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Gesundheit: Operation Buch

Nach dem Weimarer Brand: Leipziger Restauratoren haben schon über 1000 Bände gefriergetrocknet

Brandeilig haben es die Restauratoren, die Schätze der Anna Amalia Bibliothek zu retten. Während gestern weiterhin verkohlte Bände aus dem Brandherd beim Zentrum für Bucherhaltung (ZfB) in Leipzig eintrafen, waren über tausend Bücher schon gefriergetrocknet. „Wir können sie jederzeit nach Weimar zurückschicken“, sagt ZfB-Geschäftsführer Manfred Anders.

In dem Leipziger Zentrum werden alle bei dem verheerenden Brand in der Weimarer Herzogin Anna Amalia Bibliothek verkohlten und vom Löschwasser durchnässten Bücher behandelt. Rund 25 000 wertvolle Bücher aus dem 16. bis 18. Jahrhundert sind unwiederbringlich zerstört worden. Schon am Freitagnachmittag, nicht einmal 20 Stunden nach Ausbruch des Feuers, trafen die ersten beschädigten Bände in Leipzig ein. Etwa 30000 erwartet Anders. Ein Großteil sei bereits eingetroffen und eingefroren.

Die Bücher kämen teilweise in einem dramatischen Zustand, sagt Anders: Viele sind mit feuchtem Lehm und anderen Baumaterialien verschmutzt, die sich von der eingestürzten Decke und den Wänden der Amalia-Bibliothek gelöst haben. Bevor sie in einer Kühlkammer schockgefroren werden, säubern die Restauratoren die Bände mit Pinseln und Schwämmen. Aber selbst Bücher, die nur feucht oder nass sind, seien oft in sich verdreht, sagt Anders. Vor dem Einfrieren richten die Restauratoren die Buchblöcke aus und bandagieren Extremfälle mit Mullbinden.

Von Sonntag auf Montag, als der größte Schub aus Weimar ankam, hätten die 25 angestellten Mitarbeiter und zusätzliches Personal, das dem Zentrum auf Abruf zur Verfügung steht, „22 Stunden durchgearbeitet“. Auch während der Gefriertrocknung, die unmittelbar nach dem Tieffrieren der Bücher beginnen kann, stehen diese ständig unter Beobachtung.

So funktioniert die Gefriertrocknung: Jeweils bis zu 500 gefrorener Bände werden in einer Kammer unter Vakuum gesetzt. Sie liegen auf Wärmeplatten, die eine Temperatur von 25 Grad erzeugen. Unter diesen Bedingungen werde das Eis direkt in Dampf überführt, erläutert Anders. Der flüssige Aggregatzustand wird übergangen. Bei Ledereinbänden oder Pergamentseiten muss der Vorgang mehrfach unterbrochen werden, damit die Materialien nicht reißen oder verhornen.

Um auf Katastrophenfälle wie den Brand in Weimar oder die Elbeflut vor zwei Jahren flexibel reagieren zu können, wurde das Zentrum 1998 gegründet. Es ging aus einer Vorgängerinstitution der Deutschen Bibliothek hervor, arbeitet jetzt aber kommerziell – und international. Was das Zentrum mit der Restaurierung der Weimarer Bände verdient, sei noch nicht abzuschätzen, sagt Anders. Die Behandlung eines Buches mit Wasserschaden sei mit einem Mittelwert von fünf Euro zu veranschlagen. Bei stark geschädigten, voluminösen, oder aus Pergament bestehenden Bänden sei die Restaurierung aber viel aufwändiger. Viele der äußerlich verbrannten Bücher würden nur getrocknet und „als Klumpen“ konserviert – bis genug Geld für ihre Restaurierung vorhanden sei. Außer der Bundesregierung, die vier Millionen Euro Soforthilfe zugesagt hat, hilft auch der Getty Trust in Los Angeles. Mitarbeiter seien schon in Leipzig, um die Schadenshöhe zu ermitteln, teilte die Stiftung gestern mit.

Geld fehle aber vor allem, um der „alltäglichen Katastrophe“, dem Säurefraß in den Bibliotheken, zu begegnen, mahnt Anders. Er hoffe, dass das Feuer von Weimar wieder mehr Aufmerksamkeit auf das bedrohte Kulturgut Buch lenken werde. Insgesamt müssten sich Bibliotheken besser als bisher auf Naturkatastrophen vorbereiten – aber auch auf mögliche terroristische Angriffe.

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