstuhl angeboten. Die bürokratischen Hürden hier zu Lande waren ihm jedoch zuwider, und so verschlug es ihn an die Columbia-University in New York. Ebenfalls in New York, an der Rockefeller-University, begegnet man auch Günter Blobel, dem Träger des Medizin-Nobelpreises 1999. Auch er hat den besseren Arbeitsbedingungen in Übersee den Vorzug gegeben.

In diesem Jahr nun ist der 1928 in Weimar geborene Herbert Kroemer unter den Physik-Nobelpreisträgern. Wie die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag mitteilte, werden zusammen mit ihm zwei weitere Forscher ausgezeichnet, die in den 50er und 60er Jahren das Fundament für die moderne Informationstechnik gelegt haben: Kroemer teilt sich den mit umgerechnet 2,1 Millionen Mark dotierten Preis mit dem Russen Zhores I. Alferow und dem Amerikaner Jack S. Kilby. Während letzterer als Miterfinder der Taschenrechner und der Chips gilt, haben Kroemer und Alferow mikroelektronische Baulemente aufgebaut und weiterentwickelt, wie sie sich heute überall in Mobiltelefonen, CD-Playern oder Laseranzeigen finden: die geschichteten Halbleiter.

Der theoretische Physiker Herbert Kroemer wirkt mit seinem krausen Haar und dem dichten Vollbart etwa so, wie man sich einen verschrobenen Denker vorstellt. Unter Kollegen gilt er indessen als Forscher "mit geradezu erschreckender Kreativität", wie Ernst O. Göbel, Präsident der Physikalisch Technischen Bundesanstalt in Braunschweig, betont. Nach seinem Studium in Göttingen sei er schon früh in die USA gegangen. "Sicherlich haben ihn dabei die fantastischen Möglichkeiten und der wissenschaftliche Stil angezogen, der ihm das interdisziplinäre Arbeiten erleichterte."

Aufbauarbeit in Übersee

Kroemer liebte von Beginn an die Teamarbeit. Nach Forschungen in der Industrie und einem Ruf an die University of Santa Barbara in Kalifornien scharte er dort zahlreiche Wissenschaftler um sich. Unter anderem gewann er Kollegen der Bell Laboratorien, wo zuvor der Transistor erfunden worden war. Das brachte seinem Institut den Namen "Bell-West" ein.

"Kroemer hat vor allen anderen die Möglichkeit erkannt, unterschiedliche Materialien in Schichten aufeinander zu bringen und damit ihre elektronischen Eigenschaften zu verändern", sagt Abbas Ourmazd, Leiter des Instituts für Halbleiterphysik in Frankfurt/Oder. Diese Idee beruht darauf, dass Halbleiter, kristalline Festkörper wie beispielsweise Silizium oder Germanium, eine stark von äußeren Einflüssen abhängige elektrische Leitfähigkeit besitzen. Ursächlich dafür ist die Beweglichkeit der Elektronen sowie der unbesetzten Elektronenzustände, der Löcher.

Anders als bei einzelnen Atomen, bei denen Elektronen nur fest vorgegebene, diskrete Energien haben können, stehen ihnen im Festkörper ganze Energiebänder zur Verfügung. Zwischen diesen Bändern gibt es verbotene Bereiche. Im so genannten Valenzband sind die Elektronen durch die chemische Bindung noch fest verankert. Dagegen sind sie im höher gelegenen Leitungsband frei beweglich. Durch das Einfangen von Licht zum Beispiel kann ein Elektron die Bandlücke überspringen und vom Valenzband ins Leitungsband gelangen: Ein Strom fließt.

Wie Kroemer herausfand, kann es sehr vorteilhaft sein, Materialien mit unterschiedlichen Bandlücken übereinander zu schichten. Denn in den Schichtsystemen ("Heterostrukturen") kann man die Bandabstände geschickt manipulieren und damit Barrieren oder Förderbänder für die Elektronen einrichten. Auf diese Weise lassen sich auch die enorm hohen Schaltgeschwindigkeiten der Halbleiterbauelemente erzielen.

Kampf ums Überleben

Kroemer hat dazu die theoretische Vorarbeit geleistet, Alferow die experimentellen Studien. 1930 in Vitebsk, in Weissrussland, geboren, studierte er Physik und Mathematik und ging 1970 an das A. F. Ioffe-Institut in St. Petersburg, dessen Leiter er seit 1987 ist. Inzwischen kämpft er, wie viele andere Forscher der ehemaligen Sowjetunion, um das Überleben seines Labors. Dabei werde er maßgeblich vom Bundesforschungsministerium, aber auch von Einrichtungen wie der deutschen Volkswagenstiftung unterstützt, betont Dieter Bimberg von der Technischen Universität Berlin, der seit Jahren mit Alferow zusammenarbeitet und ihn als Gast zu sich einlädt. "So gut hat man Forschungsgelder selten angelegt."

Der Texas-Rechner

Auf die Initiative des 76 Jahre alten Jack S. Kilby hin entwickelte Texas Instruments unter anderem den ersten Taschenrechner - lange bevor die Silicon-Valley-Firmen von sich Reden machten. Kilby wird insbesondere für seinen Anteil an der Erfindung und Entwicklung der integrierten Schaltungen ausgezeichnet, der späteren Chips. Er verband mehrere Transistoren und andere Baulemente mit feinen Golddrähten zu einem miniaturisierten Schaltkreis und meldete 1959 ein erstes Patent darauf an.

Diese Erfindung ließ sich bald kommerziell nutzen, wie Kilby erkannte. Aus ihr gingen die Mikrochips hervor, die heute unzählige Geräte steuern: von der Waschmaschine bis zur Weltraumsonde, von TV-Spielen bis zu Computertomografen im Arztlabor. Die Fülle solch alltäglicher Anwendungen macht uns allen die Tragweite der Forschungen und Erfindungen von Alferow, Kroemer und Kilby bewusst.

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