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Gesundheit: Rettende Polster rund um die Hüfte

Viele alte Menschen brechen sich den Oberschenkelknochen. Hüftschützer senken das Risiko – aber noch sind sie wenig bekannt

Am Anfang stehen ein plötzlicher Schwindelanfall, Glatteis oder eine Teppichfalte. Und am Ende stehen nicht selten der Verlust von Unabhängigkeit, die Pflegebedürftigkeit oder gar die dauerhafte Bettlägerigkeit. Dazwischen liegen der Sturz eines älteren Menschen auf die Hüfte und der Bruch des Oberschenkelhalses. „Etwa 120000 Hüftfrakturen gibt es jedes Jahr in Deutschland“, sagt Andrea Warnke von der Universität Hamburg. „Fast alle ereilen Menschen im Alter über 70.“ Weil diese Menschen aber oft bereits geschwächt sind, folgt dem Bruch in jedem fünften Fall binnen Jahresfrist eine schwere Krankheit bis hin zum Tod. Tödlich sind dabei nicht die Brüche selbst, sondern Komplikationen wie Lungenembolien.

Warnke hat jetzt mit zwei Kolleginnen den Einsatz spezieller Hüftschützer erprobt und gezeigt, dass man damit vielen Menschen die tragischen Sturzfolgen ersparen könnte (veröffentlicht im „British Medical Journal“, Band 326, Seite 76). Ihre Studie, an der etwa die Hälfte aller großen Hamburger Altersheime beteiligt war, verglich die Resultate aus Heimen, in denen die Hüftprotektoren propagiert wurden, mit denen einer Kontrollgruppe. Das Personal von 25 Heimen wurde eingehend über den Nutzen und die Anwendung der Schützer informiert und angehalten, die Informationen an die 459 Heimbewohner weiterzugeben. Anschließend erhielt jeder Heimbewohner gratis drei der Hosen mit den seitlich eingenähten Kunststoffschalen, die ähnlich wie die Schützer von Inlineskatern funktionieren und nicht größer sind als eine Geldbörse.

Zwei von drei informierten Heimbewohnern trugen daraufhin Protektoren. In den 24 Kontrollheimen mit 483 Bewohnern war es nur jeder Siebte. 14 Monate später dann die positive Bilanz: Insgesamt hatte sich dort, wo die Hüftpolster verteilt worden waren, nur jeder 22. Heimbewohner die Hüfte gebrochen. Sonst war es jeder Zwölfte.

„Wir haben zwei wichtige Dinge gezeigt“, sagt Andrea Warnke: „Die Zahl von Heimbewohnern, die Hüftprotektoren tragen, kann mit einer einmaligen Schulung der Pflegekräfte deutlich erhöht werden, und sie zahlt sich für die Träger der Protektoren aus.“ Die Arbeitsgruppenleiterin Ingrid Mühlhauser hofft nun auf eine breitere Akzeptanz der Hüftschützer: Schon 1993 habe eine Arbeit in der Fachzeitschrift „The Lancet“ gezeigt, dass die Protektoren die Hälfte aller Hüftfrakturen verhinderten, doch bis heute sei das Hilfsmittel kaum bekannt.

Andere Ansätze zur Verminderung der Hüftfrakturen sind laut Warnke und Mühlhauser weniger effektiv: Programme zur Verhinderung von Stürzen, etwa durch Gymnastik, Beseitigung von Stolperfallen oder Anschaffung von Sehhilfen verminderten zwar die Zahl der Stürze, die Fraktur-Häufigkeit ginge aber kaum zurück. Auch die frühzeitige Vorbeugung vor dem Knochenschwund Osteoporose nütze letztlich wenig, sagt Warnke: „Wenn ein alter Mensch aus dem Stand hinfällt, reicht es oft für einen Bruch, egal ob er Osteoporose hat oder nicht.“

Angehörige von Risikogruppen sollten die Kosten für die Protektoren, die in Sanitätshäusern und Apotheken erhältlich sind, in Zukunft verschrieben bekommen, fordert Warnke: „Das sind zum Beispiel Menschen, die öfters stürzen oder schon mal eine Hüftfraktur hatten.“ Bisher entscheiden die Krankenkassen nur im Einzelfall pro Hüftschützer. Das könnte die neue Studie vielleicht ändern.

Peter Spork

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