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Gesundheit: Reif fürs Museum

Das europäische Weltraumlabor kommt ohne amerikanische Shuttleflüge nicht ins All

Sie haben Milliarden in den Aufbau der Internationalen Raumstation (ISS) investiert. Doch der wesentliche Beitrag Deutschlands und neun weiterer europäischer Staaten zu dem Außenposten im All, dem Weltraumlabor „Columbus“, wird womöglich gar nicht erst zum Einsatz kommen. „Wenn die Shuttle-Flotte ihre regelmäßigen Flüge nicht wieder aufnimmt, stehen wir dumm da“, sagt Marcello Coradini, Koordinator für Missionen im Sonnensystem bei der europäischen Weltraumbehörde Esa. „Weder die Ariane-Rakete noch die russische Sojus sind stark genug, das Forschungslabor ins All zu bringen. Wir könnten es dann nur noch ins Museum stellen.“

Die Befürchtung, dass die Raumstation ein Torso und die europäische Forschung außen vor bleibt, ist seit vergangener Woche größer geworden. Nasa-Chef Michael Griffin hat den Bau der ISS wie auch das Space-Shuttle-Programm als „Fehler“ bezeichnet. Zuvor hatte er bereits klargestellt, dass die Nasa sich darauf konzentrieren werde, eine bemannte Mondmission vorzubereiten.

Im Jahr 2018 sollen vier amerikanische Astronauten auf dem Mond landen, Griffin rechnet bis dahin mit Kosten von gut 100 Milliarden Dollar – etwa so viel, wie auch die Raumstation kostet. Für das Mondprogramm spielen Space-Shuttle und ISS keine Rolle, auf internationale Hilfe wäre die Nasa nicht angewiesen.

Für europäische Wissenschaftler und Raumfahrtingenieure bedeutet Griffins Aussage, der Ausbau der Raumstation sei „Kosten, Risiken und Schwierigkeiten nicht wert“, ein Schlag ins Gesicht. „Vor allem Deutschland hat die Raumstation sehr stark unterstützt“, sagt Coradini. Das internationale Projekt sei jedoch von Beginn an eine Kooperation ohne konkrete wissenschaftliche Zielsetzung und unter ungleichen Partnern gewesen.

Ursprünglich Ende 2002 hätte das rund eine Milliarde Euro teure Weltraumlabor Columbus zur ISS gebracht werden sollen, doch es steht immer noch beim Hersteller Eads in Bremen. Hunderte Experimente wurden vorbereitet, die bisherige Verzögerung führte schon zu Mehrkosten von etwa 300 Millionen Euro.

Zudem haben die Europäer ein unbemanntes Raumfahrzeug entwickelt, das zehn Meter lange „Automated Transfer Vehicle“ (ATV). Es sollte von Mitte 2006 an die Versorgung der Station mit Treibstoff und Wasser sicherstellen. Wenn Columbus nicht starten würde, hätte auch das ATV-Programm seinen Sinn verloren, sagte kürzlich der Generaldirektor der Esa, Jean-Jacques Dordain.

Im Juli gab Dordain eine Studie in Auftrag, um festzustellen, was passiert, falls die Space-Shuttles bis zur Ausmusterung nur noch 20, 15 oder 10 Flüge absolvieren. Er möchte herausfinden, wie die Investitionen der europäischen Staaten am sinnvollsten eingesetzt werden können, falls Columbus am Boden bleibt. Ob es etwa eine Möglichkeit gibt, die Raumstation notfalls auch ohne ein eigenes Labor für Experimente zu nutzen.

Mittlerweile ist dies kein unrealistisches Szenario mehr. Seit dem tragischen Absturz der Raumfähre „Columbia“ im Februar 2003 stehen mit Discovery, Atlantis und Endeavour nur noch drei Shuttles zur Verfügung, die komplett überholt werden mussten. Nur ein Raumgleiter hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren abgehoben, und auch das nicht problemlos. Bevor die Nasa den nächsten Start riskiert, will sie gründlich analysieren, warum der Shuttle bei seinem letzten Flug wieder Isoliermaterial verloren hat.

Mit einem erneuten Shuttle-Start ist daher nicht vor Mai 2006 zu rechnen. Weit mehr als 20 Flüge sind nötig, um die Raumstation fertig zu stellen, aber bis 2010 will Griffin das Shuttle-Programm stilllegen und damit jeglichen Transport- und Taxi-Service der Amerikaner zur ISS beenden. Dann wird die Nasa für mindestens zwei, wahrscheinlich sogar vier Jahre keine bemannten Raumflüge mehr machen können, so lange nicht, bis ihr neues Raumschiff, das „Crew Exploration Vehicle“, startklar ist.

Die Zeitspanne, in der noch sinnvolle Forschung auf der ISS gemacht werden könnte, schrumpft immer weiter zusammen. Da in den vergangenen zehn Jahren im Mittel jeweils vier Raumgleiter starteten, dürfte das Columbus-Labor frühestens Anfang 2008 auf dem von nun an neunten Flug an Bord eines Shuttles mitgenommen werden – wenn überhaupt.

So könnte der europäische Traum von der Forschung in der Schwerelosigkeit bald ausgeträumt sein. Das Schlimmste wäre, wenn das Projekt, „wofür unsere Mitglieder 20 Jahre bezahlt haben, am Boden bliebe“, sagt Dordain. Eine Lehre hat er bereits aus der Affäre gezogen. Er wolle keine Kooperationen mehr eingehen, „bei denen wir zu 100 Prozent abhängig sind“.

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