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Gesundheit: Nur das Team kann den Schmerz besiegen

Von Adelheid Müller-Lissner Anästhesisten: Sind das nicht diejenigen Ärzte, die Patienten in einen Zustand versetzen, in dem „sprechende Medizin" unmöglich wird? Die meisten Menschen denken sofort an das Stichwort „Narkose", wenn von dieser medizinischen Fachgruppe die Rede ist.

Von Adelheid Müller-Lissner

Anästhesisten: Sind das nicht diejenigen Ärzte, die Patienten in einen Zustand versetzen, in dem „sprechende Medizin" unmöglich wird? Die meisten Menschen denken sofort an das Stichwort „Narkose", wenn von dieser medizinischen Fachgruppe die Rede ist. Doch nicht nur in Vorbereitungsgesprächen vor Operationen reden Anästhesisten mit ihren Patienten. Tatsächlich behandeln sie heute auch zahlreiche Menschen, die unter Schmerzen leiden.

Beim Hauptstadtkongress für Anästhesiologie und Intensivmedizin 2002, der noch bis Sonnabend im Russischen Haus in der Friedrichstraße rund 1800 Teilnehmer versammeln wird, wird deshalb auch ein Workshop zur Gesprächsführung bei chronischen Schmerzpatienten angeboten. Im Rollenspiel mit „Simulationspatienten" wird dort geübt, was im Klinik- und Praxisalltag dringend gebraucht wird.

Zum Beispiel in einer Schmerzklinik. Die Schmerzgeplagten, die dort aufgenommen oder ambulant in einer Poliklinik behandelt werden, haben meist zahlreiche Besuche bei Medizinern unterschiedlicher Fachgruppen hinter sich. Menschen mit chronischen Rückenschmerzen sind leider oft Paradebeispiele für diese zermürbende Suche nach Hilfe. „Es kommt dabei nie zu einer Gesamtbetrachtung des Problems", moniert der Schmerzspezialist Christoph Stein vom Berliner Franklin-Klinikum, das eine der wenigen deutschen Schmerzkliniken beherbergt.

Was wird an der Schmerzklinik anders gemacht? Zunächst wird der Patient von verschiedenen Fachleuten untersucht. Das sind nicht nur Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, wie Orthopäden, Neurologen oder Chirurgen. „Wir brauchen auch andere Berufsgruppen. Wichtig ist es zum Beispiel, Psychologen, Physiotherapeuten und Arbeitstherapeuten mit im Boot zu haben", sagt Stein. Ziel ist ein individueller Therapieplan, der ganz auf die spezielle Situation des Schmerzpatienten abgestimmt ist. Auch Steins Kollege Wolfgang Kox von der Charité hält regelmäßige Schmerzkolloquien für entscheidend, bei denen sich Ärzte, Psychologen und andere Therapeuten austauschen.

Die Anästhesisten zeigen durchaus Selbstbewusstsein, wenn es darum geht, wer bei der fächerübergreifenden Zusammenarbeit eine Führungsrolle beanspruchen könnte. „Aus unserer Tradition heraus kennen wir die Rolle des Managers und Organisators", führt Kox mit Blick auf die „klassische" Rolle des Narkosearztes bei Operationen ins Feld. „Wir machen es am besten", sagt Stein. Er beruft sich dabei nicht zuletzt auf die Tatsache, dass es Anästhesisten waren, die schon vor einigen Jahrzehnten intensiv mit der Forschung in Sachen chronischer Schmerz begannen. Als Schmerztherapeuten arbeiten sie inzwischen zunehmend auch in eigener Praxis.

Nicht zuletzt empfehlen sich die Anästhesisten auch dadurch, dass sie als Experten für schmerzstillende und -lindernde Medikamente gelten können. Über eine „Wunderdroge" gegen Schmerzen kann zwar beim Kongress nicht berichtet werden, doch Stein berichtete den Journalisten von einem Projekt zur Erforschung von Opiaten, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit mehreren Millionen Euro gefördert wird. Medikamente aus dieser Gruppe spielen nach wie vor die wichtigste Rolle bei der Behandlung schwerer Schmerzen, etwa bei Tumorpatienten.

Doch Opiate haben teilweise starke Nebenwirkungen, führen etwa zu Schläfrigkeit und Verstopfung. Nachdem vor mehreren Jahren schon Andockstellen für Opiate gefunden wurden, die sich außerhalb des Zentralnervensystems befinden, besteht die Chance, schwere Schmerzen gezielter und ohne solche unerwünschten Effekte zu behandeln. „Mehrere Substanzen, die dafür in Frage kommen, werden inzwischen in Phase-II-Studien an einer begrenzten Zahl von Patienten erprobt", erläuterte Stein.

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