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Gesundheit: Rudolf Preimesberger: Der Wettstreit zwischen den Künsten

Wenn Anfängerstudenten eine offensichtlich unsinnige Deutung eines Gemäldes präsentierten, pflegt der Kunstwissenschaftler Rudolf Preimesberger dies mit der Bemerkung zu kommentieren: "Das ist mir noch gar nicht aufgefallen". So etwas macht hellhörig: Wer viele Semester später vor dem Magisterexamen bei der Vorstellung erster Ergebnisse das "Sie haben schon sehr viel" zu hören bekam, konnte häufig heraushören: "Es langt noch nicht".

Wenn Anfängerstudenten eine offensichtlich unsinnige Deutung eines Gemäldes präsentierten, pflegt der Kunstwissenschaftler Rudolf Preimesberger dies mit der Bemerkung zu kommentieren: "Das ist mir noch gar nicht aufgefallen". So etwas macht hellhörig: Wer viele Semester später vor dem Magisterexamen bei der Vorstellung erster Ergebnisse das "Sie haben schon sehr viel" zu hören bekam, konnte häufig heraushören: "Es langt noch nicht".

Wer durch angemessene professorale Umgangsformen sensibilisiert wird, lernt als Student der Kunstgeschichte bei Preimesberger der Sprache dieselbe Aufmerksamkeit zu schenken wie den Werken der bildenden Kunst. Es war wohl nicht zuletzt die unverbindliche österreichische Liebenswürdigkeit, welche den hermeneutischen Eifer seiner Eleven beflügelte. Alles bedarf der Interpretation: nicht allein durch Lehrinhalte. Davon konnte man sich erneut während einer Internationalen Fachtagung in der Freien Universität in der vergangenen Woche überzeugen. Anlässlich des 65. Geburtstag von Preimesberger ging es um seinen Schwerpunkt in Forschung und Lehre: die italienische Kunst der Renaissance und des Barock. Die Referenten setzten sich überwiegend aus älteren und jungen Schülern von Preimesberger zusammen.

Sie bestätigten in ihren Vorträgen den traditionellen ikonologischen Ansatz, Werke der bildenden Kunst ließen sich im Wesentlichen durch den Sprach-, mithin Textbezug begreifen. Aus zeitgenössischen Quellen, vor allem durch Exegese zeitgenössischer Kunstkritik, erschließt sich der Sinn der Werke. Folgerichtig stand die Veranstaltung im Zeichen des wohl prominentesten Diskurses zur Kunst in der Renaissance - dem Paragone. Das italienische Wort für Wettstreit bezeichnet die Rivalität zwischen Malern, Bildhauern und bildenden Künstlern mit Vertretern der Poesie.

Es geht um soziale Aufwertung

Eine Schlüsselstellung nimmt das "Traktat über die Malerei" von Leon Battista Alberti aus dem Jahr 1430 ein. In dessen Folge setzt sich die Diskussion bis zum Frühbarock fort: Neben anderen kamen Leonardo da Vinci, Abrecht Dürer und Giorgio Vasari in dem Disput zu Wort. Im 15. und 16. Jahrhundert findet sich kaum eine theoretische Stellungnahme zur Kunst, in der die Frage nicht thematisiert wurde. Dahinter steht das Streben der bildenden Künstler, nach sozialer Aufwertung und intellektueller Nobilitierung einer Tätigkeit, die bis ins Spätmittelalter als Handwerk betrachtet wurde. Der Versuch moderner Kunsttheorie, den Sinn der Werke aus zeitgenössischen Schriftzeugnissen zu erklären, findet in der Paragone-Vokabel ein umfassendes Werkzeug. Dabei erfuhr der Begriff eine derartige Ausweitung, dass er kaum noch etwas anderes bezeichnet als das Wort "Konkurrenz". Dafür bot die Veranstaltung am Kunsthistorischen Institut hinreichende Belege.

Nahezu jeder Künstler befindet sich in einer Konkurrenzsituation. Somit konnten die Referenten auch Werke, die mit dem Paragone unmittelbar nichts zu tun haben, durch Hinweise auf die Rivalität mit anderen Werken in einen paragonalen Zusammenhang einordnen. Nachdem mit Victor Stoichita bereits ein Star der Kunsthistorikerszene den Eröffnungsvortrag gehalten hatte, kam mit Matthias Winner, dem Direktor der Bibliotheca Hertziana in Rom, ein weiterer Prominenter zu Wort. Mit seinem Thema Poussins "Reich der Flora" in Dresden hat Winner sich bereits mehrfach auseinandergesetzt. Das Bild, auf dem die römische Blumengöttin Flora inmitten allegorischer Verkörperungen einzelner Blumen zu sehen ist, hat die Forschung immer schon fasziniert. Handelt es sich doch nicht einfach um eine Textillustration, sondern um eine originäre Bilderfindung Poussins. Unter Bezug auf eine Stelle im Festkalender Ovids, wonach Flora zuerst die Farben auf die Erde gebracht hätte, sieht Winner in ihr eine Verkörperung der Malerei.

Seiner Ansicht nach gibt es im Gemälde einen Dialog zwischen dem Maler und Figur der Flora. Diese sei in Anlehnung an eine antike Statue des griechischen Bildhauers Praxiteles zu verstehen. Die Anordnung der übrigen Figuren wie in einem Reigen stelle darüber hinaus eine Bezugnahme auf die Niobidengruppe des Praxiteles dar. Das Gemälde sei somit nur in paragonalen Bezügen zur Antike verständlich: "Poussin habe die Praxitelesstatuen mit Hilfe der Farbe zum Leben erwecken und somit übertreffen wollen."

Auch viele der übrigen Referenten blieben in ihren Beiträgen stark solchen Konventionen der kunstwissenschaftlichen Hermeneutik verhaftet. Nicola Suthor kam in ihrer Analyse des Tiziangemäldes "Tarquinius und Lucretia" (es hängt in Baltimore) hingegen fast ganz ohne die mitunter inflationär gesetzten Bezüge zur zeitgenössischen Kunsttheorie aus. Der von Livius überlieferte Stoff aus der römischen Geschichte, wonach Lucretia sich nach der Vergewaltigung durch Tarquinius das Leben nimmt, war ein beliebtes Sujet in der neuzeitlichen Kunst. Tizian schildert nicht den Freitod, sondern die Überwältigung durch Tarquinius. Suthor argumentierte, dass es in dem Bild nicht um die Darstellung römischer Historie gegangen sei, sondern um das Geschlechterverhältnis. Tizian hätte in der mangelnden Gegenwehr der Lucretia weibliches Begehren thematisiert. Das Bild wäre somit sowohl Beleg einer männlichen Sicht auf die Sexualität und gleichzeitig eine Absage an die Identifierung des Weiblichen mit der Keuschheit.

Johannes Hannemann

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