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Gesundheit: Rausch mit Spätfolgen

Haschisch und Marihuana erhöhen das Risiko für Depression und Schizophrenie, lautet das Ergebnis mehrerer großer Studien

Cannabis schlägt auf die Seele. Das ist das Ergebnis einiger neuer Untersuchungen an Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Studien zeigen, dass Marihuanaraucher ihr Risiko deutlich erhöhen, an Depressionen und Schizophrenie zu erkranken. Das ist deshalb von großer Bedeutung, weil der Cannabis-Konsum deutlich zugenommen hat und viele Politiker darüber nachdenken, die Bestimmungen zu lockern und den Konsum von Haschisch oder Marihuana zu erlauben.

Bisher mangelte es an aussagekräftigen und wissenschaftlich stichhaltigen Untersuchungen zu den Folgen von Cannabis für die Psyche. Und es war schwer zu überprüfen, ob psychisch Kranke Cannabis-Produkte einnahmen, um sich selbst zu behandeln und zu betäuben oder ob sie erst durch Cannabis erkrankten. Schließlich konnten auch andere Drogen im Spiel sein. Die neuen Studien aber „lassen wenig Raum für den Glauben, die Verbindung zwischen psychischen Leiden und Marihuanakonsum habe hauptsächlich mit Selbstmedikation zu tun“, kommentieren die australischen Psychiater Joseph Rey und Christopher Tennant die Untersuchungen im Fachblatt „British Medical Journal“, in dem einige der Studien auch veröffentlicht sind.

Bereits 1969 und 1970 hatten schwedische Forscher mit einer umfassenden Befragung fast sämtlicher männlicher Jugendlicher im Alter zwischen 18 und 20 begonnen. Sie können nun die Entwicklung seit mehr als 30 Jahren überblicken und kommen zu dem Schluss, dass das Risiko für Schizophrenie mit dem Cannabis-Konsum ansteigt und die Droge eine Ursache für das Seelenleiden sein könnte.

Wer als junger Mann kein Cannabis zu sich nahm, hatte ein Risiko von 0,6 Prozent, an Schizophrenie zu erkranken. Wer es zwischen elf- und 50-mal eingenommen hatte, besaß ein Risiko von 1,9 Prozent, und wer es noch häufiger konsumierte, für den lag die Gefahr gar bei 3,8 Prozent. Wie die Autoren der Studie um Stanley Zammit von der Universität von Cardiff im „British Medical Journal“ schreiben, könnte das Schizophrenie-Risiko vermutlich um 13 Prozent gesenkt werden, wenn es gelänge, Cannabis völlig aus dem Verkehr zu ziehen.

Völlig legal ist Cannabis in den Niederlanden. Und auch dort bestätigte eine Gruppe von Psychiatern die schwedischen Ergebnisse: wer mehr Cannabis zu sich nimmt, erhöht sein Risiko für seelische Krankheiten (Psychosen), die zudem bei besonders Empfindlichen schwerer verlaufen können.

Wer schizophren ist, leidet häufig unter Halluzinationen, Wahnideen, schweren Konzentrations- und Denkstörungen und unter Störungen des Gefühlslebens. Warum aber kann Cannabis möglicherweise so schwere psychische Probleme auslösen? Die Wissenschaftler vermuten, dass die Überflutung des Gehirns mit dem berauschenden Inhaltsstoff Tetrahydrocannabiol (THC) dazu führen könnte, dass die subtile Balance verschiedener biochemischer Informationssysteme aus dem Gleichgewicht gerät. So könnte es sein, dass THC die Freisetzung von Dopamin in bestimmten Hirnarealen fördert, was wiederum mit Schizophrenie in Verbindung gebracht wird.

Cannabis drückt auch auf die Stimmung. Nach einer 2001 veröffentlichten amerikanischen Untersuchung vervierfacht es das Risiko, an einer schweren Depression zu erkranken, wobei es insbesondere Lustlosigkeit und Selbstmordgedanken verstärkt. Das bestätigt nun eine australische Studie, die eine große Gruppe 14- bis 15-jähriger Jugendlicher über sieben Jahre verfolgt hatte. Angstgefühle und Niedergeschlagenheit traten umso häufiger auf, je öfter Cannabis missbraucht wurde. Täglicher Konsum erhöhte das Risiko gar um das Fünffache. Besonders betroffen waren Mädchen.

„Im Ganzen gesehen hat gelegentlicher Genuss von Cannabis vergleichsweise wenig schädliche Wirkungen“, resümieren Stanley Zammit und seine Kollegen, die Autoren der großen schwedischen Cannabis-Studie. „Aber es gibt ein potenziell ernstes Risiko für die geistige Gesundheit, besonders dann, wenn bereits andere Risikofaktoren für Schizophrenie vorliegen. Diese Gefahren sollte man ernst nehmen, wenn man den Gebrauch von Cannabis künftig liberalisieren oder sogar freigeben möchte.“

Dieser Hinweis wiegt umso schwerer, wenn man den kürzlich veröffentlichten Bericht der Britischen Lungenstiftung in Betracht zieht. Die Stiftung hatte die Gefahren des Marihuana-Rauchens für die Atemwege untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass Marihuana für die Lunge mindestens genauso gefährlich wie Tabak ist. Drei Joints am Tag seien ebenso schädlich wie 20 Zigaretten, meinten die Gutachter. Ebensowenig wie die Psychiater fordern sie ein striktes Verbot – aber sie möchten, dass die Öffentlichkeit über das nicht unerhebliche Gesundheitsrisiko informiert ist.

Mehr im Internet unter:

www.bmj.com

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