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Gesundheit: Pro & Contra in einer spannenden Debatte um Schein und Sein

Pro: von Hartmus WewetzerViele Forscher erkennen sich in den Produkten der Unterhaltungsindustrie nicht wieder. In Filmen, Fernsehserien und anderen Medienprodukten dominiere das Bild des ehrgeizigen und skrupellosen Wissenschaftlers, der keinen Blick für die Folgen seines Tuns habe.

Pro: von Hartmus Wewetzer Viele Forscher erkennen sich in den Produkten der Unterhaltungsindustrie nicht wieder. In Filmen, Fernsehserien und anderen Medienprodukten dominiere das Bild des ehrgeizigen und skrupellosen Wissenschaftlers, der keinen Blick für die Folgen seines Tuns habe. Kürzlich nun hat der Arzt, Romancier und Hollywood-Regisseur Michael Crichton im amerikanischen Wissenschaftsmagazin "Science" in wünschenswerter Deutlichkeit auf diese Kritik geantwortet. Hollywood habe ein Interesse daran, spannende Geschichten zu erzählen, damit die Kinos und die Kassen sich füllten, schrieb der Autor von "Jurassic Park". Crichton bedient das Klischee des "bösen" Forschers in seinen Produkten selbst mit großem Geschick. Das ist es also: es geht nicht um ein realistisches Bild von der Wirklichkeit, gar um Wahrheit, sondern nur um Geld.

Es ist deshalb wünschenswert, dass die deutsche Wissenschaft selber das Heft in die Hand nehmen und der Öffentlichkeit mit ihrem "Push"-Programm Wissenschaft näher bringen will. Diese Idee mag auch aus der Not geboren sein, angesichts des allgemeinen Sparzwangs plötzlich unter Legitimationsdruck zu kommen. Zudem sind die Mittel des "Push"-Programms knapp bemessen. Aber die Wissenschaft muss ihren Logenplatz verlassen und auf den Marktplatz gehen. Es ist höchste Zeit.

Auf diesem öffentlichen Platz aber wird sie auf Menschen treffen, die gar nichts wissen wollen. Oder auf eine Öffentlichkeit, deren Wissensdurst durch Einblicke in das Dekolleté von Verona Feldbusch, das Wadenbein von Michael Schumacher und das Gebrabbel der Fernsehserie Teletubbies scheinbar ausreichend gestillt wird. Auch mangelt es den deutschen Forschern an den begnadeten Popularisierern, an Autoren wie Stephen Hawking, Stephen Jay Gould, Richard Dawkins oder Steven Pinker.

Die Wissenschaft hat aber den unschätzbaren Vorteil, dass sie etwas zu erzählen hat. Sie kann von der Geschichte des Universums berichten, von der Entwicklung des Lebens, von den Geheimnissen unseres Körpers und von unendlich viel mehr. Das ist ein echter und wichtiger öffentlicher Auftrag. Dabei macht es den Reiz und die Herausforderung der Forschung aus, dass vieles eben nicht so ist, wie der gesunde Menschenverstand zunächst glauben möchte. Die Wirklichkeit ist vertrackter als gedacht, und Forschen heißt, sich überraschen zu lassen. Die Popularisierer der Wissenschaft müssen aber der Verlockung widerstehen, um der Verständlichkeit und des schnellen Beifalls willen die Wahrheit zu verdrehen. Das sollten sie Hollywood überlassen.

Kontra: von Thomas de Padova Jeder Händler preist seine Ware an. Auch der Wissenschaftler. Er präsentiert Erfolgslegenden und erwartet Bewunderung und blindes Vertrauen, eingedenk der tiefen Kluft, die ihn von den Nichtwissenden trennt. Sie sind es zwar, die Laien und Steuerzahler, die die Forschung in einem demokratischen Staat in erster Linie finanziell vorantreiben und um deren Wohlfahrt es letztlich gehen sollte. Aber was wissen sie schon von Wissenschaft? Sollte man ihnen etwa die Wahl überlassen, in welcher Richtung sich die Forschung weiterentwickeln möge?

Wissenschaftler bleiben am liebsten unter sich. Sie scheuen den Dialog mit der Öffentlichkeit, denn sie begeben sich ungerne auf ein Terrain, auf dem auch sie plötzlich zu Nichtwissenden werden. Statt dessen bemühen sie sich unentwegt, ihre Reputation bei den Experten, ihren Kollegen, zu verbessern. Sie wissen, wen sie wann für ihre Arbeit zu interessieren haben, und das genügt fürs Erste.

Mancherorts haben sie inzwischen sogar - mehr oder weniger freiwillig - gelernt, wie sie sich Unternehmen und potenziellen Geldgebern gegenüber darzustellen haben. Und der Verdacht liegt nahe, dass es den Forschungsinstitutionen vor allem um letztere geht, wenn sie nun in der Öffentlichtkeit verstärkt für ihre Sache werben wollen.

Doch werden sie die Leute in den eigenen Reihen dafür begeistern können? Werden diese dann vor dem Publikum einen anderen Ton wählen? Werden die Wissenschaftler die Interessen der Allgemeinheit einbeziehen? Sich mit ihren Einwänden offen auseinandersetzen?

Wer heute etwa ein naturwissenschaftliches Fach studiert, dem müssen unweigerlich Zweifel kommen. Selbst diejenigen, die ihr Interesse an der Wissenschaft bekunden, treffen hierzulande schon früh auf ein autoritäres Gehabe, das bereits Generationen von Forschern geprägt hat. So wird an deutschen Hochschulen fast nur Altbewährtes unterrichtet. Die Stichhaltigkeit und Relevanz von Forschungsergebnissen dagegen werden meist völlig ausgeklammert.

Wer meint, ein paar Marketingbeauftragte an Universitäten, Wissenschaftsfeste und Spektakel brächten da irgendeine wesentliche Veränderung, der irrt. Der große Rummel auf dem Marktplatz wird der Allgemeinheit die Arbeitsweisen und Methoden der Wissenschaft kaum näher bringen. Die Masse der Menschen werden die Forscher auch künftig nicht erreichen. Dazu bedürfte es einer Demokratisierung der Wissenschaften und einer Reform unseres Bildungssystems, die diesen Namen wirklich verdient.

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