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Gesundheit: Roboterdame mit Manieren

Ein US-Forscher entwickelt einen Service-Automaten, der warten und sich entschuldigen kann

Grace kommt ganz gut alleine zurecht. So wie letztes Jahr, als die Roboterfrau die Tagung der US-amerikanischen Gesellschaft für Künstliche Intelligenz in Mexiko besucht hat. Im Gegensatz zu vielen ihrer Artgenossen war sie nicht auf eine programmierte Route oder Fernsteuerung angewiesen. „Entschuldigen Sie bitte, wo geht es hier zur Anmeldung?“, hat sie sich mit ihrer blechernen Stimme erfolgreich den Weg erfragt.

Nur an der Schlange zum Kongressschalter hat die Roboterdame dann eine Menschenfrau ein wenig ruppig zur Seite gestoßen. „Manchmal hapert es halt noch ein bisschen mit der Höflichkeit“, erzählt Graces Schöpfer Reid Simmons von der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh lachend. Eigentlich ist Grace aber ein sozialer Roboter: Die Maschine kann mit Menschen sprechen und Anweisungen wie „geradeaus und dann rechts“ in Bewegung umsetzen.

Simmons steht neben Grace in seinem Kellerlabor. Sein Institut gilt als ein Mekka der Robotik-Forschung. Hier entwickelt der Informatiker mobile und autonom handelnde Roboter. Wie Grace. Sie sieht nicht so aus, wie man sich einen Roboter vorstellt: Sie hat weder Arme noch Beine. Denn der Gang auf zwei Beinen ist ein Balanceakt und muss aufwändig programmiert werden; zweibeinige Roboter sind deshalb langsam. Grace ist auf ihren Rädern dagegen ausgesprochen wendig.

Heute ist sie ein wenig verwirrt. Grace hat Probleme mit der Orientierung. Der Laser, mit dem sie sieht, muss neu justiert werden. Im Juli aber wird sie auf der nächsten Konferenz für Künstliche Intelligenz wieder munter durch die Gänge surren – da ist Simmons optimistisch.

Am Wettkampf der Roboter wird sich Grace dort nicht mehr beteiligen. Schließlich hat sie die Aufgaben, an denen sich Forscher aus den USA alljährlich mit ihren Erfindungen messen, bereits im Vorjahr preisgekrönt gemeistert: Sie hat nicht nur den Weg bis zur Anmeldung gefunden und mit ihren Menschenkollegen in der Schlange gewartet, sondern auch ihr Namensschild angefordert, den Fahrstuhl genommen, den richtigen Saal aufgesucht und einen Vortrag gehalten – über sich selbst. Ohne Hilfe.

Jetzt hat Simmons eine neue Mission für Grace. Diesmal soll sie herumirrende Kongressbesucher ansprechen und ihnen den Weg weisen. Simmons Vision: Er will Service-Roboter entwickeln, die freundlich sind. Sie sollen sich entschuldigen können, brav in Warteschlangen einreihen und Small Talk führen.

Doch ist das nicht ein Schritt zu weit? Seit Jahrzehnten verkündet man uns den Service-Roboter, bislang aber hat er kaum Einzug in unsere Wohnzimmer gehalten. Warum eigentlich nicht? Was braucht es schon an Intelligenz, um Staub zu saugen?

Der Forscher Rodney Brooks vom Massachussetts Institute of Technology in Cambridge weiß nur zu gut: einiges. Mit seiner Firma „iRobots“ hat er einen kommerziellen Roboter-Staubsauger entwickelt. „Roomba“ kostet nur 200 Dollar. Simmons besitzt einen: Er setzt das frisbeeförmige Gerät auf den Boden. Roomba reinigt in spiralförmiger Fahrt sorgsam den Teppich und tastet sich dann an der Wand entlang. Dummerweise steht die Tür offen, und der staubsaugende Diskus surrt auf den Gang, ohne sein Werk zu vollenden.

Orientierung ist eines der großen Probleme der Robotik. Graces Laser etwa ist auf Kniehöhe angebracht. „Ihre Welt ist eindimensional“, sagt Simmons. Der Laser blickt geradeaus; niedrige Hindernisse erkennt Grace nicht und stolpert darüber. Menschen erfasst sie, den Laser horizontal schwenkend, an deren zwei Beinen.

Es gibt auch Roboter, die ein komplettes dreidimensionales Bild ihrer Umwelt abbilden und damit ihre Handlungen planen. Das ist das Prinzip der Marsrover. „Ein Marsroboter darf sich schließlich keinen Fehler leisten“, sagt Simmons. Bloß braucht das viel Rechenleistung: Ein Marsrobotor legt nur bis zu 100 Meter am Tag zurück. Für Grace ist das viel zu langsam.

Simmons Kollege in Pittsburgh, Hans Moravec, Mitbegründer des Robotik-Instituts, glaubt, dass alle Probleme mit zunehmender Rechenleistung gelöst werden können. Sobald die Maschinen nur schneller denken könnten, stände ihnen die Welt offen.

Simmons ist vorsichtiger. Es könnte so kommen, bloß bräuchte es dazu mehr als nur schnellere Computer. Denn unser Menschenhirn ist das spezialisierte Produkt von Evolution und lebenslangem Lernen. Beispiel Sprache: Grace spricht und versteht zwar, doch nur programmierte Sätze – solche, die den Weg weisen. Allein dafür können Menschen jedoch viele verschiedene Wörter und Satzkonstruktionen verwenden. Grace ist dann schnell verloren.

Diese Flexiblität zeichnet die menschliche Sprache aber gerade aus. „Das kann man nicht programmieren, das muss man lernen“, sagt Simmons. Es würden schon lernende Roboter entwickelt, doch stecke die Forschung noch in den Kinderschuhen. Immerhin: Ein Roboter wie Grace könnte uns durchaus schon in zehn Jahren auf Flughäfen und in Hotelhallen zur Hilfe eilen – mit begrenztem Wortschatz, aber stets freundlich.

Elke Binder

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