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Gesundheit: Pädagogen in der Sackgasse

Das Lehrerstudium wird verbessert – aber wer nicht gut genug ist, für den ist nach der Hälfte Schluss

17 Semester benötigen viele Lehrerstudenten in Berlin, bis sie das erste Staatsexamen erreichen. Das sind grotesk lange Studienzeiten. Sie haben nicht nur die Universitäten in Verruf gebracht, sondern auch das Landesprüfungsamt, weil das Prüfungsverfahren in Berlin besonders zeitaufwändig war. Nun soll sich alles ändern. Statt 17 Semester soll die Kombination von Bachelor und Master in Berlin und Brandenburg zehn Semester dauern, Grundschullehrer studieren acht Semester. Auf das erste Staatsexamen unter Vorsitz des staatlichen Prüfers wird verzichtet. Der Master ersetzt das erste Staatsexamen, und die Studenten können damit von den Professoren geprüft und bewertet werden. Das Referendariat wird auf ein Jahr halbiert – außer für Studienräte. Zum Wintersemester 2004/2005 wird mit der neuen Lehrerausbildung begonnen.

Doch die ganze Reform hat einen großen Haken: Die Studenten können nach dem ersten Teil ihres Lehrerstudiums, dem Bachelor, nicht in den Schuldienst eintreten – dazu konnte sich der Gesetzgeber nicht durchringen. Nun öffnet erst der Master die Türen zum Schuldienst. Für viele Lehramtsstudenten droht der Bachelor jedoch zur Sackgasse zu werden: Denn längst nicht jeder, der Lehrer werden will, soll zum Masterstudium zugelassen werden.

Berufschancen in den Sternen

So erklärt etwa Heinz-Elmar Tenorth, der Vizepräsident der Humboldt-Universität (HU): An der HU soll zum Masterstudium nur zugelassen werden, wer einen überdurchschnittlichen Bachelorabschluss vorweisen kann. Und was geschieht mit denen, die das nicht können? Lehrer können sie nicht werden. Ob sich ihnen mit dem Bachelor aber andere reale Berufschancen eröffnen, steht noch in den Sternen. Zwar muss das Bachelor-Studium einen Abschluss bieten, der in einen Beruf münden kann. So schreibt es die Kultusministerkonferenz vor. Das geänderte Berliner Lehrerbildungsgesetz erfüllt diese Anforderung aber nur in einem Wunschparagrafen. Da heißt es: „Die dreijährigen Bachelor-Studiengänge führen zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss für bestehende und noch zu entwickelnde Berufsfelder außerhalb des Lehramtes.“ Im Klartext: Ein Student, der zum Beispiel Geschichte und Deutsch studiert hat, weil er Lehrer werden will, kann sich mit dem Bachelor zwar für ein Volontariat in einer Zeitung oder bei Verlagen bewerben oder in die Erwachsenenbildung gehen. Aber eben nicht Lehrer werden. Doch welcher Arbeitgeber nimmt einen durchschnittlichen Bachelor-Absolventen, der sich für die Masterausbildung zum Lehrer nicht qualifizieren konnte?

Vor diesem Problem stehen natürlich auch Bachelor-Absolventen, die nie Lehrer werden wollten. Doch das Lehramtsstudium ist traditionell ein Massenstudium. Wenn man 40 Prozent eines Jahrgangs zum Hochschulstudium führen möchte – was in Deutschland unter den Politikern Common Sense ist – dann ist es äußerst problematisch, den Zugang zu Massenberufen zu versperren oder künstlich zu erschweren. Fatal ist die Entscheidung des Gesetzgebers auch deshalb, weil er die Wirtschaft immerzu auffordert, Vertrauen in die Bachelor-Absolventen zu fassen. Doch jetzt zeigt der Staat, dass er selbst dieses Vertrauen nicht hat: Keines der zehn Bundesländer, die ihre Lehrerausbildung jetzt nach dem Master-Bachelor-Schema ordnen, lässt Bachelor als Lehrer in die Schule.

In Berlin wehrten sich die Linken in der Berliner SPD und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dagegen, nur noch Studienräte bis zum Master auszubilden. Die GEW habe befürchtet, dass dann die Eingangsbesoldung für den Lehrerberuf auf A 12 sinken werde und nicht mehr wenigstens zum Teil bei A 13 gehalten werden könne, meint Tenorth. Offiziell argumentierte die Gewerkschaft aber mit den hohen Anforderungen an den Beruf des Lehrers: Nur ein Masterstudium sei eine angemessene Qualifikation.

Der Schulassistent ist obsolet

Als Ausweg hatte Bildungssenator Böger deshalb als neuen Beruf den des „Schulassistenten“ vorgeschlagen. Der Schulassistent sollte schon mit dem Bachelor-Abschluss in die Schule gehen, um die „echten“ Lehrer im Unterricht zu unterstützen. Dem Assistenten hätte es frei gestanden, nach einigen Jahren wieder an die Uni zu gehen und den Master noch aufzusatteln, um Lehrer zu werden. Noch im Sommer versprach Böger, eine entsprechende Rechtsverordnung zum Lehrerbildungsgesetz zu erlassen. Inzwischen ist davon nicht mehr die Rede. Aus seiner Verwaltung heißt es, Böger plane eine solche Verordnung nicht mehr.

Schon heute ist die Enttäuschung also für viele Bachelorstudenten programmiert. Werden sie zum Masterstudium nicht zugelassen, können sie resignieren und auf den Lehrerberuf verzichten oder sie gehen zum Rechtsanwalt und versuchen mit Hinweis auf die Freiheit der Berufswahl einen Studienplatz im Masterprogramm zu erklagen. Rechtsanwälte können ihre Kapazitäten schon jetzt danach planen.

Uwe Schlicht

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