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Gesundheit: Ozeanströme: Der Mond rührt in den Meeren

Wenn sie sich den Ozean vorstellen, denken Sie wahrscheinlich an Wellen, die über die Wasseroberfläche jagen. Oder an den ständigen Wechsel von Ebbe und Flut, der die Küste umspült.

Wenn sie sich den Ozean vorstellen, denken Sie wahrscheinlich an Wellen, die über die Wasseroberfläche jagen. Oder an den ständigen Wechsel von Ebbe und Flut, der die Küste umspült. Aber das wirklich wichtige Geschehen der Meere ist weniger sichtbar. Gewaltige Ströme fließen wie gigantische Flüsse durch die Ozeane, angetrieben von unterschiedlichen Temperaturen und Salzkonzentrationen. Der Golfstrom transportiert etwa drei Millionen Tonnen Wasser in der Sekunde, alle Flüsse der Erde zusammen führen im Vergleich dazu gerade mal eine Million mit sich.

Diese ungeheuren Strömungen befördern außerdem große Mengen Wärme rund um den Globus und spielen so eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung des Klimas. Die gefrorene Labrador-Küste von Kanada liegt beispielsweise in denselben Breiten wie die südwestliche Spitze von Großbritannien. Dank der warmen Meeresströmung wachsen dort jedoch Palmen, und Fröste sind selten. Wenn wir den komplizierten Mechanismus von Klima und globaler Erwärmung entwirren wollen, ist es deshalb unerlässlich, ein klares Bild über die Meeresströmungen zu gewinnen.

Oberflächenströmungen sind noch relativ einfach zu überwachen; Studien in der Tiefsee sind hingegen wesentlich komplexer. Denn in großer Tiefe herrscht ein immenser Druck, der zusammen mit dem korrodierenden Salzwasser die Instrumente schnell zerstört. Messungen in der Nähe des Meeresgrundes sind daher langwierig und teuer.

Wissenschaftler beginnen jetzt, die bisher bekannten Strömungskomponenten aus niedrigen und mittleren Wassertiefen wie in einem Puzzle zusammenzusetzen. Sie wollen ein Bild der Wasserzirkulation in den Ozeanen zeichnen und die unüberschaubare Beziehung zwischen heutigem Klima und dem der Vergangenheit verstehen. Diese Vorgehensweise soll ihnen helfen, die Zukunft unseres Planeten vorherzusagen.

Ozeanographen bezeichnen alle Meeresströmungen zusammenfassend als "thermohaline Zirkulation" - "thermo" bedeutet Wärme und "halin" meint den Salzgehalt. Wärme und Salzgehalt beeinflussen die spezifische Dichte des Wassers. Kaltes, salziges Wasser sinkt auf den Meeresgrund, während warmes, frisches Wasser nach oben steigt. Meeresregionen, in denen kaltes Wasser mit einem hohen Salzgehalt dominiert, werden Senken genannt. Bereiche, in denen warmes, weniger salzhaltiges Wasser vorherrscht, heißen Quellen.

Die größten Ozeansenken der Erde befinden sich im Nordatlantik: die Labrador- und die Grönlandsee. Hier kühlt die eisige Polarluft das Wasser an der Meeresoberfläche unter den Gefrierpunkt. Es bildet sich Eis. Wenn Meerwasser gefriert, wird Salz frei gesetzt. Dadurch erhöht sich der Salzgehalt des zurückbleibenden Wassers, das nun eine sehr hohe Dichte erlangt und in die Tiefe des Ozeans sinkt, die auch Abyssal genannt wird. Anstelle des kalten Polarwassers strömt Wasser aus dem Süden nach.

Auf diese Weise entsteht im Atlantik eine ständige Wasserbewegung von Süden nach Norden, die zusätzlich durch die Passatwinde angetrieben wird. Dieser Nordatlantikstrom wird als Golfstrom bezeichnet und ist im Winter Nordeuropas neben der Sonne für etwa 20 Prozent der Wärme ursächlich. Im Gegenzug strömt das kalte Polarwasser auf dem Atlantikgrund von Norden nach Süden und gleicht die Oberflächenströmung aus. Dieses Tiefenwasser gelangt bis zur Antarktis, wo in einem ständigen Kreislauf kalte Wassermassen in östlicher Richtung rund um den Südpol fließen und Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean miteinander verbinden.

Pazifischer und Indischer Ozean spielen in der thermohalinen Zirkulation ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie zeigen zwar nur wenig oder gar keine Eisbildung, so dass keine Tiefenströmung entsteht. Unterschiedliche Niederschlagsmengen und Temperaturschwankungen sorgen jedoch auch hier dafür, dass große Ströme in die Meeresbecken rein- und rausfließen.

Im Norden und rund um die Antarktis existieren also gewaltige Senken für Wasser mit einer hohen spezifischen Dichte, die eigentlich irgendwo an anderer Stelle durch aus der Tiefe aufsteigendes Wasser ausgeglichen werden müssten. Es wurden jedoch keine vergleichbaren Quellen gefunden.

Folglich muss das an den Polen entstehende "abyssische" Wasser stattdessen durch Turbulenzen und eine langsame Durchmischung des Wasserkörpers an die Meeresoberfläche zurückgelangen. Hier gibt es jedoch ein Problem: Ähnlich wie die Luftmassen von Hoch- und Tiefdruckgebieten, behalten auch aneinander vorbeiströmende Wasserkörper ihre Eigenschaften bei, selbst wenn die Unterschiede zwischen Temperatur und Salzgehalt nur sehr gering sind. Zwingt man die Wassermassen, sich zu vermischen, braucht man dafür viel Energie.

Das große Rätsel in dem Puzzlespiel der Wissenschaftler lautet: Wer liefert diese Energie? Der Mond, verkündete vor kurzem Gary Egbert von der Landesuniversität Oregon in der Fachzeitschrift "Nature" (Band 405, Seite 775). Der Forscher untersuchte mit Hilfe von Satelliten den Wechsel zwischen Ebbe und Flut, der durch die Anziehungskraft von Mond und Sonne verursacht wird. Egbert fand heraus, dass etwa ein Drittel der Energie des Mondes in den Tiefwasserzonen der Ozeane wirksam wird. Die vom Mond gelieferte Energie versetzt das Wasser über dem rauhen Meeresgrund in Bewegung und verursacht Turbulenzen, die für eine Durchmischung der Wassermassen sorgen. Auf diese Weise gelangt Wasser vom Grund der Ozeane an die Oberfläche und schließt den Kreislauf.

Bevor Egbert seine Ergebnisse veröffentlichte, waren die Ozeanographen davon ausgegangen, dass die gesamte Energie, die der Mond liefert - etwa drei Terawatt, eine Energiemenge mit der 50 Milliarden Glühbirnen betrieben werden könnten -, für den Antrieb der Gezeiten in den Flachwasserzonen entlang der Küsten verbraucht wird.

Das wahre Bild der ozeanischen Zirkulation ist jedoch noch weit komplexer als diese einfache Skizze. Unberücksichtigt bleibt bisher das Netz kleinerer Strömungen, die sich wechselseitig beeinflussen und die großen Hauptströme miteinander verbinden. Dennoch gelang es den Forschern, das komplizierte System der Meereszirkulationen so gut abzubilden, dass robuste Computermodelle, die die Wechselwirkungen von Ozean und Atmosphäre beschreiben sollen, nun möglich werden.

Jeremy Thomson

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