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Gesundheit: Raumstation als Puppenhaus

Experimente zur Strahlenbelastung von Astronauten

Die beiden einsamen Raumfahrer 400 Kilometer über der Erde haben Gesellschaft bekommen, wenn auch keine sehr gesprächige. Der Amerikaner Michael Foale und der Russe Alexander Kaleri, die seit gut drei Monaten an Bord der Internationalen Raumstation die Erde umkreisen, können sich seit vergangenem Wochenende mit Rando und Matroshka anfreunden, einem Herrn und einer Dame „ohne Unterleib“. Die beiden sind nämlich „Dummies“, mit Sensoren vollgestopfte Nachbildungen des menschlichen Körpers. Sie sollen die Auswirkungen der Strahlenbelastung bei Langzeitmissionen ermitteln – vor dem Hintergrund der neuesten US-amerikanischen Raumfahrtpläne in Richtung Mond und Mars eine hochaktuelle Untersuchung.

Allerdings sind es die Europäer und die Russen, die diese beiden Puppen maßgeblich entwickelt haben und mit einem Progress-Transporter von Baikonur aus in den Orbit schicken. Einen US-Forschungsdummy gibt es schon auf der ISS, die sich damit mehr und mehr zum fliegenden Puppenhaus entwickelt. Sie alle messen die besonders kurzwelligen Alpha- und Gamma-Strahlen, denen Raumfahrer ungleich stärker ausgesetzt sind als die Menschen auf der Erde. Während hier durchschnittlich 2,8 Millisievert gemessen werden, sind es auf der Raumstation schon 240 Millisievert. Strahlungsmengen über 10 Millisievert wurden bereits als krebsauslösend identifiziert, sechs Sievert sind für Menschen tödlich. Auf der ISS geht es also jetzt um die Frage, wie lange Astronauten sich im All aufhalten können, ohne ihre Gesundheit nachhaltig zu gefährden.

Dazu muss Rando ausbooten, während Matroshka an Bord bleibt. Der Torso steckt in einem Raumanzug und wird außen am russischen ISS-Modul Swesda angebracht. Dort ist die Strahlung noch einmal höher als im Inneren der Station. Nach einem Jahr darf Rando dann wieder an Bord zur Auswertung der Messdaten. Dort hat inzwischen seine 30 Kilo schwere Kollegin, deren Körper wohl am ehesten mit „kugelförmig“ zu beschreiben ist, Daten gesammelt. Beide Puppen ermöglichen erstmals, die Einflüsse der kosmischen Strahlung auf Organe wie Augen, Lunge, Nieren, Magen und Darm zu erforschen. Das geht eben nur durch eine möglichst realistische Nachbildung menschlicher Körper.

Immer wieder haben sich bei Außenbordeinsätzen, Mondflügen oder Langzeitmissionen in Raumstationen und -labors Astronauten hoher Strahlendosen ausgesetzt. Am längsten hielt es der russische Kosmonaut Waleri Poliakow aus, der zwischen Januar 1994 und März 1995 insgesamt 437 Tage an Bord der Station MIR verbrachte. Die Besatzungen der ISS werden in der Regel nach sechs Monaten ausgetauscht.

Rando und Matroshka haben es noch verhältnismäßig gut: Sie müssen ihr Schicksal nicht im Orbit beschließen und werden im nächsten Jahr auf die Erde zurückgeholt. Eine zwei- bis dreijährige Reise echter Menschen zum Mars wäre dagegen angesichts der zu erwartenden Strahlenbelastung im wahrsten Sinne des Wortes ein Himmelfahrtskommando.

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