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Gesundheit: Reicher Süden, armer Norden

Bund und Länder streiten um die Kompetenzen für die Wissenschaft. Eine Diskussion über die drohenden Folgen

Der junge Präsident John F. Kennedy verkündete zwei Ziele: Er wolle während seiner Amtszeit einen Mann zum Mond und wieder zurückbringen und er wolle den Krebs besiegen. Beides hatte enorme Folgen für die Wissenschaft: Die Weltraumbehörde Nasa wurde aufgebaut und Tausende von jungen Wissenschaftlern erhielten eine Chance, sich in der Krebsforschung zu engagieren. Von diesem Impuls profitieren die Vereinigten Staaten noch heute als führendes Land in der Zellforschung und der Krebsbekämpfung. Die Milliarden, die in die Förderung dieser Programme gesteckt wurden, kamen aus Washington und nicht von den einzelnen Bundesstaaten im föderalen Nordamerika.

Deutschland steht vor einem vergleichbaren Dilemma: Wer ist zuständig für die Formulierung von Ideen, die Anstöße über die Ländergrenzen hinweg geben können? Wer kann sie in politische Programme und Milliardeninvestitionen umsetzen? In Deutschland fallen schon heute Schulen und Hochschulen fast ausschließlich in die Kompetenz der Länder. Versucht der Bund, besonders seitdem Edelgard Bulmahn Bundeswissenschaftsministerin ist, mit Ideen Anstöße zu geben, erregt er in den Ländern Widerstand bis hin zur Ablehnung.

Diese Tendenz soll mit der Föderalismusreform sogar noch verschärft werden. Die Länder möchten dem Bund jede Mitwirkung bei der Bildungsplanung nehmen und auch das Recht beschneiden, mit Milliardeninvestitionen in der Bildung einzugreifen. Auch den Hochschulbau wollen sie selbst übernehmen. In dieser Situation hat der Stifterverband zu einer Tagung in die Villa Hügel in Essen geladen – selbst auf die Gefahr hin, dass es dazu bereits zu spät ist. Denn die Kommission zur Reform des Föderalismus unter Leitung von Edmund Stoiber und Franz Müntefering will am 17. Dezember ihre Vorschläge unterbreiten.

Sind die Länder in der Lage, künftig große Ideen mit nationaler Ausstrahlung rechtzeitig auf die Tagesordnung zu setzen? Der Sozialwissenschaftler Fritz Scharpf vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln bezweifelt das. Die Instrumente der Länder beruhten „auf einem extrem schwerfälligen System“: In der Kultusministerkonferenz wird die Einstimmigkeit verlangt. Wenn die Länder an Stelle des Hochschulrahmengesetzes jene Teile regeln wollen, die bundeseinheitlich geregelt werden müssen, dann seien sie auf das ebenso schwerfällige System der Staatsverträge angewiesen. Genauso unflexibel sei das Instrument der Verwaltungsvereinbarungen, bei denen der Bund und die 16 Länder zustimmen müssten. Ein so radikaler Verfechter der Länderrechte wie Baden-Württembergs Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) möchte diese Schwerfälligkeit nicht wahrhaben. Man könne auf das Hochschulrahmengesetz verzichten. Was dann noch in einem Staatsvertrag über die Zulassung der Studenten, Hochschulabschlüsse, Qualitätssicherung und Personalstruktur zu regeln sei, könne er „auf drei Bierdeckeln“ aufschreiben und mit seinem sozialdemokratischen Kollegen Jürgen Zöllner aus Rheinland-Pfalz binnen zwei Stunden festklopfen.

Weder Jürgen Zöllner noch Bundeswissenschaftsministerin Edelgard Bulmahn konnten sich in Essen für die Bierdeckellösung erwärmen. Bulmahn betonte, die Reform des Föderalismus dürfe nicht dazu führen, dass die Mitfinanzierung des Bundes ersatzlos gestrichen werde. Der Wettbewerb finde nicht zwischen den Ländern in Deutschland statt, sondern unter den stärksten Universitäten in Europa und den anderen Teilen der Welt.

Frankenberg hält dagegen: Starke Länder wie Bayern und Baden-Württemberg sähen sich durch den Bund eher behindert als gefördert. Baden-Württemberg gebe schon heute vier Prozent seines Bruttosozialprodukts für Wissenschaft und Forschung aus und stehe damit besser da als andere europäische Länder, die erst im Jahr 2010 drei Prozent für die Wissenschaft aufwenden wollen.

Diesen Optimismus holte der Vorsitzende des Wissenschaftrats, Karl-Max Einhäupl, auf die Niederungen des Nord-Süd-Gefälles in Deutschland zurück: Arme Länder im Norden könnten nicht mehr als ein Prozent des Bruttosozialprodukts für Wissenschaft aufwenden. Bei so stark auseinander klaffenden Realitäten könne man nicht von einem positiven Wettbewerb sprechen. Sollte der Hochschulbau allein von den Ländern übernommen werden, werde die Schere noch weiter auseinander gehen.

An Kabinettstischen hätten die Wissenschaftsminister einen schweren Stand gegenüber den Finanzministern. Sie könnten für die Hochschulen nur dann etwas herausholen, wenn sie mit dem Geld des Bundes locken dürften. Finanziere der Bund nicht mehr 50 Prozent beim Hochschulbau und bei der Anschaffung neuer Geräte, falle dieser Anreiz weg.

Uwe Schlicht

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