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Gesundheit: OECD-Bericht: Zu wenig Studenten

Die Alarmzeichen mehren sich: Deutschland tut zu wenig für die Bildung. Nach dem jüngsten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, der am Mittwoch in Paris vorgestellt wurde, zeigt sich das besonders deutlich im Hochschulbereich.

Die Alarmzeichen mehren sich: Deutschland tut zu wenig für die Bildung. Nach dem jüngsten Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, der am Mittwoch in Paris vorgestellt wurde, zeigt sich das besonders deutlich im Hochschulbereich. Bei den Studentenzahlen ist die Bundesrepublik international weiter zurückgefallen - ins untere Mittelfeld. Nur 16 Prozent eines Jahrgangs schließen hierzulande ein Hochschulstudium ab. Im Durchschnitt der OECD-Länder sind dies immerhin 25 Prozent. Die höchsten Abschlussquoten haben mit über einem Drittel Finnland, die Niederlande, Neuseeland, Norwegen, Großbritannien und die USA. Das frühere Volk der Dichter und Denker hat seine Stärken mehr in der beruflichen Ausbildung. Grafik: Quote der Studienanfänger im Vergleich Mit diesen Voraussetzungen kommen große Arbeitsmarkt-Probleme auf die Bundesrepublik zu, denn in allen Wirtschaftsbereichen gibt es inzwischen einen "Trend zur Höherqualifizierung". Naturwissenschaftler und Ingenieure fehlen auf dem deutschen Arbeitsmarkt bereits. Und es ist absehbar, dass sich der Fachkräftemangel in den Zukunftsbereichen verschärft. Hierzulande schließen in diesen Fächern fast ein Drittel weniger ein Studium ab als im OECD-Durchschnitt. In Frankreich, Finnland, Irland und Neuseeland liegt dieser Anteil sogar zweimal höher.

Dabei sind Deutschlands Bildungseinrichtungen nicht schlechter geworden. Aber sie haben die dynamische Entwicklung der Bildungsbeteiligung, die die meisten Industriestaaten zwischen 1995 und 1999 erreicht haben, verpasst. Auch hier gibt der Hochschulbereich ein deutliches Beispiel: In 18 von 21 OECD-Staaten sind während dieser Zeit die Studentenzahlen deutlich gewachsen, in Korea, Griechenland, Tschechien und Polen um 25 Prozent. Deutschland bildet mit Kanada und Frankreich das Schlusslicht. Doch im Unterschied zu Deutschland hatten die beiden anderen Staaten in den Jahren davor Zuwächse um 20 Prozent. Zu den relativ geringen Anfängerzahlen kommt in Deutschland noch die mit 30 Prozent hohe Studienabbrecherquote und die im internationalen Vergleich sehr langen Studienzeiten. Mängel werden auch im Grundschul- und Kindergartenbereich moniert.

Die Mittelverteilung innerhalb des deutschen Bildungssystems stimmt nicht, wenn man künftig mehr Kinder zu höheren Bildungsabschlüssen führen will. Alle Experten gehen übereinstimmend davon aus, dass Förderung bei Kindern desto wirkungsvoller ist, je früher sie ansetzt. Bei der Entwicklung der Kindergärten liegt Deutschland aber weit hinter anderen Ländern, wie etwa Frankreich, zurück. Und im Schulbereich wird für die gymnasiale Oberstufe erheblich mehr Geld ausgegeben als für die Grundschule: Pro "Primärschüler" kaufkraftbereinigt 3531 US-$, zehn Prozent weniger als im OECD-Schnitt. Im Sekundarbereich II (Abitur, FH-Reife oder Berufsausbildung) liegt Deutschland dagegen mit an der Spitze.

Die Mahnungen aus Paris treffen Bildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) in einem für sie günstigen Moment. Am selben Tag konnte sie zum dritten Mal in Folge einen Etat mit erheblichen Steigerungen durch das Kabinett bringen. Die Ministerin verfolgt selbst eine Politik für mehr Bildungsbeteiligung und mehr Studenten. Sie mahnte die Länder, ihre Etats für Bildung und Forschung ebenfalls zu steigern. Auch die privaten Aufwendungen für Bildung und Forschung seien in Deutschland zu gering. Dazu gehören privates Sponsoring, etwa von Hochschulgebäuden und Lehrstühlen, oder Ausgaben der Wirtschaft für die Forschung.

Als eine wesentliche Ursache für die schlechte Entwicklung sehen Bulmahn und der Autor der Studie, Andreas Schleicher, falsche Signale aus Wissenschaft und Wirtschaft. Zu lange wurde vor einer Akademikerschwemme gewarnt. Das böse Wort vom "Dr. Arbeitslos", der zum Taxifahren verurteilt ist, machte die Runde. Schleicher warnte davor, Akademikerarbeitslosigkeit als Zeichen für ein Überangebot zu werten. "Die OECD-Bildungsindikatoren stützen diese These nicht", sagte Schleicher dazu. Im OECD-Schnitt sind von den 30- bis 44-Jährigen ohne Abschluss im Sekundarbereich II 9,1 Prozent der Männer und 11,2 Prozent der Frauen arbeitslos. Der OECD-Mittelwert für Akademiker liegt dagegen bei 4,2 Prozent für Männer und drei Prozent für Frauen, in Deutschland bei 3,1 Prozent für Männer und 5,2 Prozent bei Frauen. Auch die Einkommen dieser Gruppe sind höher. Der Arbeitsmarkt belohnt also ein Studium.

Wichtigste Voraussetzungen, um künftig mehr junge Leute für ein Studium zu gewinnen, sind nach Bulmahns und Schleichers Worten eine funktionierende Ausbildungsförderung und ein offenes Bildungssystem. Dazu sollen die bereits verabschiedete Bafög-Reform und die Hochschulreformen beitragen. Ein Studium müsse mit gestuften Ausbildungsgängen und modularisierten Angeboten früh die Chance zum Abschluss bieten. Nach einer Unterbrechung soll man problemlos an die Hochschule zurückkehren können.

Eine Möglichkeit, die Studienbeteiligung zu steigern, zeigt die Studierquote der Frauen: Während im OECD-Durchschnitt Frauen 53 Prozent der Erstabschlüsse an den Hochschulen erwerben, sind dies in Deutschland nur 45 Prozent. Nur Japan, die Schweiz und die Türkei bleiben darunter. In den Naturwissenschaften liegt Deutschland sogar an vorletzter Stelle.

Der Bericht kann im Internet abgerufen werden:

www.bmbf.de

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