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Gesundheit: Parasiten aus Katzenklo: Dieses Tier macht uns noch wahnsinnig

"Katzeklo, Katzeklo - ja das macht die Katze froh", treibt Helge Schneider noch unbeschwert Schabernack. Doch wenn die neuesten Forschungsergebnisse nicht trügen, kann das stille Örtchen der Stubentiger gelegentlich einen äußerst unerfreulichen Untermieter beherbergen: Einen einzelligen Parasiten, der Menschen infiziert und unter bestimmten Umständen das Risiko für den Ausbruch einer Schizophrenie erhöht.

"Katzeklo, Katzeklo - ja das macht die Katze froh", treibt Helge Schneider noch unbeschwert Schabernack. Doch wenn die neuesten Forschungsergebnisse nicht trügen, kann das stille Örtchen der Stubentiger gelegentlich einen äußerst unerfreulichen Untermieter beherbergen: Einen einzelligen Parasiten, der Menschen infiziert und unter bestimmten Umständen das Risiko für den Ausbruch einer Schizophrenie erhöht.

Die Schizophrenie, die große, unheimliche Geisteskrankheit, gibt der Wissenschaft immer noch Rätsel auf. Bei eineiigen Zwillingen, die die gleiche Erbmasse besitzen, lässt sich die gemeinsame Auftretensrate (Konkordanz) auf etwa 50 Prozent beziffern. Das bedeutet, dass Erbanlagen zwar eine bedeutende, aber nicht allein ausschlaggebende Rolle spielen. Der Einfluss der Umwelt, der zumindest bei einem Teil der Erkrankungen zur Geltung kommt, könnte auch die Gestalt einer ansteckenden Krankheit besitzen.

Verdacht schon in den 20er Jahren

Der Verdacht auf eine infektiöse Ursache der Schizophrenie kam in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts auf, als viele Opfer einer schweren Grippeepidemie zusammen mit einer Hirnhautentzündung Züge einer schizophrenen Psychose entwickelten. Auch bei Kindern, deren Mütter 1957 in der Schwangerschaft einer Grippeepidemie ausgesetzt waren, wurde in Skandinavien ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nachgewiesen.

Da die Schizophrenie einige Eigenarten aufweist, die auf die Existenz eines Erregers hindeuten, entstanden bald Mutmaßungen über geheimnisvolle "Schizokokken". Menschen etwa, die später an Schizophrenie erkranken, werden überproportional häufig im Winterhalbjahr geboren. Zudem kommt die Störung meist erst in der Mitte der dritten Lebensdekade zum Ausbruch - wie bei einem verzögert wirkenden Erreger.

Schon vor ein paar Jahren hat der Psychiatrieprofessor Fuller Torrey vom University Health Service in Bethesda, Maryland, die Aufmerksamkeit auf unsere schnurrenden Hausgenossen gerichtet. Es war lange bekannt, dass die Darmausscheidungen von Katzen für Schwangere gefährlich sein können, weil sie zuweilen Erreger, besonders den der "Toxoplasmose" enthalten. Vielleicht werden im späten Winter und Anfang Frühling mehr Schizophrene geboren, weil die Mütter in der kritischen Phase mehr Kontakt mit Katzen (und deren Parasiten) hatten.

Mit einer ersten Studie legte der Forscher vor ein paar Jahren Beweise vor: Er befragte Eltern, die entweder gesunde oder an Schizophrenie erkrankte Kinder hatten. Fazit: 51 Prozent der belasteten, aber nur 38 Prozent der unbelasteten Eltern hatten in ihrer Kindheit schnurrende Gesellschaft gehabt. Auch mit einer Studie an Hutterern, einer abgeschotteten Religionsgemeinschaft in den USA, stützte Torrey seine These ab. Die Schizophrenie kommt dort außergewöhnlich selten vor. Hutterer heben sich durch eine weitere Besonderheit ab: Sie halten keine Katzen und anderen Haustiere.

Und nun hat der Psychiater mit einer Analyse von 53 000 gefrorenen Blutproben aus den fünfziger Jahren einen schwer zu ignorierenden Indizienbeweis geführt. Die Proben waren Schwangeren im Rahmen einer Anti-Polio-Kampagne entnommen worden. Torrey fand 100 Einzelfälle, in denen die Kinder dieser Frauen Schizophrenie entwickelt hatten. Quintessenz: Im Blut der Schwangeren waren auffallend häufig Antikörper gegen den einzelligen Parasiten "Toxoplasma gondi", den Erreger der Toxoplasmose, vorzufinden.

Nach bisherigen Kenntnissen sind nur die Mitglieder der Katzenfamilie ("Felidae") als Endwirt für den Schmarotzer geeignet; die Symptome: Apathie, verminderte Fresslust und neurologische Störungen. Katzen ziehen sich diesen Parasiten manchmal zu, wenn sie viel ungekochtes Fleisch oder Mäuse-Rohkost vertilgen. Knapp ein Prozent aller deutschen Katzen sollen laut Statistik mit Toxoplasma durchseucht sein. Während der Erreger erwachsenen Menschen kaum Probleme bereitet, kann er das Ungeborene schädigen oder gar Totgeburten verursachen. Schwangere sollten daher zur Vorsicht jeden Kontakt mit Katzenkot meiden.

Torreys Hauptannahme: Toxoplasmose- und auch Herpes-Erreger begünstigen Schizophrenie in einem zweistufigen Prozess, indem sie ein Virus scharf machen, das unschuldig im Erbgut schlummert. Der Forscher hat dabei ein fiktives "Retrovirus" im Visier. Nach einer Theorie handelt es sich bei der Schizophrenie um eine Störung der linken Hemisphäre, die bei den meisten Menschen die Dominanz über Sprache ausübt.

Die normale Hemisphären-Dominanz ist zu einem hohen Grad erblich und soll in einem (ebenfalls fiktiven) Dominanz-Gen verankert sein. Das "Schizovirus" könnte mit dem Dominanz-Gen vergesellschaftet sein und zusammen mit diesem vererbt werden. Es sind heute schon Tierarten bekannt, die in ihrem Genom Retroviren beherbergen, die unter bestimmten Umständen aus dem Dornröschenschlaf erwachen und neurologische Störungen verursachen. Möglicherweise "entfesseln" Toxoplasmose & Co im Mutterleib ein Retrovirus, das in kritischen Regionen des ungeborenen Gehirns sein Unwesen treibt.

Neue Therapie im Test

Die neuen Entwicklungen könnten erhebliche Konsequenzen für die Therapie der Schizophrenie nach sich ziehen. Schon jetzt könnte es sich empfehlen, Schizophrenen mit entsprechenden Testwerten zusätzlich zu den antipsychotischen Medikamenten die Mittel zu verabreichen, mit denen man den Toxoplasmose-Erreger bekämpft. Torrey plant eine Therapiestudie bei Schizophreniekranken mit dem Anti-Virus-Mittel "Acyclovir" sowie mit einschlägigen Antibiotika.

Rolf Degen

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