zum Hauptinhalt

Gesundheit: Parasiten: Luft und Liebe und ein Schlückchen Blut

Taubenzecken können etwas, wonach wir Menschen vergeblich streben: Neun Jahre lang nur von Luft und Liebe und einem Schlückchen Blut leben. Das zapfen sie bei ihren fliegenden Wirtstieren ab und bedienen sich zur Not auch beim Menschen.

Taubenzecken können etwas, wonach wir Menschen vergeblich streben: Neun Jahre lang nur von Luft und Liebe und einem Schlückchen Blut leben. Das zapfen sie bei ihren fliegenden Wirtstieren ab und bedienen sich zur Not auch beim Menschen. Allerdings bekommt ihnen dieser Abstecher nicht gut: Wenige Zeit später gehen sie daran aus noch nicht erforschter Ursache zu Grunde.

Das Schickal gilt auch umgekehrt, denn für manche Menschen kann ihr unmerklicher Stich tödlich sein. In unseren Breiten kamen zwar bisher keine Todesfälle vor, aber im Mittelmeerraum, wo die Taubenzecke beheimatet ist. Anders als die bekanntere Waldzecke ist die Taubenzecke nicht Überträgerin der Lymeborreliose. Meist ist ihr Stich harmlos und erzeugt nur nässende Wunden, bei Allergikern kann er allerdings gefährliche anaphylaktische Schocks hervorrufen.

Saugrüssel mit Widerhaken

Wie ihr Name sagt, ist diese Zeckenart, die nicht zu den Insekten zählt, sondern zur Klasse der Spinnentiere, ein Parasit der Taube. Wo die Taube lebt, ist die Taubenzecke nicht weit. In jedem Detail ihrer Erscheinung und ihrer Lebensweise kennt ein Mann sie am besten, der Biologe Hans Dautel. Im Institut Biologie der Freien Universität Berlin, Arbeitsgruppe Angewandte Zoologie, beschäftigt sich der 39-Jährige seit 13 Jahren mit der Taubenzecke und hat sich zu einem der wenigen Fachmänner für den Parasiten entwickelt. In seinen Augen ähnelt die linsenförmige Taubenzecke mit der braunen Lederhaut eher einer Wanze. Sie wird zwischen einem Millimeter und einem Zentimeter groß und hat auf jeder Seite vier hakenartige Beine. Der Kopf liegt unterhalb des Panzers, ihre Beißwerkzeuge bestehen aus zwei Teilen: einem Schneidewerkzeug und dem mit Widerhaken versehenen Saugrüssel.

Zu Beginn der intensiven Beschäftigung mit den Taubenzecken hielt Dautel sie noch in der eigenen Wohnung und züchtete sie dort, gar nicht zur Freude seiner Frau - wohl verwahrt in Glasröhrchen. Für seine Diplomarbeit jedoch musste er sich ihnen in natura nähern. Zwei Jahre lang beobachtete er die Tiere auf von Tauben bewohnten Dachböden in Berlin.

Dautel zählte sie und markierte einzelne Individuen. Dann dokumentierte er ihren gesamten Lebensrhythmus und stellte fest, dass "Taubenzecken ein biologisches Phänomen sind, weil sie mit drei bis fünf Jahren bis zur Geschlechstreife eine sehr lange Entwicklungszeit haben, und gleichzeitig unglaublich robust sind."

Gekleidet in einen Schutzanzug, mit Gummistiefeln im knöchelhohen Taubenkot watend, war Dautel unter ihnen. Atmen konnte er nur durch eine Schutzmaske, um sich gegen die im Taubenkot enthaltenen toxischen Pilze zu schützen.

Die Taubenzecke kommt nur in Städten, genauer in Gebäuden vor, in denen Tauben hausten. Die Kurzformel "Wo Tauben leben, sind auch deren Parasiten" ist im Fall der Taubenzecke noch folgenreicher. Denn sind die Vögel im Zuge der Sanierung des leerstehenden Hauses oder beim Dachausbau längst vertrieben, bleiben die Taubenzecken an Ort und Stelle.

Sie sind so robust, dass sie zwischen drei und fünf Jahren, mitunter auch bis zu neun Jahren, ohne Nahrung, also Blut, existieren können und in dunklen Ritzen regungslos lange Perioden überdauern. Der Grund dieser Resistenz ist ihre Lederhaut, die so dicht ist, dass keine Feuchtigkeit eindringt und der Wasserverlust ganz gering bleibt.

Suche nach warmer Beute

Auch wenn durch eine Renovierung die Wände längst mit Rigipsplatten neu verschalt sind, können die Taubenzecken in Spalten noch mit geringem Energieaufwand vegetieren. Erst wenn sie Hunger haben, machen sie sich eines Jahres nachts auf den Weg und suchen warme Beute. Sind die Tauben weg, nehmen sie lange Wege auf sich, um einen Menschen zu finden. Sie pirschen sich an den Schläfer heran, weichen mit ihrem Speichel die Haut auf, lassen die enthaltene Lokalanästhesie wirksam werden und stechen zu.

Einmal festgesaugt, trinken sie eine Stunde lang. Wohlgenährt durch die Aufnahme der zwei- bis dreifachen Menge ihres Körpergewichtes lassen sie sich anschließend fallen und kriechen wieder in ihren dunklen Schlupfwinkel zurück.

In den Jahren 1989 bis September 2000 wurden im Berliner Amt für Schädlingsbekämpfung und -beratung 214 Fälle von Taubenzeckenbefall in Gebäuden registriert. Weil die Zecke aber keine Krankheiten überträgt, gilt sie nicht als Schädling, fällt nicht unter das Infektionsschutzgesetz, ist also nicht meldepflichtig. Deshalb und weil viele Hautärzte den Verursacher des Stiches nicht richtig erkennen, liegt nach Schätzung der Zoologin Karolin Bauer-Dubau die Dunkelziffer um ein Dreifaches höher.

Erschwerend kommt bei der Diagnose hinzu, dass zwischen dem Beseitigen der Tauben und den ersten Stichen der Taubenzecken am Menschen eine lange Zeitspanne liegt. Viele der beim Amt für Schädlingsbekämpfung gemeldeten Fälle werden an das Krankenhaus Spandau verwiesen, weil hier der Hautarzt Dietmar Herold die Stiche identifizieren und per Test feststellen kann, ob eine Allergie gegen Taubenzecken vorliegt.

Weiterhin ist Aufklärung nötig. Die Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen gibt zusammen mit dem Landesamt für Gesundheitsschutz ein Informationsblatt heraus. Es empfiehlt jedem, der einen Antrag auf Ausbau eines Dachbodens stellt, die Räume auf Taubenzeckenbefall zu untersuchen (Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, Tel. 030-9012-5000). Werden Taubenzecken festgestellt, kann den Parasiten mit Kontaktgiften auf den Leib gerückt werden.

Zähe Kolonien

Durch ein Austreibemittel aktiviert, kriechen die Zecken aus den Ritzen hervor und erliegen dem Gift. Anschließend müssen die Spalten mit Silikon abgedichtet werden. Weil einige Exemplare die Prozedur überlebt haben könnten, ist es dringend angeraten, die Bekämpfung ein Jahr später zu wiederholen. Für den Fall aber, dass die Zeckenkolonien nicht gefunden werden, hilft nur eins: Ausziehen und noch mal renovieren. Die Kosten der Renovierung muss der Vermieter tragen. Er hat die Pflicht zu vermeiden, dass Tauben in einem Haus nisten und Taubenzecken sich festsetzen.

Gegen das, was den Biologen Dautel bei seiner Forschung so fasziniert, "das verborgene Leben der Zecken, die mitten unter uns sind, aber von keinem bemerkt werden", gibt es ein einfaches Mittel. Die Schädlingsbekämpferin Bauer-Dubau empfiehlt bei undefinierbaren Stichen, um die Beine des Bettes und die Matratze herum ein doppelseitiges Klebeband zu legen. Am Morgen sind die Blutsauger in die Falle gegangen.

Gyde Cold

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false